Schulhof-Überwachung in Niedersachsen: Videokameras für "Problemschulen"
Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann forderte in der "Bild"-Zeitung, Schulhöfe mit Videokameras zu überwachen. Koalitionspartner FDP ist skeptisch, die GEW warnt vor Stigmatisierung.
HAMBURG taz | Wenn auf Niedersachsens Schulhöfen die Fäuste fliegen, ist demnächst vielleicht die Kamera live dabei. In der Bild-Zeitung sprach sich der Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) für eine Videoüberwachung an "Problemschulen" aus.
Anlass für das Interview waren die Vorkommnisse an der Garbsener Hauptschule Nikolaus Kopernikus. Dort haben sich gewalttätige Übergriffe zwischen Schülern und Respektlosigkeiten gegenüber Lehrkräften derart gehäuft, dass sich die Pädagogen nicht mehr in der Lage fühlten, die Sicherheit der SchülerInnen zu gewährleisten. Nachdem sich der scheidende Direktor Albert Seufer an die Landesschulbehörde gewandt hat, patrouillieren seit vergangenem Donnerstag Polizisten vor dem Schulgelände. Auch Einlasskontrollen nach amerikanischem Vorbild sind laut Polizei denkbar.
Das reicht Kultusminister Althusmann aber nicht. Was er nun fordert, ist der "gezielte Einsatz von Videokameras", um "Täter zu ermitteln". Für gefasste Jugendliche könne er sich dann "bestrafende Projekte vorstellen". Dabei verweist er auf die Vermutung, hinter den Gewalttaten an der Garbsener Hauptschule stecke eine Art Jugendgang.
In welchem Umfang Kameras eingesetzt werden sollen und was mit dem gespeicherten Material geschieht, ließ Althusmann zunächst offen. Für Nachfragen der taz war der Minister am Dienstag nicht zu sprechen. In der kommenden Woche will er aber nach Garbsen reisen und sich in der betroffenen Schule selbst ein Bild machen.
Richard Lauenstein, Sekretär für Bildungspolitik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, warnt vor einer Stigmatisierung der SchülerInnen: "Man darf die Situation einer einzelnen Schule nicht verallgemeinern und flächendeckende Maßnahmen ableiten." Stattdessen sei es wichtig, alle Dimensionen jugendlicher Gewalt einzubeziehen, also neben der Schule auch die Eltern und außerschulische Einrichtungen einzubinden.
Radikale Konsequenzen für ganze Schulen hätten sonst ungerechte Effekte: Unschuldigen SchülerInnen würde mit der Ausweisung ihrer Schule zur "Problemschule" das Etikett "Problemkind" aufgedrückt. Wichtig ist Lauenstein vor allem, an den Schulen soziale Integration zu fördern und den SchülerInnen nicht von vornherein die Perspektive abzusprechen.
In der schwarz-gelben Koalition hat Althusmann mit seiner Forderung nur bedingten Rückhalt. Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Björn Försterling, sieht den Einsatz von Überwachungskameras als "allerletztes Mittel" und nicht zur permanenten Kontrolle geeignet.
Kameras würden das Problem nur nach außerhalb des Schulhofes verlagern, wo die Jugendlichen weiter unbeobachtet seien. Wichtiger als Überwachung sei die Zusammenarbeit mit Schulsozialarbeitern: "Eine Schule ist doch kein Hochsicherheitstrakt." Er will nun abwarten, welche Missstände der Minister am 24. Juni dem Kultusausschuss des Landtags berichtet.
Beschließen wird der Kultusausschuss vorerst nichts. Denn die mögliche Installation schulischer Überwachungskameras fällt nicht in den Aufgabenbereich des Kultusministeriums. Allein die Schulträger können über die sachliche Ausstattung einer Schule entscheiden, in diesem Fall die Gemeinde Garbsen.
Die äußerte sich ablehnend zu den Äußerungen des Kultusministers. "Das Bild an der Nikolaus-Kopernikus-Hauptschule ist nicht so schwarz-weiß wie von Althusmann dargestellt", hieß es. Man wolle keine Überwachung einführen.
Sollten andere Schulen den Vorschlag des Ministers aufgreifen wollen, ist außerdem der Datenschutz zu beachten - und der ist in Schulen besonders sensibel zu handhaben: Der Installation von Kameras müssten die Eltern sämtlicher SchülerInnen zustimmen.
Der Landesdatenschützer steht dem Vorschlag "sehr reserviert" gegenüber: "Schüler sollen nicht in dem Geist erzogen werden, unter Beobachtung zu stehen", sagt Sprecher Michael Knaps.
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