Kommentar Steuerpläne der FDP: Eine Charakterfrage
Es rächt sich, dass Philipp Rösler die Parteiführung ohne ein Konzept der Neuausrichtung ergriffen hat. Mit der Forderung nach Steuersenkungen verwaltet er den Niedergang.
I n der Krise erweist sich der Charakter. Wenn diese Weisheit stimmt, dann ist die FDP entgegen all ihrer Beteuerungen ganz die Alte geblieben. Schon wieder wird die Partei allein bei einem Thema grundsätzlich und forsch: bei ihrer Forderung nach Steuersenkungen.
Damit bleiben die Freidemokraten ihrem programmatischen Kern treu - und offenbaren ihr strategisches Dilemma. Die beschworene Neuausrichtung der darniederliegenden Partei scheint vergessen.
Die FDP muss um ihr bundespolitisches Überleben fürchten. Da erscheint es naheliegend, die alte Kernforderung nach niedrigeren Einkommensteuersätzen zu erneuern: Hauptsache, die letzten verbliebenen Sympathisanten bleiben der Partei treu.
MATTHIAS LOHRE ist Parlamentskorrespondent der taz.
Doch der Einfluss der FDP in der Regierungskoalition ist gegen null gesunken. Um sich gegen den widerwilligen Finanzminister von der CDU zu stemmen, müssen die Freidemokraten ihre letzte Kraft aufbringen. Diese fehlt dann auf anderen Politikfeldern.
Anders gesagt: Je mehr Euromilliarden die Partei im Steuerstreit herausholen kann, desto schwächer wird sie in Sachen Bürgerrechte auftreten können. Steuersenkungen durchsetzen und zugleich auf dem Nein zur Vorratsdatenspeicherung beharren - das dürfte der FDP nicht gelingen.
Nun rächt sich, dass Philipp Rösler die Führung der Partei ergriffen hat, ohne sich zuvor ein Konzept zu ihrer Neuausrichtung zurechtgelegt zu haben. Der Vorsitzende verwaltet den Niedergang, statt ihn aufzuhalten.
Kein neuer Parteichef, kein neues Grundsatzprogramm werden den Absturz der Partei bis zur nächsten Bundestagswahl bremsen. Steuersenkungen zum 1. Januar 2013 verfolgen nur noch das Ziel, das lange Undenkbare abzuwenden: den Rauswurf der FDP aus dem Bundestag.
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