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DIE WAHRHEITSchlechtelauneferien

Bei dem Gedanken, mich drei Wochen lang entspannen zu sollen, schwitze ich bereits vor Anstrengung, egal wie kalt das Ferienwetter gerade ist ...

... Ich hasse übrigens Wörter, die mit "Urlaub-" oder "Ferien-" beginnen. Alles euphemistischer Quatsch, wissen wir Misanthropen. Es gibt keine "Urlaubsregionen", nur bemitleidenswerte Gegenden, in denen unterbezahlte Kreaturen rotgesichtigen Tölpeln das Essen auf Knien servieren müssen und dann kein Trinkgeld bekommen. Ohne mich!

Auch "beliebte Ferienrouten" entpuppen sich letztlich als die immergleiche Stehparty auf der A7, akustisch untermalt von einem NDR-2-Jingle mit Turbostimmung im Viervierteltakt, der mich an mein nie verwirklichtes Projekt eines gepflegten Schlechtelaune-Radios erinnert.

Manchmal muss ich trotzdem während der Saison der allgemeinen Menschenverklappung, die sich als "Ferienspaß pur" tarnt, einen Hotelbetrieb aufsuchen. Morgens verschlafe ich als Erstes und bin zu erschöpft, um zu duschen, was mir erfreulich die Stimmung verhagelt. Der Liebste, notorisch gut gelaunt, etikettiert meinen Angstschweiß als "Urlaubsgeruch", duscht selbst aber heimlich und riecht dann ganz anders, nach Hotelseife. Meine ungekämmten Haare gehen bei ihm heute als "Ferienaussehen" durch.

Da das Hotel im Umkreis der A7 liegt, ist Knierutschen unter dem Personal weniger in Mode, das soll der Gast schon bitte selbst übernehmen. Morgens jagt man die zahlenden Trottel mit der Peitsche zum Frühstücksbuffet, wo sie unter Verlust ihrer Menschenwürde die erste Mahlzeit des Tages verzehren - verzehren wollen, erst mal haben sie Schlange zu stehen. Da die anderen Opfer der kollektiven Urlaubsillusion allerdings wie ferngesteuert auf das krümelige alte Rührei und den fettigen roten Plastikschleim zustürzen, der hier als Lachs serviert wird, wenn nicht gar als Ferienlachs, ist es für mich nicht so schwierig, ein zumutbares Brötchen zu erwischen. Warum tun sie das? Selbst der unbegabteste unter ihnen könnte sich zu Hause eine bessere Eierspeise zusammenschrauben. Macht er aber nicht. Auch gäbe es guten Fisch für einen Bruchteil des Urlaubsgelds zu kaufen. Geht nicht. Wenn der Ferienplebs sein Pauschalfrühstück ansteuert, muss er zwanghaft das verzehren, was er für das teuerste hält.

Ich suche inzwischen nach der Alternative, dem Brechbuffet mit Kübelchen vom Feinsten; das ist aber hier nicht vorgesehen. Leider habe ich, die Urlaubsjammergestalt, den Käse vergessen oder das ejakulatfarbene Läppchen, das hier unzulässigerweise als solcher ausgegeben wird, und muss noch einmal zurück in die Drängelmanege der überquellenden Bäuche mit Lachs-Ei-Neurose. Die sollten alle gar nichts mehr essen, denke ich, und zwar am besten schon seit drei Wochen nicht. Ist ihnen aber egal. Kaum bin ich mit meiner Beute wieder zurück am Tisch, merke ich, dass mir inzwischen von einer fiesen Urlaubsaushilfe das eben frisch gebutterte Brötchen noch vor dem ersten Bissen abgeräumt wurde. Das Trinkgeld kann die Eule aber so was von vergessen!

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