Öffentlicher Personennahverkehr: Nie mehr die U-Bahn verpassen
BVG-Tickets gibt es künftig auf Internet-Handys. Der Tarif wird automatisch berechnet, das Angebot gilt für alle 7.500 Haltestellen im AB-Bereich und in Potsdam.
Es ist der Albtraum jedes Gelegenheitsfahrers: Man steht am Kartenautomaten, klickt sich zum richtigen Ticket durch, stoppelt Kleingeld in den Schlitz - und derweil fährt die U-Bahn davon. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen solche Szenarien künftig tatsächlich auf der Traumebene verankern. Ab sofort können Nutzer internetfähiger Mobiltelefone ein papier- und bargeldloses Handyticket lösen. "Das System hat Modellfunktion für ganz Deutschland", sagt BVG-Vorstand Henrik Falk bei der Vorstellung des Projekts. In anderen Städten wie Dresden, Hamburg, Köln oder Nürnberg gibt es Handytickets für den Nahverkehr indes schon.
Zunächst ist das Handyticket nur für Nutzer eines iPhones oder Android-Smartphones mit Telekom oder Vodafone als Netzbetreiber verfügbar. Weitere Anbieter sollen folgen, sagte Falk. Es gilt an allen 7.500 Haltestellen im Tarifgebiet AB und in Potsdam. Bis zur Eröffnung des Flughafens in Schönefeld soll es auf den Bereich C erweitert werden.
Zur Nutzung müssen Kunden zunächst die Touch&Travel-App kostenlos auf ihr Smartphone laden. Bei der ersten Aktivierung der App werden Nutzer zur Eingabe der Kundennummer und des PINs aufgefordert. Die Codes sind nach der Registrierung unter www.BVG.de/Handyticket per E-Mail oder SMS erhältlich. Wer hernach in Bus, Bahn oder Tram steigen möchte, loggt sich ein. Die Position wird mittels GPS geortet. Man kann die Fahrt beliebig unterbrechen oder umsteigen. Nach dem Aussteigen loggt man sich aus.
Das System berechnet automatisch den günstigsten Tarif für den Zeitraum - Kurzstrecke, Einzel- oder Tagesticket. Vergisst ein Kunde, sich beim Verlassen des Verkehrsmittels abzumelden, schickt die BVG nach ein paar Stunden eine Erinnerungsnachricht aufs Handy. Die Nutzer erhalten eine monatliche Rechnung und bezahlen per Lastschrifteinzug. Gerade weil ihnen das Rätseln um den richtigen Tarif abgenommen werde, seien die Handytickets etwa für Touristen attraktiv, sagte Falk. Er rechnet damit, dass der Marktanteil des neuen Vertriebswegs bis 2020 bei etwa 30 Prozent liegen werde. Die Neuerungen im Berliner Verbund sind eine Erweiterung des Touch&Travel-Systems der Deutschen Bahn (DB).
Touch&Travel nutzen knapp 10.000 Kunden bundesweit, es ist läuft noch bis zum Herbst in einer Testphase. Ab 1. November will die Bahn die Stationen an allen Fernverkehrsbahnhöfen einführen. "Wir glauben, dass mehrere Millionen Kunden künftig auf diese Art ihr Ticket erwerben wollen", sagte die zuständige DB-Projektleiterin Birgit Wirth.
Für die Nutzer von Leihrädern gilt dies auf jeden Fall: Die Zuwachsraten bei Handy-Bestellern liegen der DB zufolge im zweistelligen Bereich. Bundesweit nutzten etwa 1,4 Millionen Bürger die Leihräder der Bahn, in Berlin seien es derzeit 28.000 Kunden. An den im Frühjahr eingeführten festen Stationen können sie Räder per Mobiltelefon freischalten lassen, entweder per Anruf, bei internetfähigen Telefonen auch per App - wie künftig auch bei der BVG.
Datenschutzrechtliche Probleme sehen die Verantwortlichen bei BVG und DB nicht. Die Bewegungsdaten würden sechs Monate anonymisiert gespeichert, sagt Wirth. Allerdings hätten unter anderem datenschutzrechtliche Fragen einfachere SMS-Ticket-Systeme verhindert, wie sie in anderen Ländern angeboten werden.
Vor allem aber dürften solche Modelle, die auch für herkömmliche Mobiltelefone geeignet sind, Bahn und Nahverkehrsanbietern zu teuer gewesen sein - wegen der technischen Anforderungen gelten sie als unwirtschaftlich.
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