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Innenminister weist Schuld zurück

VORWÜRFE Boris Pistorius will über die Abschiebung einer Roma-Familie nicht unterrichtet worden sein

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) will von der Abschiebung einer Roma-Familie aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg nichts gewusst haben. Dem Minister sei „der konkrete Fall zuvor nicht bekannt“ gewesen, teilte sein Ministerium am gestrigen Dienstag mit. Er werde sich die Details „unverzüglich vorlegen lassen und unvoreingenommen prüfen“.

Bei der Abschiebung am Samstag um 3.30 Uhr waren die Mutter und die beiden jüngeren Söhne (7 und 13 Jahre) in ein Flugzeug nach Pristina gesetzt worden, die Hauptstadt des Kosovo. Der Vater wurde nicht abgeschoben, weil der dritte, 16-jährige Sohn nicht zu Hause übernachtete und sonst allein zurückgeblieben wäre. Die Familie lebt seit 16 Jahren im Wendland, alle drei Söhne besuchen dort die Schule und gelten als gut integriert.

Der Landrat des Kreises Lüchow-Dannenberg, Jürgen Schulz (parteilos), hatte gegenüber der taz gesagt, er habe versucht, die Abschiebung zu stoppen. Beim Innenministerium sei er aber damit auf taube Ohren gestoßen. Ihm liege die Mail aus dem Ministerium vor, wonach Pistorius von dem Fall unterrichtet worden sei.

Dies hat der seit einer Woche im Amt befindliche Minister mit seiner gestrigen Erklärung von sich gewiesen: Er sei „nur allgemein über bevorstehende Abschiebefälle von Personen informiert worden, die in der Vergangenheit Straftaten begangen hatten“, heißt es da. Die Eltern waren vor Jahren wegen Delikten wie Fahrens ohne Führerschein und Urkundenfälschung zu Geldstrafen verurteilt worden.

Nach Bekanntwerden der Abschiebung hatten die Landtagsgrünen eine „lückenlose Aufklärung“ geordert. Der Innenminister kündigte an, sich „bis auf Weiteres einmal pro Woche“ alle Abschiebefälle vorlegen zu lassen. Nächtliche Abschiebungen und die Trennung von Familien müssten vermieden werden, so Pistorius. Der versprochene „Paradigmenwechsel in der Abschiebungspraxis“ werde erfolgen.  WIE

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