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Mord an Journalistin PolitkowskajaJetzt fehlt nur noch der Auftraggeber

Der mutmaßliche Organisator des Mordes an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja ist festgeommen worden. Es ist ein ehemaliger Polizeibeamter.

Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober 2006 in ihrem Hauseingang erschossen. Bild: reuters

MOSKAU taz | Fast fünf Jahre nach dem Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja gaben Moskaus Fahnder einen ersten Ermittlungserfolg bekannt, der zu Hintermännern und Auftraggebern des Verbrechens führen könnte. Anfang der Woche nahmen die Ermittler in Moskau den ehemaligen Mitarbeiter der Kriminalpolizei Dmitri Pawljutschenkow fest. Er wird verdächtigt, den Mord vorbereitet und organisiert zu haben.

Nach Angaben des russischen Chefermittlers, Wladimir Markin, habe Pawljutschenkow für die "Organisation des Mordes Geld von einem noch unbekannten Auftraggeber erhalten und sein Einverständnis erklärt". Inzwischen liegen auch Beweise vor, dass der Expolizist Kollegen mit der Überwachung der Journalistin beauftragte und dem mutmaßlichen Killer, Rustam Machmudow, die Tatpistole übergab.

Auch den Kreis der Täter soll er ausgewählt und jedem seine Aufgabe zugewiesen haben. Die Ermittlungsbehörde räumte überdies ein, dass sie, anders als zunächst verlautbart, auch über Hinweise auf den vermutlichen Auftraggeber verfüge. Im Interesse der Ermittlungen würden Einzelheiten indes noch nicht bekannt gegeben.

Anna Politkowskaja wurde am 7. Oktober 2006 in ihrem Hauseingang durch fünf Pistolenschüsse kaltblütig niedergestreckt. Die Journalistin hatte sich besonders durch Reportagen aus dem Tschetschenienkrieg und Berichte über Menschenrechtsverletzungen im Kaukasus einen Namen, aber auch viele Feinde gemacht. Vermutungen wurden laut, dass der tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow oder russische Militärs hinter dem Anschlag stecken könnten.

Anna Politkowskaja arbeitete bei der oppositionellen Nowaja Gaseta. Die Zeitung und die beiden Kinder der Ermordeten stellten parallel zu den staatlichen Ermittlungen eigene Nachforschungen an.

Hauptbelastungszeuge im ersten Prozess

Bereits im ersten Prozess gegen mehrere Handlanger äußerten sie die Vermutung, dass Dmitri Pawljutschenkow bei dem Verbrechen eine Schlüsselrolle zufalle. Allerdings reichten damals die Beweise für eine Anklage noch nicht aus. "Er war Hauptbelastungszeuge im ersten Prozess. Wir vermuteten schon lange, dass er an dem Verbrechen beteiligt war", sagte die Anwältin der Familie, Anna Stawizkaja, nach der Festnahme des Verdächtigten. Sie geht davon aus, dass noch mehr Mittäter an der Vorbereitung des Mordes beteiligt gewesen sein könnten.

Im ersten Verfahren gegen Dschabrail und Ibragim Machmudow, Brüder des mutmaßlichen Mörders Rustam, trat Pawljutschenkow als einer der Hauptbelastungszeugen auf. Da er als Kripobeamter bei einer under cover arbeitenden Einheit tätig war, musste er vor Gericht nicht öffentlich als Zeuge aussagen. Ein Schöffengericht sprach die Angeklagten mangels Beweisen 2009 frei. Russlands Oberstes Gericht hob das Urteil indes auf und ordnete eine Wiederaufnahme der Ermittlungen an.

Mit auf der Anklagebank saß auch der frühere Kripobeamte Sergej Chadschikurbanow, ein Mitarbeiter und Freund des Inhaftierten. 2008 beschuldigte Pawljutschenkow den einstigen Mitstreiter, von ihm 350.000 Dollar erpresst zu haben. Chadschikurbanow wurde daraufhin zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Nicht ausgeschlossen ist, dass dieses Verfahren die Ermittler endgültig auf die Fährte Pawljutschenkows führte.

Die Nowaja Gaseta vermutet, dass es sich bei dem Erpressungsgeld um die Summe handelte, die der Organisator für den Mord vom Auftraggeber erhielt. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, dass die Ermittler auch den Auftraggeber dingfest machen. Das wäre dann einer der wenigen aufgeklärten Morde an Journalisten und Oppositionellen in Russland.

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9 Kommentare

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  • MD
    maria daubenbuechel

    anna politkovskaja war lange vor ihrem tod 2006 bekannt,es gab immer wieder berichte über tschetschenien von ihr.im jahr 2003 kam ihr buch "tschetschenien ,die wahrheit über den krieg" heraus.ein sehr erschütterndes buch,sehr zu empfehlen,für menschen,die sie offensichtlich nicht kennen.2005 erschien dann ihr buch "in putins land",lohnt sich zu lesen,vor allem für menschen,die offensichtlich meinen, wie hier in einigen leserbriefen, sich ein urteil bilden zu können,ohne informiert zu sein. gerade weil putin anna politkovskaja als unwichtige journalistin bezeichnet, wäre es wichtig, sich mit ihr

    zu beschäftigen.

  • D
    Denis

    Die typische KGB-Methode der Desinformation unterstellt allen Andersdenkenden genau das, was selbst permanent praktiziert wird: Wer selbst sich als Zensor aufspielt, unterstellt anderen Zensur. Wer selbst Unwahrheiten über andere Menschen verbreitet, unterstellt diesen, sie hätten gelogen. Anna Politkowskaja hat nichts Unrechtes getan, sie hat nur bestehendes Unrecht aufgezeigt und wurde hierfür ermordet. Die Wahrheit darf in Russland nicht ungestraft ans Licht kommen.

  • PB
    Peter Bitterli

    Donath lügt, wenn er sagt, dass das "einer der wenigen Journalistenmorde" wäre, die aufgeklärt würden. Estemirova, Mironov, slso die hierzulande bekanntesten Fälle, sind aufgeklärt oder weit gediehen. Donath weiss das; er verschweigt es.

    Ist der Kennedy-Mord aufgeklärt? Palme? Barschel?

  • B
    Benz

    @Denis

    Wollen Sie hier die Zensur einführen und gebieten, es dürfe nur Gutes über die Pollitrowskaja gesagt werden? Schauen Sie der Wahrheit ins Auge, auch wenn sie unbequem ist. Stellen Sie sich der Debatte anstatt nach Zensur zu verlangen.

    Und Pollitrowskajas Ruf habe nicht ich zerstört. Den hat sie selbst zerstört, als sie begann Propaganda für die nordkaukasischen Warlords zu schreiben.

     

    @reorient

    Da bin ich mit Ihnen einer Meinung: Man muss vor Ort gewesen sein und mit die Sicht der Direktbetroffenen kennen. Genau das habe ich getan. Deshalb weiss ich auch mit Sicherheit, dass

    a) Verschwörungstheorien wie Pollitrowskaja sie schrieb überall im russ. Internet und Boulevardzeitungen gelesen werden können

    b) Diese Pollitrowskaja vor ihrem Tod absolut unbekannt war

    c) Niemand Symphatien für die nordkaukasischen Terroristen hegt und niemand Propagandaschriften für deren Tun gutheisst.

  • R
    reorient

    @ Benz:

    Vielleicht reisen Sie ja selbst einmal nach Russland, und versuchen mit verschiedenen Menschen ueber das russische Vorgehen in Tschetschenien kritisch ins Gespraech zu kommen? Insbesondere mit der herrschenden Elite und Putin-Anhaengern?

  • B
    Benz

    @Förtsch

     

    Wenn Sie das für starken Tobak halten, dann schauen Sie sich mal an, wann RU und erst recht die restliche Welt etwas von Pollitrowskaja gehört hatte: Vor oder nach Ihrem Tod? Und Sie werden schnell feststellen, dass sie vor dem Absterben gänzlich unbekannt war, erst recht im Ausland, nach ihrem Tod aber weltberühmt war. Das konnte ganz sicher nicht im Interesse der russ. Regierung sein.

     

    Pollitrowskajas Schreibe ist nichts aussergewöhnliches. Ähnliche ´´Enthüllungen´´, ´´Skandale´´ und sonstige Verschwörungstheorien gibts in russ. Medien zuhauf. Besonders das Internet ist voll davon.

    Und ob Pollitrowskaja ´´eine der besten´´ war, bezweifle ich stark. Habe mal was von ihr gelesen: Nichts als subjektive Eindrücke, in einer gestelzten, schwerfälligen Sprache vorgetragen, aber wenig bis keine Fakten.

     

    Das Fräulein hatte sich eben mit den falschen Leuten eingelassen, hatte gute Kontakte zu den nordkaukasischen Banditen. Wahrscheinlich hatte sie sich von denen Geld geliehen, und konnte es nicht rechtzeitig zurückzahlen.

  • D
    Denis

    Die Pöbeleien gegen die ermordete Anna Politkowskaja entstammen derselben schmutzigen Quelle wie der Mordauftrag. Erst Menschen physisch vernichten, dann im Nachhinein den Ruf zerstören. An solchen Bemerkungen erkennt man die KGB-Mentalität.

  • AF
    A.J. Förtsch

    von Benz schreibt, dass die "die russ. radikalen Opositionskräfte" Interesse am Tod von Anna Politkowskaja hätten. Das ist staker Tobak!

    In Russland gibt es immer weniger Journalisten die sich überhaupt trauen etwas Kritisches über ihren Staat zu schreiben. Anna Politkowskaja hat über Grausamkeiten in Tschetschenien und über Unrecht in Russland geschrieben.

    Die Opposition in Russland verlor durch diesen schäbigen Mord eine ihrer besten. Ich glaube ja nicht, dass die wahren Auftraggeber für diesen Mord gefunden werden. Sicher bin ich mir aber, dass die Auftraggeber des Polizisten nicht"unterhalb" seines Dienstgrades zu suchen sind.

  • B
    Benz

    Wieder mal Pollitrowskaja. Für die russ. Regierung war sie weder gefährlich noch sonstwie von Interesse. ''Enthüllungen'' und andere Verschwörungstheorien, wie Pollitrowskaja sie schrieb, konnte und kann man im russ. Internet und in jeder russ. Boulevardzeitung lesen.

    .

    Seit sie aber tot ist, ist Pollitrowskaja schlagartig weltberühmt geworden und ihre Verschwörungstheorien sind viel stärker unter die Leute gekommen. Die russ. radikalen Oppositionskräfte werden nicht müde, aus ihr, genauer gesagt aus ihrem Tod, politisches Kapital zu schlagen. Damit steht auch fest, wer ein Interesse an ihrem Tod haben konnte.