Kommentar Drogenkartelle in Mexiko: Die Kartelle sind außer Kontrolle
Der Platz, den sich die Drogenkartelle erobert haben, ist ihnen kaum noch streitig zu machen. Die Debatte über eine Drogenlegalisierung kommt zu spät.
S ieht eigentlich noch jemand hin? 53 Menschen wurden am Donnerstagnachmittag in einem Spielcasino in Monterrey ermordet - mehr, als der deutschen RAF in den 28 Jahren ihrer Existenz zum Opfer fielen. In Mexiko jedoch sind es einfach 53 mehr in einem Gewaltexzess, der in den letzten fünf Jahren über 42.000 Menschen das Leben gekostet hat.
Der Platz, den sich die Kartelle in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und in den Sicherheitskräften mit Waffen und Geld erobert haben, ist ihnen kaum noch streitig zu machen. Es gibt einfach keinen Akteur, der das könnte.
So martialisch der Staat in Gestalt des Militärs in diesem "Krieg" auftritt, so sehr offenbart die pausenlose Alltagsgewalt seine Schwäche. Alle paar Wochen vermeldet die Polizei stolz die Verhaftung eines führenden Kartellmitglieds - doch niemand glaubt mehr, damit den Prozess der mexikanischen Selbstzerstörung aufhalten zu können.
ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Hintergrund des Anschlages war Schutzgelderpressung, und das ist ein Hinweis darauf, dass die Kartelle ihre Geschäftsfelder längst diversifiziert haben. Schutzgelderpressung und Entführung gehören fest zum Portfolio, und wo gewaschene Gelder in der legalen Wirtschaft investiert werden, ist nur ansatzweise bekannt. Das hat nichts mehr mit jenem folkloristischen Mystizismus zu tun, den etwa die Sänger der Narco-Corridas einzelnen Capos andichten.
Es zeigt aber auch, dass die Debatte über eine Drogenlegalisierung, wie sie endlich in den Konsumentenländern geführt wird, zu spät kommt. Eine Legalisierung heute würde das derzeit noch wichtigste Geschäftsfeld der Organisationen zerstören, aber die Organisationen würden auf andere Felder ausweichen, in denen sie längst aktiv sind. Je mehr Zeit man ihnen für diesen längst eingeleiteten Umstrukturierungsprozess gibt, desto leichter.
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