Pharmaspenden für Patientenorganisationen: Mehr Transparenz gefordert
Ohne Großspenden der Pharmafirmen müssten einige Patienten-Selbsthilfevereine wohl dichtmachen. Kenntlich machen könnte man die Herkunft des Geldes schon.
HAMBURG taz | Kooperationen von Pharmafirmen und Patientenorganisationen werden zunehmend kritisch beäugt. Beobachter wie der Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske warnen, Ziel spendabler Arzneimittelhersteller sei "der direkte Zugang zum Endverbraucher über die Selbsthilfe". Argwohn wird noch befördert, wenn die Beteiligten zu Inhalten und Dimensionen des Sponsorings einfach schweigen.
Das weiß auch die Kommunikationsgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (vfa). "Beim Geld", erläutert Susan E. Knoll, "fängt die Transparenz an! Deshalb wollen wir es jedem Interessierten leicht machen, sich über finanzielle Ströme zwischen Industrie und Patientenorganisationen zu informieren."
Erste Hilfe soll eine Übersicht leisten, die inzwischen auf der vfa-Homepage zu finden ist. Aufgelistet sind dort 32 Pharmaunternehmen. Klickt man den Namen einer Firma an, erscheinen auf dem Computerbildschirm Informationen über Zahlungen an Patientenorganisationen.
Der Hintergrund: Die forschenden Pharmafirmen hatten sich in einem Kodex, der seit 2009 gilt, zu mehr Transparenz verpflichtet.
Klar ist, dass die an Patientenorganisationen gezahlten Gelder einmal im Jahr, Stichtag 31. März, publik gemacht werden müssen. Aber der Kodex lässt offen, wo und wie detailliert die "Unterrichtung der Öffentlichkeit" zu erfolgen hat.
Nur Pflichtangaben
So überrascht es nicht, dass die Angaben auf den firmeneigenen Internetseiten unterschiedlich informativ ausfallen. Von Pharmariesen wie Sanofi-Aventis oder Takeda erfährt man lediglich, was sie mindestens angeben müssen.
Aber was weiß man wirklich über Grund, Inhalte und Tragweite der Zusammenarbeit der ungleichen Partner, nachdem man zum Beispiel gelesen hat, dass Sanofi im vorigen Jahr 48.750 Euro an die Deutsche Gesellschaft für Muskelerkrankte überwiesen habe? Oder dass Takeda dem Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe 30.000 Euro "nicht zweckgebunden" gespendet habe?
Dass es aussagekräftiger geht, macht der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) wohl am besten vor. Das Unternehmen gibt auch an, welche Beträge es wofür ausgegeben hat und seit wann eine Kooperation besteht. Beispiel "Das Lebenshaus": 2010 erhielt dieser Selbsthilfeverein, in dem sich Krebspatienten, Angehörige und Fachmediziner organisiert haben, von GSK insgesamt 15.947 Euro.
Beratung und Publikationen
Verwendet worden sei das Geld für die Beratung von Betroffenen und Angehörigen, die Durchführung von fünf Nierenkrebs-Foren sowie das Erstellen mehrerer Publikationen.
Zudem erklärt der Pharmakonzern GlaxoSmithKline, dass die Zusammenarbeit mit Lebenshaus seit 2010 bestehe, wobei die zugewendeten 15.947 Euro "ca. sechs Prozent des gesamten Budgets der Organisation" ausmachten.
Surft man zur Internetseite von "Lebenshaus", liest man dort, dass der Verein gemeinnützig sei - "ohne Einflussnahme Dritter". Seine Arbeit finanziere er durch Fördermitgliedschaften, Privat- und Firmenspenden sowie Sponsoring.
"Die bisher höchste Privatspende liegt bei 4.000 Euro!", verlautbart die Lebenshaus-Seite; von wem wie viele Euros fließen, steht dort allerdings nicht. Dass der gemeinnützige Verein weitere großzügige Förderer aus der Pillenbranche hat, erfährt indes, wer auf die Idee kommt, die Internetseiten einzelner Firmen wie Pfizer oder Novartis gezielt zu durchsuchen.
Datenbank bringt Transparenz
Unterstützung bei der Recherche bietet auch ein Gratis-Service, den neuerdings ein "Institut für Qualität und Transparenz von Gesundheitsinformationen" (IQTG) online bereit hält. Das IQTG, betrieben vom Arzt und Medizinjournalisten Christian Leopold sowie vom Medizininformatiker Michael Hägele, hat eine "Transparenzdatenbank" gestartet; die im Internet verstreute Angaben zum Pharmasponsoring ziemlich übersichtlich aufbereitet.
Gibt man in der Suchfunktion den Begriff "Lebenshaus" ein, wird angezeigt, dass dieser Selbsthilfeverein im vorigen Jahr über 200.000 Euro von Pharmafirmen bekommen habe, am großzügigsten sei Novartis mit 109.343 Euro gewesen.
Möchte man wissen, welches Unternehmen 2010 das meiste Geld an Patientenorganisationen hierzulande verteilt hat, wird man in der IQTG-Datenbank ebenfalls fündig. Vorn liegt Roche mit 737.055 Euro, gefolgt von Novartis (671.758 Euro) und Pfizer (485.269 Euro).
Dass sich in punkto Sponsoring-Transparenz zumindest bei den großen Pharmafirmen etwas bewegt hat, ist sicherlich zu begrüßen, und womöglich werden sich im Wettbewerb ums beste Image bald weitere Firmen an der relativen Offenheit von GlaxoSmithKline orientieren.
Nachholbedarf bei der Selbsthilfe
Der Kodex des Vereins "Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie" (FSA) verlangt indes noch mehr: Die FSA-Mitgliedsfirmen müssen auch "darauf hinwirken", dass Patientenorganisationen die finanzielle Unterstützung "von Beginn an gegenüber der Öffentlichkeit kenntlich" machen.
Angesichts dieser Vorgabe drängt sich die Frage auf: Wie mitteilsam sind eigentlich die Gesponserten selbst? Bisher gibt es weder eine einschlägige Datenbank in Eigenregie der Selbsthilfe noch eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung. Bei einer ersten Stichprobe auf den Websites diverser Patientenvereine sind jedenfalls kaum Angaben zu Sponsoren und Geldbeträgen zu finden.
Klar ist allerdings auch: Die Offenlegung von Geldflüssen allein macht inhaltlich nur bedingt schlauer. Wie richtig gute Transparenz ausgestaltet sein könnte, hatte die Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer bereits im Jahr 2008 skizziert: Notwendig sei ein öffentliches Register, in dem sämtliche Kooperationsverträge zwischen Pharmafirmen und Patientenorganisationen zentral dokumentiert sind. Am besten für jedermann und -frau anklickbar im Internet.
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