Kommentar Türkei und Israel: Erdogan auf Eskalationskurs
Der schwelende Konflikt zwischen der Türkei und Israel droht völlig aus dem Ruder zu laufen. Erdogan sieht die Chance, sein Land zur Vormacht im Nahen Osten zu machen.
W erden von Deutschland gelieferte israelische U-Boote demnächst Kriegsschiffe des Nato-Mitgliedstaats Türkei im östlichen Mittelmeer versenken? Gehen die beiden stärksten Militärmächte dieser Region bald frontal aufeinander los? Fest steht: Der schwelende Konflikt zwischen beiden Ländern droht völlig aus dem Ruder zu laufen.
Zwischen Israel und der Türkei ist ein Krieg der Worte entbrannt, seit vergangene Woche ein UN-Untersuchungsbericht die israelische Blockade Gazas für legitim erklärte. Der türkische Premier Tayyip Erdogan bezichtigt die Israelis des Staatsterrorismus - und kündigte an, zukünftig türkische Hilfskonvois für Gaza von türkischen Kriegsschiffen begleiten lassen. Israels Außenminister Avigdor Liebermann plant im Gegenzug angeblich, die kurdische Separatisten-Guerilla PKK zu bewaffnen.
Hintergrund der harschen Rhetorik ist, dass sich Erdogan seit längerem von Lieberman und dessen Regierungschef Benjamin Netanjahu gedemütigt fühlt. Zudem frustriert den türkischen Premier, dass weder die USA noch Europa Israel dazu zwingen, sich seinem einstigen Verbündeten gegenüber respektvoll zu verhalten.
ist Türkei-Korrespondent der taz.
Gleichzeitig sieht Erdogan die Chance, sich durch den Konflikt mit Israel in der arabischen Welt zu profilieren und sein Land zur Vormacht im Nahen Osten zu machen. Die Eskalation findet deshalb nicht zufällig vor einer geplanten Reise Erdogans nach Kairo statt: Jetzt kann er dort auf einen begeisterten Empfang hoffen.
Diese Politik ist hoch riskant. Erdogan lenkt die Energien des arabischen Frühlings zurück in die alte Konfrontationspolitik mit Israel - und setzt eine Spirale in Gang, die er nicht mehr stoppen kann. Auch wenn der türkische Premier keinen Krieg mit Israel will: Seine Politik bedroht den labilen Nicht-Kriegszustand im Nahen Osten.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen