Konferenz der Frauen in Berlin: Gebe ich allen die Hand?
Was tun, wenn die Chefin einen mies behandelt? Wie lange dürfen Männer reden? Im BarCamp "Frauen" werden Ehrenmorde, Burn-out und Körperbilder diskutiert.
BERLIN taz | Annette Mücke ist irritiert. Niemand will mit ihr darüber reden, wie Frauen nach der "Familienphase" in den Job zurückfinden. Dieses Thema treibt die Bankkauffrau und Dozentin für Finanzkomptenz aus Lüneburg heftig um. Deshalb hat sie es am Sonnabend auf dem "BarCamp Frauen" in Berlin ganz spontan angeboten.
Aber die rund 150 Frauen und 6 Männer in der Kalkscheune wollen lieber über neue Anforderungen in der Arbeitswelt sprechen, über Ehrenmorde, Burn-out und Körperbilder. Bei diesen Themen sind die BarCamp-Runden voll. Annette Mücke, 42, zuckt mit den Schultern: "Vielleicht sind die meisten hier einfach zu jung für mein Thema." Blick in die Runde: Die meisten Frauen sind um die 30, manche ein wenig älter, einige sind schwanger.
Was ist das eigentlich, ein BarCamp? BarCamps sind ein Phänomen des Web 2.0; die IT-Branche nutzt diese "Un-Konferenzen" seit einigen Jahren, um unkompliziert Wissen auszutauschen. Es gibt keine Podien und keine langen Referate, der Ablauf ist spontan. Die Workshops heißen hier Sessions und werden einige Tage vorher oder ad hoc geplant.
Diskussion zwischen Betroffenen und Interessierten
Klingt nach Chaos und nach ergebnislosen Debatten. Warum machen das jetzt Frauen? Nancy Haupt, 32, hat das BarCamp mitorganisiert, sie sagt: "Unser BarCamp stellt wichtige Themen wie ungleiche Bezahlung von Frauen, Debatten um den neuen Feminismus, weibliche Netzwelten, Karrierehemmnisse für Mütter in den Mittelpunkt. Das interessiert viele Frauen. Und die diskutieren dann hier mit Betroffenen und Interessierten."
Das kann unstrukturiert sein, aber auch recht professionell, so wie an diesem Wochenende. Nancy Haupt habe, sagt sie, aus dem ersten BarCamp Frauen vor einem Jahr gelernt: "Damals fand die erste Session am Sonnabend morgens um 9 statt, da kam natürlich kaum eine." Diesmal hatte sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin in der SPD-Fraktion im Bundestag KooperationspartnerInnen gesucht, u. a. die Wochenzeitung Freitag, das Missy Magazin, die Bloggemeinschaft Maedchenmannschaft, den Deutschen Gewerkschaftsbund. Sie hat ein Catering organisiert und erst am Mittag angefangen. Die Frauen reichten vorher im Internet Themenwünsche ein und stimmen am Sonnabend live im großen Saal darüber ab, worüber sie reden wollen.
Die Renner: Arbeitsmarkt und Arbeitskultur. Ein Feld für Anke Domscheit-Berg, 43, ehemalige Microsoft-Managerin und Lobbyistin für Frauen in Führungspositionen. Sie spricht über die gläserne Decke, über männliches Dominanzverhalten und weibliche Zurückhaltung. Die Frauen wollen von ihr wissen: Reiche ich bei einem Meeting allen die Hand, wenn ich in den Raum komme? Darf ich einen Mann unterbrechen, wenn der seine Redezeit nicht einhält? Was mache ich, wenn meine Chefin mich mies behandelt? Aus der Runde wird ein Coachingseminar.
Hannes Jähnert, 28, Student, bietet als einziger Mann eine Session an: Karrieregap im Ehrenamt. Laut Freiwilligensurvey engagieren sich mehr Männer als Frauen ehrenamtlich. Aber wo sind diese Männer, will eine Frau wissen, die praktische Arbeit leisten doch Frauen. Hannes Jähnert tippt auf sein Laptop, dort baut sich eine Grafik mit einer Statistik auf: "Die Männer leiten die Vereine." Die Frau verzieht ihr Gesicht. Jetzt gehe sie mal, sagt sie, zur Session "Karrieregap in der Wissenschaft".
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