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Arzneikommissionschef über Krebstherapie"Eine bestechend unanständige Idee"

Der Chef der Arzneimittelkommission, Wolf-Dieter Ludwig, über den Vorstoß der Medizinfirma Roche, Kliniken bei erfolgloser Therapie die Behandlungskosten zu erstatten.

Stellt das fragwürdige Krebs-Medikament Avastin her: Der Chef von Roche, Severin Schwan. Bild: reuters
Heike Haarhoff
Interview von Heike Haarhoff

taz: Herr Ludwig, wenn ein Krebsmedikament wirkungslos ist, gibt es künftig Geld zurück. Das jedenfalls bietet der Pharmahersteller Roche Krankenhäusern an, die Patienten mit seinem Präparat Avastin behandeln. Eine bestechende Idee, um die extremen Arzneimitteltherapiekosten im Gesundheitssystem zu senken?

Wolf-Dieter Ludwig: Die Idee ist vor allem bestechend unanständig. Roche versucht hier, per Vertrag Anreize zu geben, dass Ärzte in Krankenhäusern ein bestimmtes Medikament verordnen. Ein Medikament überdies, an dem es bei einigen Indikationen erhebliche Zweifel gibt, was den therapeutischen Nutzen angeht. Die amerikanische Zulassungsbehörde wird demnächst aller Voraussicht nach die Zulassung von Avastin zur Behandlung von Brustkrebs widerrufen. Fragwürdig erscheint die Gabe von Avastin auch bei anderen Indikationen. In dieser Situation bietet der Hersteller Verträge an, die seinem hinsichtlich Zusatznutzen umstrittenen Präparat zu neuem Aufschwung verhelfen sollen. Besonders bedenklich finde ich, dass das Krankenhaus ausgerechnet dann verdienen soll, wenn das Medikament nicht wirkt.

Welcher Schaden droht den an Krebs erkrankten Patientinnen und Patienten?

Schlimmstenfalls werden sie mit einem Medikament behandelt, das ihnen nicht hilft. Weil es ihr Leben nicht verlängert, sie aber unter erheblichen Nebenwirkungen leiden lässt, also die Lebensqualität mindert.

Der Vertrag besagt nur, dass die Therapiekosten bei Nichterfolg erstattet werden. Die Ärzte sind nicht verpflichtet, Avastin per se zu verordnen.

Ich sehe die Gefahr, dass solche Verträge dazu führen, dass Arzneimittel zu früh und zu schnell eingesetzt werden könnten - mit der Begründung, dass das Risiko ja dadurch minimiert sei, dass es im Zweifel Geld zurück gibt.

WOLF-DIETER LUDWIG

59, Chefarzt der Klinik für Hämatologie und Onkologie am Helios-Klinikum Berlin-Buch, ist Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft.

Pay-for-Performance-Verträge sind also generell pfui?

Keineswegs. Wenn klar ist, dass es um eine bessere Qualität der Versorgung geht und dies auch wissenschaftlich begleitet wird, dann können solche Verträge sinnvoll sein. Wir brauchen kontrollierte klinische Studien und Register, in denen die Nebenwirkungen erfasst werden. Das aber findet nicht statt.

Sind solche Verträge der neue aggressive Trend der Pharmaindustrie, am Markt zu bestehen?

In dieser Form ist es ein Einzelfall. Aber ich könnte mir vorstellen, dass solche Verträge künftig zunehmen. Immer dann, wenn der Hersteller erkennt, dass sein Medikament hinsichtlich des Nutzens oder der Sicherheit nicht eindeutig ist.

Warum?

Fair wäre, dass der Hersteller in einem solchen Fall den Preis senkt. Das aber fürchtet er wie der Teufel das Weihwasser. Denn jede Preissenkung hierzulande bedeutet, dass europaweit die Referenzpreise sinken. Also geben die Hersteller lieber indirekt Geld zurück.

Wie ist es überhaupt möglich, dass die Kliniken die Kosten erstattet bekommen sollen? Tatsächlich bezahlen doch die Krankenkassen die Medikamente.

Diese Konstruktion der Rückerstattung erscheint mir absurd. Einige Kassen und auch Krankenhäuser prüfen bereits, ob der von Roche angebotene Vertrag juristisch Bestand hat.

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2 Kommentare

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  • S
    schwarzrot

    haha, wie lustig. Die verkaufen Müll und wenn der Arzt einen fehlenden positiven Effekt auf meinen Krankheitsverlauf nachweisen kann bekommt die Klinik ihr Geld zurück.

     

    Stört die Pharmaindustrie doch gar nicht bei ihren 1000% Gewinnen bei solchen Medikamenten.

  • W
    Win

    Umgekehrt würde ein schöner Schuh daraus: Nur bei Heilung gibt es für den Hersteller Geld …