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Klage gegen AKW-LaufzeitverkürzungEon will Grundrecht auf Gewinn

Es geht um Schadenersatz in Milliardenhöhe. Der Konzern Eon klagt gegen die AKW-Laufzeitverkürzung. Umweltschützer fordern Eon-Kunden zur Kündigung auf.

Ein "verschönertes" Firmenschild des Energiekozerns Eon. Bild: reuters

BERLIN/FREIBURG taz | Der Energiekonzern Eon macht Ernst mit seinem juristischen Kampf gegen den Atomausstieg: Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am Dienstag den Eingang einer 276 Seiten starken Verfassungsbeschwerde.

Ohne Entschädigungen halte man das Ausstiegsgesetz für verfassungswidrig, sagte ein Unternehmenssprecher der taz. Darin bemängelt Eon, dass das Ausstiegsgesetz keine Entschädigungen vorsieht. Die Forderungen, die sich unter anderem auf getätigte Investitionen und den Wertverlust der Reststrommengen beziehen, beliefen sich auf "einen hohen einstelligen Milliardenbetrag".

Der Bundestag hatte nach der Atomkatastrophe von Fukushima Ende Juni beschlossen, dass die Betriebsgenehmigung für acht AKWs sofort endet und die neun übrigen Reaktoren gestaffelt bis 2022 abzuschalten sind. Damit wurde die im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung zurückgenommen.

Eon war Betreiber der stillgelegten Kraftwerke Isar I und Unterweser und Miteigentümer der AKWs in Krümmel und Brunsbüttel, die nach Pannen schon länger stillstanden. Trotz der Abschaltung der Atomkraftwerke hat das Unternehmen in den ersten neun Monaten 2011 einen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro gemacht.

Einleuchtende Risikobewertung

Ein Urteil wird im nächsten Jahr erwartet. Wenn Karlsruhe das Gesetz für verfassungwidrig erklärt, könnte der Bundestag überlegen, ob er den Atomausstieg zurücknimmt oder ein neues Gesetz mit Entschädigungen beschließt. Die Erfolgsaussichten sind allerdings gering. Das Gericht wird berücksichtigen, dass das Ausstiegsgesetz nicht willkürlich gefasst wurde, sondern als Reaktion auf einen schweren Atomunfall und eine einleuchtende neue Risikobewertung.

Der Eingriff für Eon war demgegenüber relativ gering, weil die AKWs schon völlig oder weitgehend amortisiert sind. Entgangener Gewinn ist verfassungsrechtlich nicht geschützt. Dass die Verkürzung der Laufzeiten durch eine Entschädigung abgefedert werden musste, liegt deshalb nicht nahe. Immerhin hatten die AKW-Betreiber ähnlichen Laufzeiten im Atomkompromiss von 2000 bereits zugestimmt.

Die Bundesregierung nahm die Klage gelassen auf. Man habe "keinen Zweifel, dass das Atomgesetz verfassungsgemäß ist", sagte eine Regierungssprecherin am Dienstag zur taz. "Den Unternehmen bleibt es selbstverständlich unbenommen, eine gerichtliche Überprüfung anzustreben."

Als Konsequenz aus der Klage rief der Umweltverband Naturfreunde Deutschlands alle Eon-Kunden auf, ihre Stromverträge zu kündigen und zu einem Ökostromanbieter zu wechseln. "Je länger Eon an der Atomkraft festhält und versucht, die Energiewende rückgängig zu machen, dasto mehr Kunden werden sie verlieren", sagte Naturfreunde-Vorstand Uwe Hiksch. Eon verkauft seinen Strom über sieben regionale Vertriebsgesellschaften und den bundesweiten Stromdiscounter "E wie einfach".

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14 Kommentare

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  • T
    teslanova

    e-on ist gewiss nicht ohne chance.

    die haben genug geld für jede instanz.

    die marionetten des kapitalismus haben

    kein interesse gegen ihre eigentlichen geldgeber zu agieren, die gesetze sind bisher alle nicht durch größte kompetenz aufgefallen...

     

    ich halte die "abstimmung am stromzähler" für die beste idee....

     

    naja, die zweitbeste.

    besser wäre natürlich der abschied aus der atomtechnik wegen unbezahlbarkeit der folgen. das müsste auch kapitalisten einleuchten... deshalb haben sie ja alle risiken ausgelagert...

  • GD
    Gerben Dirksen

    Eine "einleuchtende neue Risikobewertung" stimmt nicht. Die dt. AKW sind nicht von Tsunamis bedroht und die RSK hat belegt, dass die Sicherheitsstandards der dt. AKW über das hinausgehen, was im Gesetz gefordert ist, in den meisten Fällen sogar weit. Die Regierung hat die Eigentümer enteignet und die Stabilität der Stromversorgung gefährdet.

  • D
    das_boese

    Wieder einmal schafft die TZ einen Meilenstein der Journalismusgeschichte. Wie schon viele Vorredner festgestellt haben ist dieser Bericht vollkommener Nonsens.

    Ich aber möchte helfen und versuchen den nicht so geistig begabten den Sachverhalt erklären:

    Sie lassen sich einen massiven gemauerten Anbau an ihr Haus baurechtlich genehmigen (Erneuerungen in deutschen KKW aufgrund der Laufzeitverlängerungen) und investieren 50000€ in den Bau.

    Nachdem sie fertig sind beschließt die Stadt, dass sie den Anbau abreißen müssen, da er ethisch nicht mehr tragbar ist (Ausstiegsbeschluss). Begründung: in Südamerika ist der Wellblechanbau von Imbissbesitzer Bambuco nach einem Vulkanausbruch zusammengebrochen. Nun kann Herr Bambuco nicht mehr kochen und hat Existenzängste.

    Um ihnen dieses Schicksal zu ersparen wird ihr Anbau entfernt (Ethikkommission).

    Liebe Autoren, ich gehe davon aus dass sie die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens bejahen würden und auch die Abrisskosten zusätzlich tragen wollten.

  • R
    Rechtstaat?

    Wenn ich mir so die Leserkommentare anschaue, muss mich mich fragen, ob wir noch in einem Rechtstaat leben. Da schliesst eine Bundesregierung einen Vertrag über die Laufzeitverlängerung und kriegt im Gegenzug eine Brennelementesteuer, um die dadurch entstandenen Gewinne abzuschöpfen. Kurz nach Unterzeichnung legt dieselbe Regierung 7 Atomkraftwerke still und behält die Brennelementesteuer bei. Und beruft sich dabei auf einen Atomunfall, der aufgrund eines Tsunamis und eines Erdbeben in einem für Erdbeben bekannten Gebiet erfolgt ist. Und zusätzlich lässt dieselbe Bundesregierung zuvor alle Atommeiler begutachten mit einem gegensätzlichen Resultat, das nicht dem politischen Willen entsprach. Wieso also die Aussichten e-on schlecht sein soll, und wieseo e-on nicht klagen soll, ist mir unverständlich...

  • D
    dio

    Was sind das schon wieder für faschistoide Erklärungsversuche?!

     

    "Das Gericht wird berücksichtigen, dass das Ausstiegsgesetz nicht willkürlich gefasst wurde"

     

    Natürlich würde es willkürlich erfasst. Die Wegnahme von Laufzeiten ist willkürlich und die Abschaltzeiten sind willkürlich gewählt.

     

    "sondern als Reaktion auf einen schweren Atomunfall und eine einleuchtende neue Risikobewertung"

     

    Die Risikobewertung ist erfolgt und hat eben KEINERLEI Defizite oder Übertragbarkeit für Deutschland ergeben. Ich möchste nur an die Ergebnisse des Stresstests hinweisen.

     

    "Der Eingriff für Eon war demgegenüber relativ gering, weil die AKWs schon völlig oder weitgehend amortisiert sind"

     

    Aber hiermit wird wirklich der Vogel abgeschossen. Sobald also IRGENDWAS abbezahlt ist gehört es mir also nicht mehr und es kann mir willkürlich abgenommen werden und noch Zusatzkosten durch die Enteignung verursachen? Das ist Faschismus und Willkürdiktatur in seiner Reinstform.

     

    Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist sowiso nur ein Zwischenschritt vor dem EuGH. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern der Welt gibt es in Deutschland nämlich kein "Recht auf Recht", es gibt keine Möglichkeit Rechtstaatlichkeit einzufordern.

  • G
    Gunter

    taz : "Eon will Grundrecht auf Gewinn"

     

    Was für eine bemerkenswerte Rechtsauffassung bei den taz Redakteuren offenbar vorherrscht, wenn ein Unternehmen seine Rechte verletzt sieht und diese juristische klären lassen will.

     

    Das dieses Recht, was übrigens jedem(!) in Deutschland verfassungsmäßig zusteht, in Frage gestellt wird spricht nicht gerade für ein demokratisches Rechtsverständnis!

     

    Was ich auch sehr auffällig finde ist die Aussage " Die Erfolgsaussichten sind allerdings gering. ...". Wie kommen Sie (taz Redaktion) darauf ? Haben Sie etwa schon ein Rechtsgutachen erstellen lassen oder können Sie zumindest einen anerkannten Experten zitieren, der Ihre Aussage stützt ? Sonst ist diese Ihre Aussage leider nur ihre persönliche Meinung, aber das Merkmal "Kommentar" habe ich in dem Artikel nicht gesehen.

     

    Das ist wirklich schauderlich ...

  • P
    PeterWolf

    Eon lebt mental wohl noch in den Zeiten der "Preisfindungsgesetzes".

    Aber auch damals war "abgeschrieben" tatasächlich abgeschrieben, d.h. diese nicht mehr vorhandenen Kosten konnten auch nicht mehr zur Grundlage der "Gewinnberechnung" bei den Gebühren zugrundegelegt werden.

     

    Was sich bis heute nicht verändert hat, ist die fehlende Verpflichtung für AKW-Betreiber, für eine tatsächlich volle Deckung für Haftpflichtschäden bei AKW-Unfällen zu sorgen.

    Und natürlich Gesetze, die Schadensersatzansprüche realistisch macht, eben nicht wie beim Bergrecht, das die Beweislast umkehrt.

     

    Könnte die TAZ nicht etwas mehr über diese Problematik in Japan berichten?

  • B
    Bachsau

    Schön, dass ein Unternehmen mal eine Linie fährt, anstatt das zu tun, was alle anderen derzeit Tun:

     

    Dreckige Kohlekraftwerke bauen, wärend der Verbraucher durch schmutzkampagnen gegen Atomenergie abgelenkt ist.

  • J
    Jan

    Ja, und naturstrom musste letztens seine Preise (die eh schon knapp kalkuliert sind) anpassen, da E.ON höhere Netzentgelte haben wollen; bestimmt reicht den Aktionären ihr Gewinn nicht... Ich wäre generell für eine Zwangsenteignung der Infrastruktur durch die Bevölkerung und für einen staatlichen Betrieb dieser kritischen Systeme...

  • A
    Axel

    Wenn ich mir diese Dreistigkeit von e.on so durch den Kopf gehen lasse, könnte ich auf die Idee kommen, den ach so armen Konzern zu entschädigen. Allerdings würde ich im Gegenzug den Konzern die Entsorgungskosten für den Atommüll auch allein zahlen lassen, denn von den Gewinnen, die der Konzern mit dem ach ja so sicheren Atomstrom macht, kommt ja beim Bürger auch nichts an

     

    LG

  • V
    vic

    Ein Grundrecht ist die Versorgung mit Elektrizität. Und das darf der Staat nicht profitorientierten Privatkonzernen überlassen.

    Und schon die Forderung eines Atomkonzerns nach Schadenersatz sollte zu Strafzahlungen führen. Sie schulden der Geselllschaft sehr viel Geld- nicht umgekehrt.

  • V
    vic

    Kündigen? Haben die etwa noch Kunden?

    Dann aber hurtig weg da, liebe MitbürgerInnen.

  • H
    Hasso

    Ausbeuter, wie Eon, gehören in die Fresse gehauen.Ein Recht auf Gewinne sollten nur anständige Menschen haben. Mensch, was wünsch ich mir mal eine Regierung ohne "gekaufte Politiker", die diesen widerlichen Kreaturen, einmal Paroli bieten und denen mal erklärt,dass die Wirtschaft für das Gemeinwohl da ist, und das denen endlich mal klar gemacht wird, dass das Volk nicht deren Ware ist.Bei einem GAU sind das die ersten die abhauen und die Kosten der Allgemeinheit überlassen.

  • T
    TheOrbitter

    Boah, wenn ich die Merkel wäre, dann würde mir spätestens bei dieser Arschloch-Klage die Hutschnur platzen. Ich würde die ganzen Pupnasen von den großen Stromkonzernen zu mir ins Kanzleramt bestellen und denen mal ordentlich die Meinung geigen. Dann müßten die den Atomausstieg entweder schlucken, oder - so wie Hugo Chávez es in Venezuela vorgemacht hat - der gesamte Energiesektor wir verstaatlicht bis den Energieriesen der Arsch blutet!

    Diese asozialen Kapitalistendrecksäcke gehören solange verknackt, bis daß ihnen das Licht der sozialen Gerechtigkeit auch endlich aufgeht.