Neonazi-Morde und der BND: Patzer, Pannen, Peinlichkeiten
Auch der Auslandsgeheimdienst BND war in die Suche nach dem untergetauchten Terrortrio einbezogen. Dabei waren die drei nicht in Südafrika, sondern in Sachsen.
BERLIN taz | Nicht nur Polizei und Verfassungsschutz, sondern auch der Bundesnachrichtendienst (BND) war in die Suche nach den 1998 in Thüringen untergetauchten späteren Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe einbezogen.
Das geht aus einem Protokoll der viereinhalbstündigen vertraulichen Sondersitzung des Innenausschusses von Anfang der Woche hervor, das der taz vorliegt. Was genau der Auslandsgeheimdienst damals unternahm, wurde dort aber nicht erwähnt.
Man habe damals fast 100 Hinweise bekommen, wonach die drei nach Ungarn verschwunden seien, sagte laut Protokoll der Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke. Später hätten sich Hinweise auf einen Aufenthalt in Südafrika gemehrt. Aus heutiger Sicht, so Ziercke, müsse man annehmen, dass die anonymen Hinweise "möglicherweise bewusst fehlgesteuerte Informationen waren, die den Eindruck erwecken sollten, als seien diese Leute nicht mehr im Lande".
Wie man inzwischen weiß, konnte das Trio sich einfach im Nachbarland Sachsen im Untergrund einrichten. Dort sollen Zielfahnder übereinstimmenden Medienberichten zufolge zwar immer wieder nah am Trio dran gewesen sein - sogar Observationsfotos hat es gegeben -, doch zu einer Festnahme kam es nie.
Nun behauptet ein Schreiber in einem der zentralen Neonaziforen, die heute in U-Haft sitzende Beate Zschäpe habe bis 2002 in Dresden gelebt, dort sogar an einer Demo teilgenommen, und sei dann 2003 nach Chemnitz gezogen. Uwe Böhnhardt soll laut dem Foreneintrag bis 2005 als Paketfahrer gearbeitet haben, er und Mundlos seien außerdem bei Festen und NPD-Veranstaltungen gesehen worden.
Normalerweise würde man das als Szene-Geschwätz abtun. Doch der Verfassungsschutz und das BKA nehmen diesen Eintrag offenbar ernst. Das seien "konkrete Aussagen", sagte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm laut Innenausschuss-Protokoll, "die für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt worden sind".
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Lage in der Ukraine
Der Zermürbungskrieg