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Castor-Proteste im WendlandDarum blockieren sie wieder

Das Wendland bereitet sich auf den Castorzug vor. Trotz des einhelligen Beschlusses zum Atomausstieg. Warum strömen sie noch immer von überall herbei?

Sie kommen aus ganz Deutschland: Protest in Hitzacker gegen den Castor-Transport. Bild: dapd

WENDLAND taz | Ein Sanitäter prustet vor Lachen. Jens Magerl, der Redner der Anti-Castor-Gruppe "Widersetzen" schaut, als hätte ihn jemand gefragt, ob die Erde eine Scheibe ist. Aus ganz Deutschland strömten am Donnerstag die DemonstrantInnen ins Wendland und wenn man sie fragt: Warum setzt ihr euch auf Gleise, lasst euch von Pfefferspray und Wasserwerfern beschießen und riskiert Strafanzeigen, wo Deutschland doch ohnehin aus der Kernenergie aussteigt, ist die Antwort fast immer: "Das mit dem Ausstieg glaubt ihr ja wohl selbst nicht."

"Ich glaube der Regierung nichts", sagt Jens Magerl. Es ist die erste große Kundgebung dieses Castor-Wochenendes im Wendland. Es ist das große Aufwärmen. Die Protestcamps sind noch nicht voll, der Castor-Transporter, der deutschen Atommüll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague nach Gorleben in Niedersachsen bringen soll, steht noch irgendwo in Frankreich.

Im niedersächsischen Dörfchen Metzingen leuchtet am Donnerstagabend vor vielen Häusern je ein großes, hölzernes "X" im Garten, wie anderswo Weihnachtsbäume. "X", das ist das Zeichen des Castor-Widerstandes. Magerl hat eben von einer mobilen Bühne aus eine Kampfansage an Bundesumweltminister Norbert Röttgen nach Berlin geschickt. "Das ist kein Ausstieg, das ist ein Blendungsversuch", sagt der 47-jährige.

Symbiose der Symbole: Das "X" und der Tannenbaum. Bild: dapd

Vor der Bühne suchen Fotografen und Kamerateams ein gutes Bild. Eine Aktivistin mit weißer Maske bietet sich als Schnittbild an: Sie trägt einen knallgelben Anzug, weiße Maske und auf dem Rücken einen Rucksack mit zwei Kinderpuppen. Eine hat ein schrecklich verbranntes Gesicht, die andere trägt Gasmaske. "Nuclear waste, made possible by Urenco", lautet ihre stille Anklage.

"Deutschland mischt noch immer mit im Atomgeschäft"

Urenco, eine britische Firma, gilt als weltweit führender Hersteller von Nuklearbrennstoffen, betreibt eine Fabrik im deutschen Gronau und hat auch den japanischen Konzern Tepco beliefert. Tepco ist der Betreiber der Katastrophen-Reaktoren von Fukushima. "Deutschland", sagt ein Sanitäter, "mischt doch noch immer mit im Atomgeschäft".

Das ist der große Konsens hier. Nur bei der Farbe auf Röttgens Karte ist man sich nicht einig. Magerl sagt, man sei der rote Fleck. Greenpeace-Aktivist Mathias Edler sagt, man sei ein schwarzer Fleck. Beide beziehen sich auf das Versprechen des Bundesumweltministers, bei der Endlagersuche mit einer "weißen Karte" zu beginnen, also noch Mal ganz von vorn. Also nicht unbedingt mit Gorleben, dessen Eignung mehr als umstritten ist.

Edler und Magerl sagen: Alles Lüge, mit der weißen Karte. Sie glauben nicht an die neue Endlagersuche. "Im gleichen Moment, in dem Röttgen von einer offenen Endlagersuche spricht, arbeiten die Bagger in Gorleben unter Tage im Dreischichtbetrieb", ruft Edler in die Menge. "Das nennen wir Lüge."

Die Sorge, dass hochradioaktiver Atommüll direkt vor ihrer Haustüre in einem undichten Endlager verbuddelt wird, treibt die Wendländer seit den Siebziger Jahren um. Deshalb demonstriert auf dem Laternenumzug im benachbarten Hitzacker Kai, samt Sohn und Enkel. Er hat sich in eine Anti-Atomkraft-Flagge gewickelt und trägt ein Schild mit einem durchgestrichenen Ortsschild von Gorleben.

"Wenn der Salzstock undicht wird ..."

"Es ärgert mich, dass die immer nur Fakten schaffen. Ich will meine Zukunft sichern", sagt der 48jährige Großvater. Der Laternenumzug ist seine zweite Demo in dieser Woche. "Wenn der Salzstock undicht wird, fließt das alles die Elbe hinunter und direkt auf mich zu", sagt er. "Durch Öffentlichkeit kann man etwas bewegen", davon ist er überzeugt.

Das ist die Strategie des Protests: Niemand glaubt, den Transport wirklich verhindern zu können. Aber der Widerstand – und damit auch die Sorgen der Protestler – schaffen es wieder in die Nachrichten. Am Donnerstagabend gibt es die ersten Bilder: AktivistInnen feiern ein Fest mit Musik und Volksküche, die traditionelle "Landmaschinenschau", bei der Bauern ihre Geräte vorführen.

Die falschen Bilder: So wollen die meisten Castor-Gegner nicht in der Öffenlichkeit erscheinen. Bild: dapd

Hunderte Menschen blockieren eine Bundesstraße, es ist die B 216. Und sie müssen erfahren, das sie es nicht alleine in der Hand haben, welcher Bilder in die Nachrichten kommen. Die Beamten gehen rigoros vor, setzen binnen kürzester Zeit Wasserwerfer, Schlagstöcke und Pfefferspray ein, um die Straße zu räumen. Es entstehen Bilder, die so noch öfters am Wochenende entstehen könnten.

Das ist der andere Teil einer Realität, die zu der Landkarte gehört, auf der ein Endlager für Deutschlands Atommüll gesucht wird. Und vielleicht ist es nur ein Vorgeschmack auf ein Wochenende voller Streit um die Zukunft des Atommülls. Noch steht der Castorzug in Frankreich auf den Gleisen. Am Freitag, vielleicht schon in aller Frühe, soll es von dort weitergehen Richtung Wendland.

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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • P
    Protestschnecke

    Sie protestieren weil sie keine Ahnung von Energietechnik und Wirtschaft haben.

    Sie protestieren weil sie in den Medien mehr Aufmerksamkeit bekommen als alle anderen Protestierer.

    Sie protestieren weil sie bequem mit dem Auto anreisen können.

    Sie protestieren weil sie sich einbilden den Ausstieg aus der Kernenergie durch ihren Protest geschafft zu haben und sind wahrscheinlich auch noch dankbar für das Erdbeben das Fukushima getroffen hat und so Wasser auf ihre Mühlen gespült hat.

    Sie protestieren weil sie keine wirklichen Probleme haben, weil es ein Demonstrationsrecht gibt, weil sie nicht hungern müssen und wir keinen Krieg haben.

  • W
    weinkauf

    @ amber

     

    Es lief bei Arte eine Dokumentation mit dem Titel "Albtraum Atommüll".

    Dort wird berichtet, dass in La Hague täglich 400m³ radioaktives Abwasser in den Ärmelkanal geleitet werden.

    Außerdem wird berichtet, bei welchem Wind der radioaktive Staub, der beim Öffnen und zersägen der Behälter anfällt, in die unterschiedlichen Region in Europa getragen wird.

     

    Unter anderem auch die TAZ einen Bericht darüber gebracht:

    http://www.taz.de/!42111/

  • FK
    Frau Kirschgrün

    _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

     

    Diese Regierung lügt, dass sich die Balken biegen. Der Atomausstieg ist definitiv NOCH LANGE NICHT geschafft. Wir müssen weiter dagegen halten. Gorleben soll leben.

    Und vor allem weiterhin den Anbieterwechsel zu echtem Ökostrom (Greenpeace Energy, EWS Schönau, Naturstrom und Lichtblick) voran treiben.

    Wenn alle Stromkunden echten Ökostrom buchen, und dann nicht genug da ist, erzählen sie uns dann, dass die Sonne ausgegangen ist?

    Das gesamte Vorgehen der Machthabenden dient seit Beginn der Nutzung der Atomenergie AUSSCHLIESSLICH WENIGEN Abzockern und ist in meinen Augen absolut faschistoid.

    Die menschenverachtende Arroganz der jeweiligen "Regierung" (die sollen Schaden vom Volk anwenden! Sie fügen ihn uns erst zu!) dürfen wir nicht länger hinnehmen.

    Und dass die Grünen den Atomausstieg 2011 im Bundestag in dieser Form mitgetragen haben, sagt alles über diese Partei.

    Bürgerprojekte gründen in Erneuerbarer Energie (Stichwort Photovoltaik-Genossenschaft), Hermann Scheer lesen und weiter empfehlen, Strom sparen, nichts Unnötiges mehr kaufen.

    Ein reiches Leben mit einfachen Mitteln führen (Arne Naess).

    @ Kai: Ich stimme voll zu.

     

    @ Carsten: Das ist doch mal schön, wenn durch den Kommentar selbst ganz klar wird, wes Geistes Kind dahinter steckt. Allerdings ist dem Kommentator wohl nicht ganz klar, dass so die Zugehörigkeit zur bildungsfernen und befehlsempfangenden Schicht belegt wird.

     

    Viel Kraft für Erkenntnis wünscht uns allen

    Frau Kirschgrün

    _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

  • A
    axel

    Gerade auch weil uns der "grüne" Kretschmann weiß machen will (wie schon Trittin vor Jahren), daß sich die Proteste nicht lohnen und überlebt haben sollen und wir von CDU/CSU/FDP/SPD/Grünen unisono im angeblichen Atomausstiegserfolgsszenario eingelullt werden sollen (und über den weiterhin angehäuften Atommüll wird der Mantel des schweigens gehüllt), lohnt sich der Protest.

    Der Anti-Atomprotest lebt - gerade und trotz der parteipolitische Vereinnamungs- und Umarmungsversuche durch die Atomparteien.

  • A
    amber

    @Kai

     

    In 100.000 werden die radioaktiven Stoffe schon längst zerfallen sein und Sie selbst sowie Ihre sämtlichen Nachfolger von Würmern gefressen.

     

    Haben Sie denn sonst nichts zu tun, als solche Dummheiten zu verbreiten, wie "überall in Europa messbar ist" oder "Müll wird dadurch in den Atlantik gepumpt"? Was soll der Quatsch?

  • M
    Maxito

    Ich habe mal eine passende Karikatur gesehen

     

    Zwei Plakatwände nebeneinander.

     

    Auf der ersten stand: "Hier entsteht:"

    (der 1. Schreiber war noch nicht fertig)

     

    Auf der zweiten stand: "Wir protestieren gegen:"

    (der 2. Schreiber wartete auf den ersten...)

     

    P.S.

    Carstens Kommentar trifft den Nagel auf den Kopf.

  • A
    Archillas

    Ihr regt euch alle so auf!!!

     

    Noch in diesen jahrhundert wird man den Atommüll als energiequelle nutzen und dadurch verschwinden.

     

    Kernkraft ist letztendlich eine grüne energie!!

     

    was bringen uns PV anlagen, die mit Kohle und Kernkraft produziert werden, und nicht die energie erzeugen die sie zur herstellung verschlungen haben.

    Und dann zusätzlich das netz belasten und kohle und Gaskraftwerke auf standby gehalten werden müssen.

     

    man muss immer das ganze sehen.

     

    oder wachsen PV anlagen auf bäumen???

     

    Es ist richtig ee zu fördern, aber auf ne vernüftige weise, und nicht wie in D um wählerstimmen zu gewinnen.

    und selbst gegen ee wird in D jetzt mobil gemacht.

     

    ich hoffe das mal die lichter ausgehen in D, und dann alle nach ner sicheren stromversorgung schreien.

     

    am günstiger sicherer energie hängt auch unsere industrie und damit unser wohlstand.

     

    Denkt mal nach.

  • FK
    Frau Kirschgrün

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    Diese Regierung lügt, dass sich die Balken biegen. Der Atomausstieg ist definitiv NOCH LANGE NICHT geschafft. Wir müssen weiter dagegen halten. Gorleben soll leben.

    Und vor allem weiterhin den Anbieterwechsel zu echtem Ökostrom (Greenpeace Energy, EWS Schönau, Naturstrom und Lichtblick) voran treiben.

    Wenn alle Stromkunden echten Ökostrom buchen, und dann nicht genug da ist, erzählen sie uns dann, dass die Sonne ausgegangen ist?

    Das gesamte Vorgehen der Machthabenden dient seit Beginn der Nutzung der Atomenergie AUSSCHLIESSLICH WENIGEN Abzockern und ist in meinen Augen absolut faschistoid.

    Die menschenverachtende Arroganz der jeweiligen "Regierung" (die sollen Schaden vom Volk anwenden! Sie fügen ihn uns erst zu!) dürfen wir nicht länger hinnehmen.

    Und dass die Grünen den Atomausstieg 2011 im Bundestag in dieser Form mitgetragen haben, sagt alles über diese Partei.

    Bürgerprojekte gründen in Erneuerbarer Energie (Stichwort Photovoltaik-Genossenschaft), Hermann Scheer lesen und weiter empfehlen, Strom sparen, nichts Unnötiges mehr kaufen.

    Ein reiches Leben mit einfachen Mitteln führen (Arne Naess).

    @ Kai: Ich stimme voll zu.

     

    @ Carsten: Das ist doch mal schön, wenn durch den Kommentar selbst ganz klar wird, wes Geistes Kind dahinter steckt. Allerdings ist dem Kommentator wohl nicht ganz klar, dass so die Zugehörigkeit zur bildungsfernen und befehlsempfangenden Schicht belegt wird.

     

    Viel Kraft für Erkenntnis wünscht uns allen

    Frau Kirschgrün

     

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  • K
    Kai

    Der Atomausstieg war schnell, unbefriedigend und ist widerrufbar. Wohin mit dem Müll für die nächsten 100.000 Jahre? Wie ihn kennzeichnen? Warum muss der Müll durch Europa gekarrt werden und in La Hague zerschnitten werden, so daß es, je nach Windrichtung, überall in Europa messbar ist? Wieviel Liter radioaktiver Müll wird dadurch in den Atlantik gepumpt?

    Atomkraft ist menschenverachtend, dient kurzfristigen Profitinteressen und unterstützt autoritäre Strukturen. Der Menschheit bringt sie nichts als negatives. Die Erde wird klarkommen damit. Was sind schon eine Million Jahre?

    Alle die sich daran stören nicht so viel Zeit zu haben, sind bei den Castorprotesten gut aufgehoben.

     

     

    P.S. Vokü steht für Volxküche um jede völkische Bezüge zu vermeinden. Eine "Volksküche" wird es im Wendland vermutlich nicht geben, sondern Voküs und Volxküchen.

  • C
    Carsten

    Warum? Weil sie nichts zu tun haben und gerne ein Abenteuer erleben wollen, von dem sie später erzählen können, wie Oppa von seinen Kriegserlebnissen.

  • LW
    lars willen

    "Ich glaube der Regierung nichts", sagt Jens Magerl.-frage beantwortet

  • V
    vic

    Sie demonstrieren weil:

     

    Der Atomausstieg der Übernachtentscheiderin Merkel war eine taktische Lüge.

    Die angeblich weiße Karte des Atomministers Röttgen ist alles nur nicht weiß.

    Für diese Regierung ist Gorleben fix.

    Das zunehmende Behindern regenerativer Energie-Projekte spricht für sich.

    Darum demonstrieren sie noch.

    Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich daran kurz bis mittelfristig etwas ändert.

  • R
    Rambi

    Diese Blockierer, das müssen diese Nazis sein, von denen nun alle reden. Sie wollen den Fortschritt behindern. Staatsfeinde also. Da steckt bestimmt die NPD dahinter. Jetzt haben wir den Verbotsgrund: Unruhen bei den Castor-Tarnsporten. Was sagen wohl die V-Männer? Egal, die NPD ist schuld, verbieten.