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SPD-Ministerin über Betreuungsgeld"Ein Rückfall in die fünfziger Jahre"

Baden-Württemberg will das geplante Betreuungsgeld verhindern. Es macht die Arbeit von Integrationsbeauftragten zunichte, sagt SPD-Sozialministerin Katrin Altpeter.

Streit um die Kinderbetreuung: Baden-Württemberg will die Mittel für das Betreuungsgeld lieber für Kita-Plätze verwenden. Bild: ap
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau Altpeter, Baden-Württemberg hat am Freitag einen Initiativantrag gegen die Einführung des Betreuungsgeldes in den Bundesrat eingebracht. Inzwischen wenden sich auch zahlreiche Verbände gegen die "Herdprämie". Ist das Betreuungsgeld zum Scheitern verurteilt?

Katrin Altpeter: Ich hoffe, dass das Betreuungsgeld scheitert. Es ist kompletter Irrsinn, und das sowohl aus pädagogischer als auch aus familien- und frauenpolitischer Sicht.

Was ist so falsch am Betreuungsgeld?

Es gibt Kinder, die werden zum Beispiel in ihrer Sprachförderung behindert, wenn sie zu Hause betreut werden statt in einer Kita.

Aber nicht alle Eltern, die ihr Kind gern länger zu Hause betreuen, haben Sprachprobleme, die sie auf ihre Kinder übertragen.

Aber die muss man ja dafür nicht belohnen. Genauso wenig muss man Eltern das Au-pair-Mädchen bezahlen, wenn sie Teilzeit arbeiten und das Kind trotzdem nicht in eine Kita bringen, so wie das der Plan von Familienministerin Kristina Schröder vorsieht. Ich bekomme ja auch kein Geld, wenn ich nicht ins öffentliche Hallenbad gehe oder in die staatlich bezuschusste Oper.

dpa
Im Interview: Katrin Altpeter

48, ist SPD-Sozialministerin in Baden-Württemberg. Die gelernte Altenpflegerin hat seit 2007 einen Lehrauftrag an der Katholischen Fachhochschule Freiburg.

Für manche Eltern sind die 100 Euro, die ab 2013 gezahlt werden sollen, und die 150 Euro ab 2014 nötig in der Haushaltskasse. Mancherorts ist ein Kita-Platz viel teurer.

Deswegen müssen die Anstrengungen ja auch von anderer Seite kommen: Oberste Priorität muss sein, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige ab 2013 durchzusetzen - und zwar für alle Kinder und nicht nur für ein Drittel von ihnen, so wie das jetzt geplant ist.

Betreuungsgeld

Bis auf die CSU will das für 2013 geplante Betreuungsgeld niemand. Obwohl die "Herdprämie" auf dem Koalitionsgipfel Anfang November beschlossen wurde, ist sie selbst in der CDU stark umstritten. Die Frauenunion lehnt sie strikt ab. Um diese ruhigzustellen, hatte die CDU auf ihrem Parteitag Mitte November in Leipzig einen Kompromiss gebilligt: Erziehungszeiten sollten in der Rente besser anerkannt werden.

Diesen Beschluss attackieren jetzt CDU-Abgeordnete um den gesundheitspolitischen Sprecher der Union im Bundestag, Jens Spahn, berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Spahn spreche von einer Finanzierungslücke "von bis zu 10 Milliarden Euro".

Aus koalitionsinternen Kreisen ist indes bekannt, dass das Betreuungsgeld kommen wird - als Zugeständnis an die CSU: Die Bayernpartei und ihr Chef Horst Seehofer stehen derzeit stark unter Druck. Die Partei verliert an Stimmen, jetzt kandidiert auch noch Münchens SPD-Oberbürgermeister Christian Ude für das Amt des bayrischen Ministerpräsidenten. (sis)

Baden-Württemberg ist allerdings nicht dafür bekannt, dass es dort ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen gibt.

Das ist richtig. Deswegen hat die grün-rote Landesregierung vor Kurzem den "Pakt mit den Kommunen für Familien mit Kindern" beschlossen: Für den Ausbau von Kita-Plätzen stellt das Land nächstes Jahr zusätzlich 315 Millionen Euro bereit. Außerdem wird die Schulsozialarbeit erstmals finanziert, mit 15 Millionen Euro jährlich. Und für die Sprachförderung der Drei- bis Sechsjährigen werden allein im kommenden Jahr 11 Millionen Euro ausgegeben.

Dann gehen Eltern, die ihre Kinder partout nicht in eine Kita geben wollen, leer aus. Ist das nicht ungerecht?

Nein. Eltern können es halten, wie sie das wollen. Sie können Elternzeit nehmen und Vätermonate oder das sein lassen. Ich will da gar nichts vorschreiben. Aber es ist nicht einzusehen, dass sie finanziell belohnt werden sollen, wenn sie ihre Kinder von Förderung fernhalten. Da schicken unsere Kommunen zum Beispiel Integrationsbeauftragte zu Migrantenfamilien, um sie davon zu überzeugen, ihre Kinder in die Kita zu bringen. Und jetzt kommt die Bundesfamilienministerin und bietet ihnen Geld dafür, genau das nicht zu tun. Ein Irrsinn! Die Summen, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, sollten bundesweit so rasch wie möglich in den Ausbau der Kita-Infrastruktur gesteckt werden.

Ist das Betreuungsgeld ein finanzielles oder ein kulturkämpferisches Problem?

Als Kulturkampf würde ich das nicht bezeichnen. Aber es ist absolut nicht zeitgemäß, ein Rückfall in das Frauenbild der fünfziger Jahre. Wir haben heute die bestausgebildete Frauengeneration, die es je gab. Wir haben ein Demografieproblem und einen Fachkräftemangel. Wenn gut ausgebildete Frauen durch das Betreuungsgeld längere Zeit vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden, verschlechtert das die Situation. Wir dürfen auf die guten Potenziale von Frauen heute nicht mehr verzichten.

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12 Kommentare

 / 
  • B
    Beschiss

    Das Geld geht für die Banken drauf-, da bleibt für das "Urnen-Vieh" wenig übrig!

  • E
    emil

    es gibt nicht genug betreuungsplätze und dieses von diesem fehlen möchte sich die regierung freikaufen, indem sie jene belohnt, die gar keine plätze beanspruchen.

     

    diese vorgehensweise ergibt lediglich auf dem rechenblock sinn. in sonstiger hinsicht widerspricht diese geschichte dem stand der darin involvierten wissenschaften.

     

    diese finanzierungsmöglichkeit ließe sich auch ausweiten auf den öffentlichen raum. ich besitze keinen bibliotheksausweis ergo erwarte ich eine buchmeidungsprämie. dann muss nicht mehr soviel darein investiert werden, dafür ein bisschen ins dumme volk.

     

    hier zeigt sich auch nur einmal mehr, wie selektiv unser bildungssystem ist und von einer diffusen begabung ausgeht, die allerdings von den eltern kommt und viele ohne entsprechende angebote aussen vor lässt. wenn die öffentliche hand ihre bestehenden angebote nun auch noch selbst untergräbt wird sich nachher wieder über abgestürzte jugendliche, die einfach nicht in der gesellschaft ankommen, beschwert.

  • WM
    Weg mit dem Ideologiedreck

    Wenn jemand im ländliche geprägtem NRW ein 1jähriges und ein 3jähriges Kind hat und Zuhause ist, dann soll man das 3jähige 10 Km in die Kita karren weil sonst Türken ihre Kinder nicht in die Kita bringen. Das ist die Kurzfassung der dummen Phrasen dieser Ideologin. Wer alternativ dazu leben will wird bestraft. Tut man es nicht, wird man finanziell bestraft. Das ist die ganz reale dogmatisch-ideologische Politik solche Leute. Es ist Druck wie in der DDR um Menschen einen Lebensentwurf aufzuzwingen. Leute wie Katrin Altpeter sind nicht besser als die SED-Ideologen, nur haben sie weniger Macht. Die Macht die sie haben nutzen sie gnadenlos aus. Das ganze auch noch mit Integration zu begründen schlägt dem Faß den Boden aus. Türken sind also blöd und nicht in der Lage ihren Kindern deutsch beizubringen, sie zu fördern oder gar zu erziehen. Sind alle doof und können kein deutsch. So wie Cem Özdemir? Da kann man gleich NPD-Infomaterial versenden. Es ist die heilige Genderlehre in Verbindung mit Dummheit. Da bekommt man einen Hass wie sonst wohl nur in Diktaturen. Freiheit und Linkssein passen heute einfach nicht mehr zusammen. Lieber in die 50er, als in die DDR. Sollte man den altlinken Sozialismus-Mainstream brechen und das ist nur eine Frage der Zeit, dann befürworte ich ab jetzt jede noch so radikale Masnahme gegen solche Leute. Man soll sie dann verfolgen wo es das gesetz nur irgendwie erlaubt und ihnen nicht den geringsten Kompromis anbieten. Friß oder stirb. Jeder Gesetzverstoß wird mit Knast bestraft. Es gibt einfach nur die Möglichkeit des Totalitären gegen das Totalitäre. Jetzt muß man sich eben organiseren und parallel zu deren Bessergesellschaft leben. "Rechtsalternativ" gegen linksalternativ. Frei gegen totalitär. Inklusive eigener Schulen, eigener sozialer Organisationen und eigener Möglicheiten den Zivilen Ungehorsam in noch so drastischer Form gegen sie einzusetzen. Wir haben Kinder. Wir arbeiten hart. Wir leisten. Wir sind die Zukunft. Wenn man ihnen nach Möglichkeit Steuern vorenthält, Nachbarschaftshilfe nennt sich das dann, und mit massiver Gewalt auf stattliche Eingriffe reagiert so wie es linksautonome Gruppen seit 30 Jahren machen, dann kommt man weiter. Anders nicht. Ich war mal für leben und leben lassen. Jetzt reichts.

  • A
    Anita

    150 Euro sind viel billiger als ausreichend Krippenplaetze zu organisieren.

    Also wird die Herdpraemie kommen.

    Schliesslich braucht B.-W. Geld fuer Grubes Grube.

  • I
    Irene

    Ich habe grundsätzlich ein Problem damit, dass Migranten unterstellt wird, sie hätten kein Interesse an Bildung für ihre Kinder. Das sehe ich in meiner Nachbarschaft anders und das finde ich eine rassistische Unterstellung.

    "Es gibt Kinder, die werden zum Beispiel in ihrer Sprachförderung behindert, wenn sie zu Hause betreut werden statt in einer Kita." Oops, bisher hieß es dooh, Kinder sollten zurerst die "Muttersprache" lernen, für Deutsch als Zweitsprache wäre es im Kindergarten noch früh genug.

     

    Und dass Frauenarbeit so gering geschätzt wird, dass man allen ernstes glaubt, Frauen bleiben wegen 100 Euro zuhause wenn die Alternative ein einträglicher und befriedigender Job ist finde ich ebenso unmöglich.

  • W
    wejo01

    so sind die sozis!

    sie wissen als einzige was für den bürger gut ist und was nicht. und wenn der bürger nicht folgt wird er durch ungerechte behandlung gezwungen das zu tun was sozi für richtig befindet. das ist kommunismus pur was das sozi pack dem bürger vorschreiben will. noch liebe sozis gilt auch wenn es euch weh tut das grundgesetz und der bürger hat das recht selbst zu entscheiden wie er es mit seiner familie hält. warum sollen familien die die erziehung und förderung der kinder selbst in die hand nehmen nicht wenigstens eine kleine anerkennung bekommen.

    das argument das es vieleicht nicht den kindern zugute kommt ist verräterisch den das ziel der sozis scheint zu sein alle kinder unmittelbar nach der geburt zwangsweise in krippen zu überführen und die so wichtige arbeitskraft der mütter unmittelbar dem arbeitsmarkt wieder zuzuführen.

    liebe spd ich hätte da einen vorschlag: zeugung und aufzucht der föten in vitro innerhalb aufzuchtanstalten dann können sie auch noch die geburtenrate bestimmen und es würde kein arbeitstag wegen krankheit und geburt verloren gehen. selbstverständlich dürfen die so entstandenen kinder nicht in familien zurück sondern müssen in parteieigenen erziehungsfabriken aufgezogen werden weil ja nur sozis wissen wie es richtig geht.

  • S
    Silke

    Aber es geht doch darum, endlich diesen 50er-Jahre-Quatsch abzuschaffen, bei dem Kinder ewig zu Hause bleiben und erst in der Schule zum ersten Mal Kontakt zu Gleichaltrigen haben. Kita sollte für alle bezahlbar sein und spätestens ab dem 3. Lebensjahr sowieso Pflicht! Kitas sind Bildungseinrichtungen, nicht Verwahrstätten für Kinder von Eltern, die beide arbeiten gehen müssen, weil das Einkommen sonst nicht reicht. Deshalb sollte auch das Geld dafür ausschließlich an die Kitas gehen, nicht an die Eltern zur freien Verfügung.

    Ein Betreuungsgeld für "Zuhausebleiber" wäre ein unglaublicher Rückschritt.

  • A
    alex

    @claudette

    Das ist der Punkt: die Eltern müssen beide arbeiten gehen, weil von einem Nettoverdienst kaum eine Familie leben kann. Um Wahlfreiheit zu schaffen müsste das Geld für den Kita-Pltz an die Familien gehen. Dann könnten sie wählen: einer bleibt zu hause, Tagesmutter oder Kita. So wird ökonomischer Zwang ausgeübt: bleibt einer zuhause, verzichtet man auf ein Einkommen und subventioniert mit den Abgaben den Doppelverdienern das zweite Einkommen. Zuhause bleiben kostet im Schnitt dann (Opportunitätskosten entgangenes Einkommen+ Kitasubvention) 1500-2000 Euronen. Gäbe man das Geld für Kitaplatz (800-1500)an die Familien, dann wäre das echte Freiheit. Und es hätte den positiven Nebeneffekt, dass im Niedriglohnbereich die Gehälter steigen müssten, weil sich für Friseure etwa die Kinderbetreuung eher lohnen würde, als das Arbeiten. Einfach mal die ideologischen Scheuklappen absetzen.

  • C
    Claudette

    Hat ja keiner behauptet, dass Mütter oder Väter mit ihren Kindern nicht auch zu Hause bleiben dürfen. Das kann doch jeder halten, wie er will und wie er es finanzieren kann.

     

    NUR bezahlen muss man dies doch nicht auch noch. Das Geld muss in die Kitas und diese wiederum sollten für alle Kinder kostenlos sein... Damit Eltern arbeiten können und ihre Kinder gut versorgt sind... Und wer mag, kann das anders machen - Schön so!

  • A
    Anonymus

    "Genauso wenig muss man Eltern das Au-pair-Mädchen bezahlen, wenn sie Teilzeit arbeiten und das Kind trotzdem nicht in eine Kita bringen, so wie das der Plan von Familienministerin Kristina Schröder vorsieht."

     

    Wo hat denn die Sshröder das mit der Kita gesagt? Finde dazu nichts. Wäre doch mal ein Service, sowas nicht nut behaupten zu lassen, sondern auch einen Fakten-Check (blödes Wort) als Service-Leistung zu liefern. Ich behaupte, dass Schröder die Kita nie ausgeschlossen hat, das war die CSU.

  • A
    alex

    Schön, dass sie es am Ende wenigstens zugibt. Es geht um die ökonomische Verwertbarkeit beider Elternteile, ökonomischer Zwang wird als Wahlfreiheit kaschiert. Die Interessen des Kapitals werden hübsch emanzipatorisch bemäntelt. Die EmanzipatorInnen sind willige, nützliche Idioten der Wirtschaft. Steigende Löhne- um Gottes Willen.

  • HD
    Held der Arbeit

    "Wenn gut ausgebildete Frauen durch das Betreuungsgeld längere Zeit vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden, verschlechtert das die Situation."

    Die ArbeiterInnenpartei lässt grüßen. Es geht nicht um´s Kindswohl und nicht um´s Elternwohl, sondern um Vollbeschäftigung mit Lohnarbeit.