piwik no script img

Plagiatsvorwürfe gegen Bernd AlthusmannCDU-Kultusminister darf Titel behalten

Die Doktorarbeit von Bernd Althusmann wurde des Plagiats verdächtigt. Seine Uni spricht ihn frei. Doch Althusmann bleibt manövrierfähig wie ein Panzer mit Kettenriss.

Meinte wohl den Doktortitel für das Amt zu brauchen: Bernd Althusmann (CDU). Bild: dpa

Maschinengewehr - das war ein Beiname David McAllisters als Fraktionschef der Niedersachsen-CDU. Sein Mann fürs noch Gröbere war Bernd Althusmann, der Fraktionsgeschäftsführer. Den nannten alle "Panzer".

Das war kurz nach Christian Wulffs Machtübernahme in Hannover. Später, als Staatssekretär, dann Chef des Kultusministeriums und jetzt Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), war Althusmann der Spitzname peinlich. Aber er passt zum Geist der Niedersachsen-CDU. Das war nie der des Bildungsbürgertums.

Beim Wahlvolk kam die schroffe Art des Reserveoffiziers gut an. So verteidigte er im roten Lüneburg sein Direktmandat. Aber der Ehrgeiz war größer. Und um als Bildungspolitiker zu reüssieren, glaubte Althusmann, akademische Weihen zu brauchen. Also promovierte er - und kam nun glimpflich davon: Am Samstag wird Althusmann 45. Hätte die Uni Potsdam ihm den 2007 erworbenen Grad aberkannt, hätte er wohl als Exminister Geburtstag feiern. Doch er bleibt Doktor, verkündete am Donnerstag die Universität Potsdam. Das Prüfverfahren sei eingestellt. Und Althusmann bleibt damit im Amt - ist jetzt aber so eingeschränkt manövrierfähig wie ein Panzer mit Kettenriss.

Denn seit sie im Juli unter Plagiatsverdacht geriet, hat seine Dissertation über "Prozessorganisation und Prozesskooperation in der öffentlichen Verwaltung - Folgen für die Personalentwicklung" trotz abschreckenden Titels viele Leser gefunden. Und den Autor blamiert: Einige lachten übers ergoogelte, fehlerhafte Machiavelli-Motto. Andere lästerten über die Benotung des Inhalts mit "rite", der miesestmöglichen Uni-Zensur.

Und selbst freundlich formuliert bleibt die Zitierweise des derzeit formal höchsten Bildungspolitikers der Republik unpräzise: 376 der 660 Fußnoten beginnen mit dem verräterischen Kürzel "Vgl.", vergleiche, was die Grenzen zwischen fremdem und eigenem Gedankengut am effektivsten verwässert. Das hätte als Beleg besonderer krimineller Energie des Ministers gelten können - oder seiner intellektuellen Dürftigkeit.

Doch die Uni Potsdam entschied sich anders: Sie sieht die Plagiatsvorwürfe als nicht belegt. Wie sich das auswirkt, bleibt offen: Stephan Weil, frisch gekürter Spitzenkandidat der Niedersachsen-SPD, hat schon angekündigt, Bildung zum Schwerpunktthema des Landtagswahlkampfs zu machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • DT
    darf titel

    Es gab Magister- und Diplom-Arbeiten.

    Bei Magister muss man den aktuellen Stand der Forschung nett lesbar rezitieren und zusammenfassen oder anders organisiert darstellen z.b. als Lehrer. Bei Diplom-Arbeiten muss man eine Mission aus dem Aufgabenfeld erfüllen. Z.b. eine Software schreiben wo man automatisch dem Finanzamt Einnahmen und Ausgaben meldet und die Empfänger verpetzt damit die auch Steuern bezahlen. Oder ein Flugzeug optimieren oder Parteispenden mit anderen Bevölkerungs-Daten korrellieren und

    Auffälligkeiten finden oder was anderes sinnvolles gebacken kriegen.

     

    Viele Fächer geben keine wahre "Forschung" her. Nachplappern des Nachplapperers, Sekundär-, Tertiär-, Quartär-, Quintär-Literatur. Die Eskalation und Aufrüstung des Blablablablatums.

     

    Er hat anscheinend alle seine Quellen genannt und angegeben wo man die Ideen nachlesen kann! Im Prinzip ist das vielleicht schwach aber korrekt. Gute Dr-Arbeiten wo bisher nix gefunden wurde, sollte man auch dokumentieren.

    Solche Leute arbeiten vielleicht automatisch ehrlicher. Denn Ehre und Ehrlichkeit kann keiner kaufen! Obwohl z.b. die Presse dafür bezahlt wird :-(((

    Und nein, CDU würde ich nicht wählen wollen.

     

    Die Berichterstattung erinnert an Berichte über Steuererklärungen: Da erkennt jeder Rentner und (Zwangs)Freiberufler sofort, das 9x% der Reporter noch nie eine Steuererklärung gemacht haben. So einen Eindruck (keine Ahnung vom Wesen, Sein, Sinn, Voraussetzgungen usw. der Ausbildungs-Stufen und Diplom, Magister, ... Dr....) erweckt sich in der Berichterstattung über Dr-Plagiatoren oft auch. Wenn ich Reporter wäre, würde ich nur die Strukturen anlegen und das Forum liefert den Rest den ich dann "kuratierend" (aktuelles Modewort) zum Artikel wachsen lasse wie im perfekten leckeren Selbstversorgungsgarten.

  • V
    viccy

    "Vgl." finde ich nicht anstößig, sondern im Grunde stets angebracht, wenn nicht quasi wortwörtlich übernommen (z.B. als indirekte Rede 1:1) wird.

  • T
    tomate

    Da muss man doch sagen: er hat seine Doktorarbeit wenigstens nicht von anderen Leuten schreiben lassen, die ihre Auftragsarbeit oberflächlich gut aussehen lassen, und am Ende war doch alles nur Copy-Paste & Karriereende ... Mehr schlecht als recht dahingeschlonzt, und in mehr als der Hälfte aller Fußnoten nur "verglichen" - als Doktorarbeit zwar unterirdisch, aber es trägt wenigstens das Siegel der Authentizität.

     

    In Frage steht hier wohl allenfalls das Qualitätsniveau der beteiligten Gutachter und deren Universitäten (vor allem die Uni Potsdam). Denn aus den Angaben im Artikel ergibt sich das Bild einer mittelmäßigen Magisterarbeit mit Überlänge. Wenn das heutzutage die Anforderungen an eine Doktorarbeit sind, dann dürfte so etwas auch für jeden anderen mit Universitätsabschluss ohne weiteres machbar sein. Dann trägt bald ein Fünftel der Bevölkerung den Doktortitel ...