Vergewaltiger aus dem unmittelbaren Umfeld: Ein Freund der Familie

Ein 45-Jähriger soll ein 11-jähriges Mädchen wiederholt vergewaltigt haben. Zu dem Kind hatte er ein enges Verhältnis - was bei Missbrauchsfällen häufig vorkommt

Für die Öffentlichkeit bleibt der Angeklagte unerkannt Bild: jpb

Als die Verhandlung im Landgericht Bremen am Freitagmorgen beginnt, sitzt Martin L. schon auf der Anklagebank. Er hält sich eine Akte vor das Gesicht, dreht seinen Kopf von den Kameras weg. Zwischen August 2007 und Januar 2009 soll der heute 45-Jährige die damals 11-jährige Patricia N. (Name geändert) zu sexuellen Handlungen gezwungen, sie in drei Fällen vergewaltigt haben.

Manch ein Journalist hatte wohl erwartet, dass L. in Handschellen vorgeführt würde. Denn für den ersten Termin am Mittwoch musste die Polizei ihn suchen. Anscheinend jedoch war L. nicht geflohen, sondern hatte einen neuen Wohnsitz. Am Freitag nun erschien er von allein.

Martin L. war für Patricia N. kein Unbekannter, sondern ein Vertrauter der Familie. Laut Anklage soll er sich um die Mutter von Patricia N. gekümmert haben, weil sie pflegebedürftig ist, als Gefallen, nicht beruflich. Für deren Wohnung hatte er einen Schlüssel. Die sexuellen Gewalttaten gegen Patricia N. aber soll er in seiner eigenen Wohnung begangen haben. Im Bad, nach einem gemeinsamen Freimarkt- oder Osterwiesen-Besuch.

Als Staatsanwalt Marcus Schirmbeck die Anklage verliest, zeigt Martin L. wenig Reaktion. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine Haftstrafe von mindestens zwei und bis zu 15 Jahren. Zu den Vorwürfen will er sich nicht äußern. Nur sein Verteidiger, Carsten Scheuchzer, merkt an, dass noch zu untersuchen sei, "ob Patrizia N. wirklich das Opfer" sei.

Laut Weser-Kurier hat Patricia N. seit früher Kindheit immer wieder in Pflegefamilien und Heimen gelebt. Durch einen Heimleiter sei sie dabei schon einmal Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden, der Täter sei zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Um die heute 15-Jährige zu schützen, schloss der Vorsitzende Richter Christian Zorn für ihre Zeugenvernehmung die Öffentlichkeit aus. Patricia N. tritt selbst auch als Nebenklägerin auf, ihre Anwältin Sonja Briesenick kündigte an, auch den Ausschluss von Martin L. zu beantragen, falls N. seine Anwesenheit bei ihrer Aussage nicht mehr ertragen könne oder wolle.

"Gerichtsverhandlungen sind sehr belastend für die Opfer sexueller Gewalt, es kann zu einer Retraumatisierung kommen", sagte Tina Schneider, Psychologin beim Frauennotruf Bremen. Für andere sei es wiederum eine große Erleichterung, dass etwas getan werde. "Eine solche Tat löst beim Opfer erst einmal Ohnmachtsgefühle aus." Jede zehnte Klientin des Frauennotrufs sei zwischen 13 und 17 Jahren. In fast 40 Prozent aller Fälle gehe es den hilfesuchenden Frauen um einen Vorfall aus ihrer Kindheit. Dass der Täter dabei wie der Angeklagte Martin L. aus dem Umfeld oder der Familie des Opfers komme, sei die Regel. "Nur etwa ein Drittel der Täter sind den Opfern fremd", so Schneider.

Die Polizei schätzt diese Zahl ähnlich hoch ein. 2010 verzeichnete die Polizei im Land Bremen 132 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern, 43 mehr als 2009.

Am Montag wird der Prozess gegen Martin L. fortgesetzt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.