piwik no script img

70. Jahrestag der Wannsee-KonferenzHistoriker wagen Theater-Experiment

Zum 70. Jahrestag der Wannseekonferenz am 20. Januar machen Forscher aus dem Protokoll des NS-Treffens ein Theaterprojekt. Eine Tagung diskutiert die Bedeutung der Konferenz für Fortgang des Holocaust

Gleis 17 am Bahnhof Grunewald - hier begannen 1941 die Deportationen. Besucher legten zum 70. Jahrestag im Oktober Rosen nieder. Foto: dpa

Eine Unwägbarkeit gibt es noch bei den Vorbereitungen der Feierlichkeiten: Amtiert am 20. Januar, dem 70. Jahrestag der Wannseekonferenz, noch ein Bundespräsident, der die Gedenkstätte "Haus der Wannseekonferenz" gemeinsam mit dem israelischen Ministerpräsidenten besuchen kommt? "Wir gehen zunächst mal davon aus, dass Christian Wulff dann noch im Amt ist", sagte Gedenkstätten-Leiter Norbert Kampe am Montag bei der Vorstellung des Programms zum Jahrestag. Einen Plan B habe man jedenfalls nicht.

Am 20. Januar 1942 trafen sich in der Villa am Großen Wannsee, die damals als SS-Erholungsheim diente, 15 ranghohe Vertreter von Ministerien, Partei und Sicherheitsdienst, um die Durchführung des Völkermords an den europäischen Juden zu planen. Die Bedeutung dieser Konferenz für den Holocaust sei unter Historikern allerdings bis heute umstritten, erklärte Peter Klein, Mitarbeiter der Gedenkstätte. Die Kontroverse, ob das Wannsee-Treffen eher am Ende eines bereits beschlossenen Vernichtungskonzepts stand oder ob es eine Rolle bei dessen Entwicklung spielte, soll eines der Themen sein auf einer Historikerkonferenz am 20. und 21. Januar.

Einen unkonventionelleren Zugang zum Thema wagt das Dokumentar-Theater-Projekt "Die Wannsee-Konferenz", das am 22. Januar in der Gedenkstätte Premiere hat. Dafür haben 15 Historiker die Lebensläufe der 15 Konferenzteilnehmer studiert und daraus eine Performance mit "wissenschaftlichem Blick" gemacht, wie Regisseur Christian Tietz erklärte. Das Projekt sei der "Versuch einer Annäherung, ohne zu glauben, diese 15 Leute stehen vor mir". Die Historiker stellten Fragen an das Protokoll von Adolf Eichmann, dem zentralen Dokument der Konferenz. Wie diese dauert das Doku-Theaterstück 90 Minuten und beginnt zur selben Tageszeit - um 12 Uhr mittags. "So kann sich jeder Einzelne, mit einem Blick auf den Großen Wannsee, vielleicht an einem ausgesprochen schönen Tag, um die Mittagszeit einen Stuhl in diesen Raum stellen und überlegen, wie hier 15 Menschen den Tod von 11 Millionen Menschen besprachen und organisierten - und anschließend frühstückten", schreiben Tietz und die Dramaturgin Kalliniki Fili im Begleitheft zum Projekt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • A
    anonymous

    Ein enorm mit öffentlichen Geldern finanziertes Projekt!

     

    Noch stringenter und betroffener machend wäre es gewesen, diese Steuergelder einfach für etwas anderes auszugeben!

  • P
    Piet

    Enorm aufrüttelndes Projekt! Respekt!

     

     

    Aber warum ein Sprechstück?

     

    Warum nicht gleich -

    Tanztheater draus machen?!

     

     

    Wäre das nicht noch eine Spur

    stringenter, und noch betroffener machend?