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Kolumne FernsehenWir können auch die Pest sein

Kolumne
von David Denk

Das journalistische Genre der Fernsehkritik existiert irgendwo zwischen Schnellgericht, Gottschalk und trauriger Effektlosigkeit. Was TV-Kritik (nicht) bewegt.

Wie man es schafft, dauerhaft, permanent und durchgehend kritikresistent und erfolgreich zu sein, ist ein großes TV-Geheimnis. Bild: dapd

D iese Woche war keine gute für die deutsche Fernsehunterhaltung. (Mit so einem Satz startet man doch gern ins neue Kolumnenjahr.) Wer wagt, hat nicht gewonnen. Und schreckhaft, wie Fernsehmacher hierzulande nun mal sind, werden sie wohl schnell drauf reagieren - im Zweifel zu schnell. Dass man dem Zuschauer erst mal eine Chance geben muss, sich an neue Formate zu gewöhnen, ist eine Binse - außer für Senderchefs.

Los ging es mit der ziemlich verkorksten Premiere von "Gottschalk Live" im Ersten am Montag, dem Versuch einer "sehr persönlichen Show" (ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann), "abwechslungsreich, unterhaltsam und interaktiv" - gedacht, mit Deutschlands größtem lebenden Entertainer. So eine Sendung hatte es bislang in Deutschland noch nicht gegeben - und Thomas Gottschalk hat definitiv das Zeug dazu, solch ein neuartiges Format zu prägen.

Doch die Premiere war von Werbung zerhackt, der Moderator fahrig und großspurig und der ganze Social-Media-Hokuspokus wirkte aufgesetzt. Die Quittung kam prompt: Die zweite Ausgabe von "Gottschalk Live" schalteten am Dienstag nur noch 2,43 Millionen Zuschauer ein - fast zwei Millionen weniger als noch am Abend zuvor, die dritte sogar noch mal weniger.

taz
David Denk

ist Co-Leiter des Ressorts taz2-Medien.

Baden ging am Dienstag auch der Frauenkrimipilot "Hannah Mangold & Lucy Palm" auf Sat.1, den auch hervorragende Kritiken der jungen Zielgruppe nicht schmackhaft machen konnten - traurige 1,15 Millionen sahen zu. In der letzten Woche war schon die Rückkehr des 90er Krimihelden "Wolff" gefloppt.

Der geringe Effekt der Arbeit macht traurig

Als Fernsehkritiker macht es mich schon traurig, wie gering der Effekt unserer Arbeit ist. Man kann die Leute nicht zu ihrem Glück zwingen - würde es aber so gern. Und kann zugleich nicht verhindern, dass das RTL-Promi-Endlager im australischen Busch ein Quotenrenner ist. Das Dschungelcamp ist mittlerweile so etabliert, dass ich mich dabei ertappe, mir bei Kritik daran vorzukommen wie eine Oma, der die Röcke heutzutage viel zu kurz sind: ziemlich gestrig.

Wir Kritiker können natürlich auch eine Pest sein - etwa wenn wir einmal 30 Minuten Gottschalk gucken und die Premiere dann in einem Text genüsslich sezieren. Einerseits erwarten das die Leser von uns (glauben wir zumindest), andererseits ist uns mehr oder weniger insgeheim bewusst, wie unfair ein solches Schnellgericht ist und wie kontraproduktiv, denn die erste Sendung ist nie die beste.

Langzeitbeobachtungen kommen viel zu kurz

Und das Letzte, was ein Kritiker bei einem ihm grundsympathischen Format will, ist doch, die Kurzatmigkeit der Senderverantwortlichen herauszufordern. Langzeitbeobachtungen kommen viel zu kurz - nach der Gottschalk-Premiere ist vor dem nächsten großen Thema. Die Karawane zieht weiter, immer weiter. Zwischendurch mal umdrehen ist eher nicht vorgesehen.

Und dann soll allen Ernstes auch noch Jörg Pilawa "Wetten, dass ..?" moderieren. Oder, wenn der nicht will, Markus Lanz. Das ist das Gegenteil von Wagnis. Nennen wir es ZDF. Diese Woche war wirklich keine gute für die deutsche Fernsehunterhaltung. Das musste ich mal loswerden - auch wenns wohl nix bringt.

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Ressortleiter tazzwei
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4 Kommentare

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  • V
    vic

    Naja, es gab Frontal21, Panorama und noch paar andere Ausnahmen. Den anderen Stuss muss man ja nicht ansehen.

    Zugegeben, es ist zu wenig für die hohen Gebühren.

  • RB
    Rainer Baumann

    Gottschalk war doch immer nur ein seichter Amokschwätzer. Un ein Volk, das Jauch für einen Journalisten hält und ihn gern als Bundespräsidenten hätte. Was will man da erwarten?

    Einfach die Kiste nicht einschalten.

  • R
    reblek

    Gottschalk hat sich nach eigenen Angaben acht Stunden auf die erste Sendung vorbereitet. Und dann wurde von ihm "Spontaneität" verlangt. Die hat der größte lebende Entertainer immer nur dann gezeigt, wenn es galt, aber auch jede Frau anzutatschen, die auf seiner Couch saß. Und leider hat ihm keine auf die Pfoten oder besser anderswohin gehauen. Nach langer Vorbereitung könnte "Spontaneität" ein guter Schauspieler zeigen, nicht aber ein selbstverliebter Selbstdarsteller wie Gottschalk. Die Wett-Sendung hat doch nur geklappt, weil die Menschen mit den vielen Promis und entsprechenden Auftritten zufrieden waren. Nicht umsonst hat G. entschuldigend darauf hingewiesen, dass B. Herbig Gast seiner ersten Sendung war und nicht so einer wie George Clooney.

  • RT
    Ritter Tweeter

    Richtig erkannt !

     

    Erstens brauchts halt eine Einschwingphase.

    Zweitens nur nicht huddeln .

     

    Ritter Tweeter !

    CEO Social Zeuchs Dingens