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Wie stark ist die Opposition?"Rot-Schwarz hat nichts zu befürchten"

Das Urteil des Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer zur Arbeit der Opposition fällt vernichtend aus.

Haben gute Laune und allen Grund dazu: Frank Henkel und Klaus Wowereit Bild: dpa
Interview von Plutonia Plarre

taz: Herr Niedermayer, wie hat sich die Opposition im neuen Abgeordnetenhaus bisher geschlagen?

Oskar Niedermayer: Sie hat es versäumt, ein Zeichen zu setzten. Der Start der großen Koalition war ja alles andere als gelungen. Das war eine einmalige Chance, die Regierung vorzuführen. Die kommt so schnell nicht wieder.

Haben Sie eine Erklärung, warum die Opposition so schlaff ist?

Die Flügelkämpfe haben die Fraktion der Grünen ja fast gespalten. Nach ihrer Klausur haben sie zwar behauptet, sie hätten die Kämpfe überwunden und würden nun mit frischem Wind die Stimmführerschaft in der Opposition übernehmen. Ich vermute eher, es handelt sich um einen Waffenstillstand. Die Meinungsführerschaft innerhalb der Opposition muss man sich erarbeiten. Das ist den Grünen bis jetzt nicht gelungen.

Was ist bei der Linkspartei das Problem?

Auch die Linken haben erklärt, dass sie die Meinungsführerschaft in der Opposition übernehmen wollen, von Anfang an. Da ist bisher gar nichts gekommen. Die sind vollkommen abgetaucht.

Und die Piraten?

Die hatten deutliche Anfangsschwierigkeiten mit der neuen Rolle und den eigenen sehr hohen Ansprüchen. In den letzten Wochen haben sie ihre internen Querelen ein bisschen ad acta gelegt und mit Initiativen in ihrem ureigensten Bereich gepunktet - Staatstrojaner, Handyüberwachung. Ob das reicht, um mittelfristig die Nummer eins zu sein, glaube ich nicht. Da ist einfach noch zu wenig Erfahrung im Politikbetrieb da.

Wie ist es um die Zusammenarbeit der drei bestellt?

Die lässt stark zu wünschen übrig. Wenn man nicht bei den Themen gemeinsam auftritt, wo man es könnte, verschenkt man noch einmal Potenzial.

In der Linken ist ein Streit um den Vorsitz ausgebrochen. Braucht die Partei neues Personal an der Spitze?

Man kann Klaus Lederer viel Gutes nachsagen, aber nicht, dass er es versteht, Medienaufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Aber dann kommt die Frage: Wer soll es denn machen? Da sehe ich niemanden.

Braucht ein Oppositionsführer Charisma?

Ein bisschen schon. Wenn die Partei keinen hat, der Politikdarstellung wirklich beherrscht und Aufmerksamkeit erregen kann, wird es schwierig.

Gehen wir die Reihe doch mal durch. Udo Wolf, Linkspartei. Charismatisch?

Nein.

Ramona Pop, Grüne?

Nein.

Andreas Baum, Piratenpartei?

Nee, auch nicht. Wenn der Reiz des Neuen und des Feuilletons weg ist, sieht es plötzlich ganz anders aus. Da braucht man Leute, die nicht nur mit einem Kopftuch beeindrucken, sondern auch mit politischen Initiativen, die mit dem eigenen Namen verbunden sind.

Fällt Ihnen bei früheren Oppositionsführern ein positives Bespiel ein?

Martin Lindner, der früher für die FDP im Abgeordnetenhaus saß, ist des Öfteren durch Poltern aufgefallen und hat so Schlagzeilen für seine Partei produziert.

Was ist mit Wolfgang Wieland von den Grünen?

Der vielleicht noch am ehesten. Aber sonst ist da nicht viel.

Hat die Berliner Landespolitik insgesamt wenig an Klasse zu bieten?

Bei Senatsbildungen ist wiederholt versucht worden, Leute von außerhalb zu gewinnen. Die meisten haben abgewunken. Es ist nicht so, dass wirklich profilierte Leute mit fliegenden Fahnen in die Landespolitik gehen. Möglicherweise liegt es daran, dass der Berliner Politik doch irgendwie der Hauch des Provinziellen anhaftet.

Wie lautet Ihre Prognose zur weiteren Arbeit der Opposition?

Mit dieser Opposition hat die große Koalition in naher Zukunft nicht sehr viel zu befürchten.

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