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Verhandlung über DemonstrationsrechtGericht entscheidet über Demo

Nach der Verhinderung einer Anti-Repressions-Demo im Jahr 2007 wird nun gegen die Polizei verhandelt. Damals war der Protestzug vorzeitig gestoppt worden.

Manchmal bei Demos etwas ruppig: die Polizei. Bild: dpa

Mehr als vier Jahre nach der bundesweiten Demonstration "Out of Control" befasst sich ab dem 17. Februar das Verwaltungsgericht mit den Vorgängen. Die Demo am 15. Dezember 2007 gegen staatliche Repression durch die Polizei war faktisch verhindert worden und hatte ihr Ziel, den Hauptbahnhof, nicht erreicht. Drei Prozesstage hat die Kammer angesetzt, zahlreiche Zeugenvernehmungen sind vorgesehen. Geklagt hat der Demoanmelder für das Bündnis, Andreas Blechschmidt, gegen die Freie und Hansestadt Hamburg, um feststellen zu lassen, ob die Polizei rechtswidrig gehandelt hat.

Anlass der Demonstration waren damals die Verfahren gegen G8-Gipfel-Gegner in Heiligendamm nach dem Terrorparagrafen 129a im Sommer 2007. Im Zuge der Verfahren war auch der Große Lauschangriff - akustische Wohnraumüberwachung bis ins Schlafzimmer - angewendet worden.

3.500 Menschen hatten sich bei der Demo im Dezember 2007 vor der Roten Flora versammelt, um unter dem Motto "Weg mit dem Paragrafen 129a" zum Hauptbahnhof zu ziehen. Doch der Protestzug wurde immer wieder von starken Polizeieinheiten gestoppt. Zum Beispiel, weil ein Seitentransparent mit dem Metermaß nachgemessen werden sollte oder Teilnehmer vermummt wirkten, weil der Schal an dem feucht-kalten Tag über das Kinn reichte. Mehrfach stürmten Beamte von Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) in die Menge. Einem Mann wurde mit dem Tonfa-Kampfstock von einer Berliner BFE-Einheit laut Augenzeugenberichten das halbe Ohr abgetrennt und einer Frau durch einen Faustschlag eines Berliner BFE-Beamten das Nasenbein gebrochen.

Fast vier Stunden brauchte die Demonstration, um die eineinhalb Kilometer vom Schanzenviertel bis zum Millerntorplatz zurückzulegen. "Der Anmelder will jetzt wenigstens erreichen, dass das Verwaltungsgericht feststellt, dass die einschließende Begleitung der gesamten Demonstration rechtswidrig gewesen ist", sagt sein Rechtsanwalt Marc Meyer. Die Polizei sei zum Teil mehrreihig und schwer bewaffnet im Spalier gelaufen. Als der Protestzug später am Millerntorplatz erneut gestoppt wurde, löste der Versammlungsleiter Bela Rogalla die Demonstration weit vor ihrem eigentlichen Ziel auf.

Demonstrationsrecht

Das Demonstrationsrecht ist in Deutschland in Artikel 8 Grundgesetz festgeschrieben. Es besagt:

Alle Deutschen oder in Deutschland Lebende haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden.

Einschränkungen ergeben sich aus den Versammlungsgesetzen der einzelnen Bundesländer.

"Es ist unerträglich, unter diesen Bedingungen weiterzugehen", hatte damals Anmelder Andreas Blechschmidt der taz vor Ort zur Begründung des Abbruchs gesagt. Die Polizei habe offensichtlich "politische Vorgaben, uns nicht in die Innenstadt zu lassen". Die Polizei zeige sich als "schlechter Verlierer", so Blechschmidt in Anspielung auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts. Das hatte am Vortag - gegen den Einspruch der Polizei - für einen Marsch am Rande der City grünes Licht gegeben.

Die Polizei scheint konkrete Order gehabt zu haben, die Demo spätestens am Johannes-Brahms-Platz gewaltsam aufzulösen. Entsprechende Gespräche von Polizeiführern hatte die taz am Holstenwall wahrgenommen und dafür später aus Polizeikreisen Bestätigung erhalten. Daher sei der Abbruch "richtig gewesen", sagte Blechschmidt, "um nicht noch die Schafe zur Schlachtbank zu tragen".

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2 Kommentare

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  • AS
    Andreas Schmidt

    Wieder mal ein klassischer Appen-Artikel, wieder mal versagt das Lektorat der Taz.

     

    Wie leider üblich wird unbequeme Recherchearbeit durch platte Behauptung ersetzt, wie leider üblich fehlt jede Reflexion, wie leider üblich ergibt ein einfacher Faktencheck ein vollkommen anderes Bild.

     

    Da wird behauptet, eine Demonstation sei "faktisch verhindert worden". Nur sehr wenige Demonstrationen in Deutschland erreichen jedoch eine Teilnehmerzahl von immerhin 3500 Teilnehmern - wie kann man bei mehreren Tausend Teilnehmern von "Verhinderung" sprechen, ohne sich über sich selbst kaputtlachen zu müssen?

     

    Es wird behauptet, eine Wohnraumüberwachung "bis ins Schlafzimmer" habe stattgefunden. In wessen Schlafzimmer nun aber genau das passiert sein soll, und was es da so für Ungeheuerlichkeiten zu belauschen gab: das zu recherchieren hätte ja Arbeit bedeutet. Also weg damit.

     

    Es wird betrauert, daß "starke Polizeieinheiten" "Metermaße" von "Seitentransparenten" nachgemessen hätten. Eine 30-Sekunden-Google-Suche ergibt jedoch bereits die Antwort, warum das geschehen ist: es war eine Auflage des OLG bei der Gehemigung der Demonstration. Und die genehmigte Plakatfläche von immerhin vollen vier Quadratmetern wird mancher auch als ausreichend Gelegenheit empfinden, das Demonstrationsrecht auszuüben.

     

    Es wird unterstellt, ein paar kälteschützende Schals seien zum Anlaß repressiver Polizeikontrollen gewesen. Aber jeder Teilnehmer der Demonstration konnte mit einem einzigen Blick erkennen, daß zahlreiche Teilnehmer Motorradkappen trugen, so daß es nicht verwunderlich ist, wenn die Polizei ihrer Pflicht zur Durchsetzung des Vermummungsverbots nachkommt - gerade für dieses Szenario ist es ja beschlossen worden.

     

    Der Autor murmelt von "Augenzeugenberichten", denen zufolge Teilnehmern von Kampfstöcken das "halbe Ohr abgerissen" wurde. Gerne hätte ich gesehen, daß sich jemand die Mühe macht, dafür Belege zu finden und sie ggf. auch mit den Berichten der Einsatzleitung abzugleichen.

     

    Pubertäres Gequatsche von "schlechten Verlierern" offenbaren ein Staatsverständnis, innerhalb dessen diese Demonstration gar nicht als Ausdruck von Meinungspluralismus, sondern als eine Art "Räuber und Gendarm"-Spiel interpretiert wurde. So stützt man natürlich sogar durch reine Doofheit die Argumentation der Ordnungskräfte.

     

    Zuletzt ergeht sich der Autor dann wie üblich in nebulöse Andeutungen und Verschwörungstheorien, für die er ebenfalls keinerlei Belege beibringt. Der Konjunktivus Spekulatiorus zeigt die Marschrichtung. Konkret unkonkret wird von "scheinbaren Orders" georakelt, "Polizeikreise" bestätigen "Wahrnehmungen" der Taz, und Analogien geschlachteter Schafe werden bemüht.

     

    Was für ein Quatsch.

    Aus gutem Grund schmeiße ich den "Hamburg"-Teil der taz meist ungelesen weg - hier werden einfach zu regelmäßig schon minimalste journalistische Standards nicht erreicht.

  • K
    Klaus

    Bemerkenswert, wie Blechschmidt seine DemoteilnehmerInnen tituliert...

     

    >>> Daher sei der Abbruch "richtig gewesen", sagte Blechschmidt, "um nicht noch die Schafe zur Schlachtbank zu tragen".