Widerstand gegen Neonazi-Aufmarsch: Dresden geht denken
In Dresden fällt es schwer, den Weltkriegsopfern zu gedenken. Neonazis versuchen, das Thema zu okkupieren. Der Widerstand dagegen hat das bürgerliche Lager erreicht.
DRESDEN taz | Dieser Friedhof, hier am nördlichen Stadtrand von Dresden, ist der Ort, an dem die ganze Paradoxie dieser Geschichte zum Ausdruck kommt. Hier, zwischen 14 Sandsteinstelen, wurden all die Jahre jene Kränze niedergelegt.
Die Landtagsabgeordneten der CDU brachten ihre Blumengestecke mit, und die Parlamentarier der SPD, genauso wie Opferverbände und die Genossen der SED bis zum Wendejahr 1989. Und dann kamen später, ja, auch diese Mandatsträger der NPD. Betroffen blickten sie alle auf den Boden und gedachten der Opfer jener Bombennacht am 13. Februar 1945.
Es geht um diesen Heidefriedhof. Es geht um die Frage, wie man in Dresden mit Rechtsextremen umgeht. Und es geht darum, wer die wirklichen Opfer waren im Zweiten Weltkrieg. Heute, am 13. Februar, ist der sächsischen Landeshauptstadt wieder der Ausnahmezustand garantiert: Wieder wollen Neonazis hier aufmarschieren, wieder soll es Blockaden geben, Menschenketten. 4.500 Polizisten stehen bereit. Und am Heidefriedhof soll endlich etwas Neues passieren. Langsam, ganz langsam ändert sich heute in Dresden wieder ein wenig der Umgang mit der eigenen Geschichte.
Vier Angriffswellen flogen britische und US-Bomber in jener Februarnacht 1945. Sie machten aus der Innenstadt ein Trümmerfeld. Etwa 25.000 Menschen starben. An den Folgen dieser Nacht, im Stadtbild kaschiert durch unterklassige Architektur, leidet die Stadt bis heute. Die paradoxe Art ihres Leidens schmerzt auch andere.
Mythos von der unschuldigen, entmilitarisierten Kunststadt
Neben den Stelen für die ermordeten Juden von Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald erinnert am Heidefriedhof in gleicher Manier ein Sandsteinmonument an die deutschen Opfer. Das ist es, was viele bis heute nicht verstehen: Darf man an einem solchen Ort vor allem der deutschen Opfer gedenken? So als sei der Krieg nicht von Deutschland ausgegangen? Und dies gemeinsam mit Neonazis? Was viele noch weniger verstehen: Warum wurde so wenig unternommen, als Rechtsextremisten sich den Dresdner Opfermythos für ihre Zwecke anzueignen versuchten?
"Nie wieder Krieg!", das war zwar der Ruf, der während der DDR-Jahre die Dresdner Gedenkrituale dominierte. Latent blieb aber der Mythos von der unschuldigen, entmilitarisierten Kunststadt, deren Bombardierung ein militärisch sinnloser, unvergleichlicher Terrorakt gewesen sei - der "angolamerikanische Angriff" wurde eben auch in das Muster des Kalten Krieges eingewebt, in dem USA und Großbritannien in der DDR als Feinde galten.
Schon im Februar 1990 tauchten entsprechende Plakate an der Ruine der Frauenkirche wieder auf. Und mit der Flut von Dresden-Literatur und dem Historikerstreit über den Bombenkrieg entstand ein erstklassiges Propagandafeld für Neonazis und ihre "Trauermärsche". Zuletzt legten auch sie auf dem Heidefriedhof ihre Kränze nieder.
Die Politik, die Bürger reagierten verunsichert, unbeholfen, gleichgültig. 2005 liefen am 60. Jahrestag des Bombardements die Rechtsextremen mitten im Stadtzentrum. Und dagegen entstanden, langsam, erste große symbolische Aktionen. Ein riesiger Kerzenteppich auf dem Theaterplatz etwa oder die Initiative "Geh Denken", ein Versuch des aktiven Protestes gegen den Missbrauch der Opfer. Auch die Antifa lebte auf, ganz ohne Verständnis für Opfer aus Dresden: "No tears for krauts", skandierten ihre Anhänger.
Neonazis und Gegendemonstranten aus ganz Deutschland
Und die in Sachsen mächtige CDU? Sie verfolgte geradezu verbissen eine Vogel-Strauß-Politik. Im "stillen Gedenken" sah sie die einzig mögliche Umgangsform mit dem 13. Februar. Ihre Gegner riefen: Wer so gedenken will, lädt die Rechten zu sich ein.
Längst kommen die Neonazis und ihre Gegendemonstranten daher aus ganz Deutschland nach Dresden. Zu relevant ist der Ort, weil er für ein kollektives Scheitern im Umgang mit der eigenen Geschichte steht, für eine letzte Bastion, die nicht ehrlich mit sich ins Gericht geht. Als linke Gruppen im letzten Jahr einen "Täterrundgang" zu Dresdner Orten mit Nazivergangenheit durchführen wollten, verbot die Stadt das.
In diesem Jahr darf er stattfinden. Als dann bekannt wurde, dass die Stadt 2011 großflächig Handydaten von Demonstranten sammelte, ging ein Aufschrei durch Deutschland. Die Fortschritte der Dresdner Gedenkpolitik, sie sind auch hart erkämpft durch Importdemonstranten aus dem Rest der Republik.
Der Eindruck von den brennenden Barrikaden und den Verletzten des Jahres 2011 beförderte dann einen erstaunlichen Konvergenzprozess in der zerstrittenen Stadt. Noch vor Bekanntwerden des rechten NSU-Terrors zeichnete sich in der städtischen "Arbeitsgemeinschaft 13. Februar" endlich eine Entwicklung vom Neben- oder Gegeneinander zum Miteinander ab.
Der gemeinsame Aufruf zu einer großen Kundgebung in Hör- und Sichtweite des Naziaufmarsches, für die sächsische CDU und die FDP war er ein Riesenschritt. Langsam wieder, aber immerhin, so scheint es, lernen auch die Konservativen dazu.
Energisches "Zeichen gegen Rechts"
Schon im Frühherbst hatte der CDU-Ordnungsdezernent Detlef Sittel mit der Aufforderung überrascht, es sollten sich "wenigstens 50.000 Gegendemonstranten" einfinden. Und auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat unter dem Eindruck der Verbrechen der rechten Terrorzelle ein energisches "Zeichen gegen Rechts" in Dresden gefordert.
Vielleicht ist es nur pures Desinteresse, vielleicht aber auch die Angst, sich in dieser Gemengelage zu positionieren: Doch während Bundespolitiker aller Oppositionsparteien heute wie selbstverständlich nach Dresden reisen, wird von der Bundesregierung kein Vertreter an den Antinaziprotesten teilnehmen.
Das gab die Bundesregierung jetzt auf Anfrage der Linkspartei-Vorsitzenden Gesine Lötzsch bekannt. Mehr noch: "In ihrer Funktion als Mitglieder der Bundesregierung haben in der 17. Wahlperiode weder die Bundeskanzlerin noch Bundesministerinnen oder Bundesminister an einer Demonstration gegen Rechtsextremisten teilgenommen."
Immerhin dies: Die sächsische CDU will auf dem Heidefriedhof nicht mehr in einer Reihe neben Neonazis stehen. Getrieben zu einer neuen Gedenkpolitik, ändert sich das Dresdner Gedenken in Trippelschritten.
Wenn am Montag um 15 Uhr die traditionelle Gedenkzeremonie stattfindet, dann mit einem Protokoll, das frisch geändert wurde. Statt Kränze sollen in diesem Jahr weiße Rosen niedergelegt werden, ohne die Neonazis. Und an welcher Stele jemand seine weiße Rose niederlegt – ob an der Stele für Dachau oder dem Gedenkstein für Dresden –, das darf sich jeder selbst aussuchen.
Leser*innenkommentare
Konrad
Gast
Ich habe gerade Bilder von der Demo gesehen. Die sogenannten "Antifa-Faschisten" liefen wieder mit menschenverachtenden Transparenten auf: "Bomber Harris - do it again", "Alles Gute kommt von oben"... Somit ist es mir unmöglich an der Demo teilzunehmen. Mit Glücksgefühlen die Zerstörung Dresdens und das Unglück sovieler Menschen zu feiern - da will ich nicht dabei sein. Kein vernünftiger Mensch kann heutzutage ernsthaft die NPD unterstützen, aber mit solchen brutalen anti-humanisten wie den Linken will ich auch nicht zusammenstehen.
"Ein neuer Faschsimus wird nicht sagen: Ich bin Faschist. Er wird sagen: Ich bin Anti-Faschist."
Mfg
gerd-f
Gast
Ihren Mythos vom militärischen Ziel Dresden, vom legitimen militärischen Ziel, können Sie nur noch durch ein "Bomber Harris do it again, aber diesmal bitte mit Uranmunition und Todesstaub bitte!" toppen.
Konstantin
Gast
Wer sich der Logik der Nazis ergibt, der kann im "deutschen Volk" nur eine dumpfe Einheit sehen, die immer gemeinsam das gleiche und eine will.
Wer sich die verwirrende und anstrengende Unterscheidung für jeden einzelnen Menschen danach erlaubt, ob er gut oder böse war, ob er sich schuldig gemacht hat oder nicht, der trauert zunächstmal um jeden Menschen, der diesem monströsen Krieg zum Opfer gefallen ist.
Was für eine unfassbare Arroganz derer, die im wohlbeheizten Wohnzimmer resümieren, dass für deutsche Bombentote kein Mitleid vorhanden ist, egal ob Kind, ob Kommunist, ob Nazi, ob jugendlicher Mitläufer.
Gegen die Todesstrafe für verurteilte Mörder und Vergewaltiger der Gegenwart - aber die Todesstrafe für all jene im Nachhinein billigen, die zufällig in einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Land geboren sind.
Am 13. Februar gedenke ich einer untergegangenen Stadt und ihren Bewohnern. Einfach, weil es mir leid um sie tut.
womue
Gast
"Darf man an einem solchen Ort vor allem der deutschen Opfer gedenken?" - An dieser Frage wird offenbar, wie absurd die Diskussion geworden ist. Wenn man dort nicht der Opfer der Bombennächte gedenken möchte, dann sollte man niemandem gedenken. Wenn man nicht trauern kann ohne eine Inschrift über Juden und KZ vor den Augen, dann sollte man sich diesen Akt der Heuchelei auch sparen. Eigentlich, so möchte ich vermuten, kann das nur der SED eingefallen sein. Viele der Opfer waren Zivilisten, Flüchtlinge, Kinder, auch Deserteure, Zwangsarbeiter und Nonnen, die haben diese Art des vorbehaltlichen Gedenkens nicht verdient. Man weiß ja vor Schande gar nicht mehr, wem man ein "Schämt euch!" zurufen sollte.
Wolfgang Banse
Gast
Sich der Vergangenheit stellen
Dresden gedachte der Zerstörung ,die vor 67 Jahren viel Leid,Schmerz,nicht nur in Form was Trümmer anbetrifft in der Stadt anrichtete.
dresden stand gleichzeitig auf und sagte Nein zu Neonazis.
Aus der Vergangegenheit lernen und Schlüsse daraus ziehen,das das was geschah,sich niemals wieder holen darf ,an diesem Ort in jeden Ort nicht nur hier,weltweit.
Oscher
Gast
"In Dresden fällt es schwer,
den Weltkriegsopfern zu gedenken."
Nur zur Formulierung: Verfasser sollte deutsche Grammatik lernen: "gedenken" steht beim Genitiv - also: "der Weltkriegsopfer gedenken"!
Brigitte de Boer
Gast
.."In Dresden fällt es schwer, DEN Weltkriegsopfern zu gedenken... ?? Wollen Sie diese Peinlichkeit tatsächlich so stehen lassen? Aber generell vom Genitiv gehört haben Sie schon, oder?
Linker Qualitäts-Journalismus eben - muss man 'mal auf Facebook verbreiten, sorry..
vic
Gast
Ich sage, Deutschland hat jede Bombe seinem Führer und einem begeisterten deutschen Volk zu verdanken.
Zudem wurden andere Städte auch getroffen.
Dass in Kriegen zu oft die Falschen getötet werden, ist leider ein Hauptmerkmal des Krieges, auch heute noch- nur anderswo.
hopfen
Gast
"wirklichen Opfer waren im Zweiten Weltkrieg"
Man darf auch nicht vergessen, dass das erste Land, welches die Nazis besetzten Deutschland war.
Von wahren oder wirklichen Opfern zu sprechen degradiert die anderen Opfer zu Opfern 2. Klasse.
reblek
Gast
"In Dresden fällt es schwer, den Weltkriegsopfern zu gedenken." - Anderswo auch, da wird nämlich "der Weltkriegsopfer" gedacht.
ridgleylisp
Gast
Wenn Gedenkengegner mit sochen Sprüchen wie "Bomber Harris, do it again" aufwarten, wo befindet sich der gesunde Menschenverstand. Bestimmt nicht bei diesen Linksexpremisten.
Brigitte de Boer
Gast
..."In Dresden fällt es schwer, den Weltkriegsopfern zu gedenken. Neonazis versuchen, das Thema zu okkupieren. Der Widerstand dagegen hat das bürgerliche Lager erreicht"....
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod...unglaublich - Qualitäts-Journalismus - was soll man dazu noch sagen...
bravebavar
Gast
... das Grauen lauert überall - manchmal schon im Vorspann. Der Genitiv ist halt dem Dativ sein Tod! Laßt halt nachts nicht nur die Volontäre 'ran .... Bartsch und Kaul - besser aufpassen bei der Berufswahl!
Tom Jones
Gast
Ich trauere um jeden Mann und jede Frau, die ihr Leben gaben, um Europa vom Nationalsozialismus zu befreien.
Ich trauere um alle, die getötet wurden, weil sie in der nationalsozialistischen Weltanschauung keinen Platz hatten.
Aber ich trauere sicherlich nicht um Menschen, die diese Tragödie aktiv oder passiv unterstützt haben.
aurorua
Gast
von M. Bartsch / M. Kaul
DUMMSCHWAETZER
NUR mit DEUTSCHLAND ist und war Europa ein DRUEMMERFELD und genau das ist es was ACKERMANN (SCHWEIZ) und Konsorten gefaellt.
Traeum weiter ALEMAN¿