VERSAMMLUNGSRECHT: Kontrolle des Polizeivorgehens
Verwaltungsgericht verhandelt seit zwei Prozesstagen um die Polizeimaßnahmen bei Anti-Repressions-Demonstration von vor über vier Jahren.
Mit einer möglichen Be- und letztlich Verhinderung der Anti-Repressions-Demonstration am 15. Dezember 2007 befasst sich seit Freitag das Hamburger Verwaltungsgericht. Der Anmelder der Demonstration des "Solidaritäts-Bündnisses gegen den Paragrafen 129a Strafgesetzbuch", Andreas Blechschmidt, möchte erreichen, dass das Gericht die einschließende Begleitung - auch Wanderkessel genannt - durch die Polizei sowie das dauernde "Aufstoppen" des Protestzuges sowie die "Transparentauflage" für Seitenbanner für rechtswidrig erklärt.
Der Staatsschutz der Polizei hatte damals eine deutliche Gefahrenprognose erstellt, Straftaten prophezeit und von 1.000 gewaltbereiten Links-Autonomen und zusätzlich 2.000 "gewaltbereiten aktionistisch orientierten Teilnehmern" gesprochen. "Die Demonstration selbst war nicht das Problem", sagte der Abteilungsleiter Gefahrenprognose beim Landeskriminalamt 71, Dietmar Ott, vor Gericht.
Sorge bereiteten dem Staatsschützer vielmehr das zusätzlich angekündigte Konzept "Out of Control" - also Aktionen am Rande der Demonstration. Dass die Veranstalter der Demo just am Tage der Erstellung der Staatsschutz-Gefahrenprognose parallel auf einer Pressekonferenz in der Roten Flora zu einer gewaltfreien Demonstration aufriefen und nichts mit dem "Out of Control"-Konzept zu tun haben wollten, interessierte Staatsschutz-Analytiker Ott dann nicht mehr. "Das hab ich in der taz gelesen. Für uns war das aber eine Veranstaltung." Ott räumte ein, dass die Staatsschutz-Prognose abstrakt war: "Konkrete Hinweise auf geplante Straftaten hatten wir nicht."
Dieses Verfahren ist nicht das einzige Demoverfahren gegen die Polizei, das beim Verwaltungsgericht liegt.
Anhängig ist auch eine Klage der Veranstalter einer Demo zum Asem-Gipfel im Mai 2007, die zum Teil mit vier Reihen Spalier begleitet wurde.
Die Auflösung der Demo am Flughafen im Rahmen des antirassistischen Camps im August 2008 ist ebenfalls noch offen. Damals hatte Einsatzleiter Hartmut Dudde die Demo bereits um 15 Uhr für aufgelöst erklärt, obwohl das Oberverwaltungsgericht eine Kundgebung - gegen den Widerstand der Polizei - bis 19 Uhr zugelassen hatte.
Für den Einsatzleiter vor Ort, Hartmut Dudde, war daher von Anfang an klar, dass es zum Spalier bei der Demonstration kommen würde. 1.000 der insgesamt an jedem Samstag eingesetzten 2.500 Beamten waren unmittelbar zur Begleitung der Demonstration abgestellt. "Wir hatten uns taktisch auch auf das ,Out of Control'-Konzept eingestellt", sagte Dudde. Seine Einheiten hätten sich speziell "auf das Klientel, was problematisch ist", in der Demonstration konzentriert.
Schon bei der Auftaktkundgebung vor der Roten Flora sei ein Böller geflogen, sagte Dudde. "Da war klar, dass wir auf jeden Fall die Demo begleiten." Im Schulterblatt hatte Dudde die Demonstration dann aufstoppen lassen, weil seiner Aussage nach ein Seitentransparent zu lang gewesen sei. "So etwas ohne Vorwarnung zu machen, ist völlig unüblich", sagten Veranstalter Blechschmidt und Versammlungsleiter Bela Rogalla unisono. "Es ist üblich, dass die Demoleitung angesprochen wird, Missstände selbst zu beseitigen", sagte Blechschmidt. Auch als es am Neuen Pferdemarkt bei einem Stopp um Vermummung einzelner Versammlungsteilnehmer gegangen sei, habe Dudde ihn erst über den Grund informiert, als bereits Festnahmeeinheiten in die Demo stürmten. "Das war außerordentlich eskalierend", sagte Blechschmidt. Der Prozess wird fortgesetzt.
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