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Diskussion um NPD-VerbotDie rauchende Ceska ist längst erkaltet

Das NPD-Verbotsverfahren wird durch den Nachweis der Waffenübergabe durch Ex-Parteikader kaum beschleunigt. Die Politik reagiert lieber vorsichtig.

Hängt mit der NPD zusammen, aber vielleicht nicht genug für eine Verbotsforderung. Bild: dapd

FREIBURG/BERLIN taz | Ist die NPD jetzt endgültig als verfassungsfeindliche und gefährliche Partei entlarvt? Kann nun endlich der seit Jahren heiß diskutierte neue Verbotsantrag gestellt werden? Auf den ersten Blick war die smoking gun – die noch rauchende Pistole, die den Täter überführt – noch nie so klar zu erkennen. Zwei NPD-Kader hatten Ende 1999 bei der Beschaffung der berüchtigten Ceska-Pistole mitgewirkt, ausgerechnet der Waffe, die bei allen neun Attentaten auf Kleingewerbler mit Migrationshintergrund benutzt wurde.

Doch der Rauch der smoking gun ist längst erkaltet. Der Vorgang liegt mehr als zwölf Jahre zurück. Über die heutige Gefährlichkeit der NPD sagt er wenig aus. Ein Parteiverbot ist keine Strafe für vergangenes Fehlverhalten. Vielmehr geht es um die Abwehr gegenwärtiger und zukünftiger Gefahren.

Carsten S. hat sich aber längst glaubhaft von der NPD und der rechten Szene abgewandt. Ralf Wohlleben hat die Partei zwar erst 2011 verlassen. Allerdings hat er sich schon Anfang der nuller Jahre aus der Unterstützung der NSU-Gruppe zurückgezogen.

Doch selbst wenn die Waffenbeschaffung erst gestern gewesen wäre, könnte sie nur als weiterer Mosaikstein gegen die NPD verwendet werden. Ralf Wohlleben und Carsten S. sind schließlich nur zwei von Tausenden NPD-Mitgliedern. Dass sie bei ihrer Unterstützung für das untergetauchte Trio auf NPD-Ressourcen zurückgriffen, konnte bislang nicht festgestellt werden.

Ebensowenig wie ein Handeln unter dem Deckmantel der Partei oder mit Kenntnis der Parteiführung. Es ist noch nicht einmal sicher, dass S. und Wohlleben wussten, dass die Ceska als Mordwaffe – und nicht nur zur Drohung bei Banküberfällen – eingesetzt werden sollte.

Keine voreiligen Schlüsse

Der Exverfassungsrichter Siegfried Broß sagte kürzlich im taz-Interview: "Für ein Parteiverbot genügt eine abstrakte Gefahr, das heißt, dass das Handeln der Partei bei ungehindertem Fortgang irgendwann ins Unglück führen kann." Dagegen weist der Parteienrechtler Sebastian Roßner darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Parteiverboten eine konkrete Gefahr verlangt.

Entsprechend vorsichtig sind die Reaktionen aus der Politik. Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus für die Grünen im Bundestag, warnt vor voreiligen Schlüssen. Vor einem neuen Verbotsverfahren müsse gründlich geprüft werden, ob die hohen Auflagen der Gerichte eingehalten werden.

Die Innenpolitiker von CDU, FDP, SPD und Grünen möchten die Innenministerkonferenz am 20. März abwarten. Dort wird eine Materialsammlung zu Möglichkeiten eines NPD-Verbots gesichtet, die eine Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder zusammenträgt.

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6 Kommentare

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  • L
    lana
  • B
    Brandeis

    @end.the.occupation: So so, "jeder Idiot" hätte das erkennen können? Also haben Sie die Strafverfolgungsbehörden sicher schon vor Jahren auf diese Möglichkeit hingewiesen nehme ich an. Auch im "normalen" kriminellen Milieu ist es durchaus üblich dieselbe Waffe zu benutzen, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Ich persönlich habe ehrlich gesagt nicht an eine irre Nazi-Killer-Truppe gedacht, wenn ich von den Morden gehört habe.

     

    Was das Parteiverbotsverfahren angeht, so wird Art. 21 Abs. 2 GG von der Rechtssprechung dahingehend ausgelegt, dass der Staat nachweisen muss, dass die Partei bzw. ihre Anhänger "aktiv-kämpferisch" gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgehen müssen, mit dem Ziel, diese zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht hat immer klargestellt, dass hier sehr hohe Hürden bestehen. Ich bin der Auffassung, dass eine mehrere Jahre alte Mordserie, an der zwei NPD-Mitglieder im Wege der Beihilfe beteiligt waren hierzu nicht ausreichen wird. Da müsste schon mal genauer ermittelt werden (und zwar nachdem die V-Leute gekappt wurden).

     

    Klar, die NPD ist lästig und überflüssig aber kein Grund rechtsstaatliche Grundsätze über Bord zu werfen.

  • E
    end.the.occupation

    Jeder Idiot hätte erkannt, dass eine Mordserie in der neun mal dieselbe Waffe eingesetzt wird - dass sich dahinter nicht ein gewöhnlicher Krimineller verbirgt, sondern dass hier jemand Jagd auf Migranten machte.

     

    Dass in diese Richtung nicht ermittelt wurde (?) oder nur oberflächlich - das ist völlig unerklärlich.

  • DP
    das problem ist nicht die npd

    ... sondern die tatsache, dass ausländer in der mitte der gesellschaft abgelehnt werden. der ex-nazi manuel bauer berichtete ja bei günther jauch, dass rechte gewalt zwei wesentliche rückhalte hat: die erfahrung, dass nazis tun, was viele bürger als im grunde richtig empfinden, und die, dass nazis vor razzien auch mal nene polizeitipp bekommen (weil man sich halt kennt und nichts böses will).

     

    wer rechte gewalt bekämpfen will, sollte

    - den rassismus im mainstream bekämpfen,

    - türken die deutsche staatsbürgerschaft erleichtern, und vor allem

    - der sozialen angst weiter teile der gesellschaft mit guter arbeitsmarkt- und sozialpolitik begegnen - weil diese angst den kampf gegen "fremde" anheizt.

  • RP
    Robson Paul

    In diesem Zusammenhang fällt natürlich auch die Gedenkveranstaltung vom Freitag, letzer Woche, wo man der Neo-Nazimorde gedachte, die seit 2000 von der sog.NSU begangen wurden. Dieses Land muss endlich begreifen, dass solche Taten durch verschwurbelte Nationalismen entstehen, für die u.a. auch Sarazzin

    Verantwortung trägt. Seine Worte sind der Nährboden für unaufgeklärte Menschen, Menschen, die sich zurückgesetzt fühlen, Menschen, die nicht mehr Willens oder in der Lage sind, die Leben konstruktiv auf die Beine zustellen und sich lieber auf Abgrenzungsparolen a la Sarazzin stützen und damit glauben, ihrer persönlichen Misere enthoben zu sein. Deutschland ist immer noch ein Land der Täter, Deutschland ist immer noch nicht vollständig (wahrscheinlich nie) entnazifiziert. Deutschland leistet sich einen Besuch mit Ehren eines Herrn Horst Paulmann in Kassel, dessen Vater als SS-Sturmbann-Führer 1948 nach Argentinien floh, später nach Chile. Horst Paulmann selbst schlug vor, Pinochet ein Denkmal zu setzen. Ein Mensch, der um die Greultaten in der Colonial Dignidad wusste. Ausgerechnet diesen Menschen - "gewiss ein untadeliger Kapitalist" - lädt man in "seine" Heimatstadt Kassel ein, ausgerechnet dort, wo einer der unsäglichen Neo-Nazimorde stattfand, ausgerechnet an einem Tag, wo im Berliner Schauspielhaus, der Opfer des Rechten Terrors gedacht wurde. Was hilft da ein Verbot der NPD, wenn sich ein Land wie dieses sich solche Peinlichkeiten leistet. Die latente und schlummernde Feindseeligkeit im Geiste Andersdenkenden und AusländerInnen gegenüber der "wahren Deutschen" in diesem Land, das ist das eigentliche Problem hier. Da kann man mit einem Verbot einer Verblödungspartei wie der NPD nicht allzuviel ausrichten. Der Terror entsteht in den Köpfen - das einzige was hilft ist Aufklärung mit den Möglichkeiten, die diese Gesellschaft hat, aber leider viel zu wenig nutzt.

  • NW
    Nora Wesseling

    Nicht nur eine Scheindebatte - denn die NPD wird am Ende keiner ernsthaft antasten. Sie passt unseren Politikern zu gut in den Kram, als extremistisches Schreckgespenst und Vehikel, um damit auch Maßnahmen gegen "Linksextremisten" mitzurechtfertigen.

     

    Sondern auch ein wohldurchdachtes Ablenkungsmanöver: um davon abzulenken, dass es ganz besonders der Verfassungsschutz war, der sich dieser Nazistrukturen zu seinen eigenen dunklen Zwecken bedient hat (und es in anderen Fällen vermutlich noch immer tut). Hier lässt "Gladio" grüßen, das europaweite Projekt der NATO, Rechtsextremisten für eine Strategie der Spannung zu instrumentalisieren - es gibt einen guten und auch gut belegten Wikipedia-Artikel dazu. Ich erinnere daran, dass unser Verfassungsschutz - wie es ja längst schon aktenkundig belegbar ist und auch von den Verantwortlichen nach der Salamitaktik eingestanden wurde - der tatsächliche Hauptgönner dieser Terroristen war. Der sie die ganzen zwölf Jahre über auf dem Radar hatte und mit ihnen in Kontakt stand; der denen zehntausende von Mark und Euro hat zukommen lassen, sie mit falschen Ausweispapieren versehen hat, seine vor Strafverfolgung durch die Polizei schützende Hand über sie gehalten hat, und und und ...

     

    Und unsere Mainstream-Medien - auch die taz! - halten den Burgfrieden und spielen das traurige Spiel mit: wir prügeln auf die NPD ein, dafür haben wir sie ja, aber die Sache mit der Verwicklung des Verfassungsschutzes, die erwähnen wir nur gelegentlich mal am Rande, als Fußnote zur Arbeit von Untersuchungsausschüssen. Und dies auch stets unter dem Vorzeichen, es habe sich hier doch nur um ein absichtsloses Versagen von zwar inkompetenten, aber doch wohlmeinenden Beamten gehandelt.

     

    Deshalb wird es mit dieser Affäre ebenso gehen wie mit Gladio nach dem Ende der neunziger Jahre: neun von zehn Wählern werden diese Geschichte schon in zwei Jahren wieder vergessen haben, und danach versinkt alles ins Vergessen oder in die Schublade "paranoider Linkspropaganda". Habe letztens meinen Onkel auf Gladio angesprochen und ihm das Wesentliche in zwei, drei Sätzen zusammengefasst. Und ihn auch darauf hingewiesen, dass alles belegt, von europäischen Ex-Ministern und Regierungschefs bestätigt, ja teilweise sogar von der NATO nach wochenlangem Zögern offiziell zugegeben wurde. Aber er hat er mich nur dümmlich angegrinst: Ach was, du spinnst ja. Das ist doch alles nur Verschwörungstheorie. Nein - kann gar nicht sein.

     

    Jede Form von Herrschaft ist darauf angewiesen, in den Köpfen der Beherrschten eine Realität zu erschaffen, innerhalb derer sie legitim, notwendig und alternativlos erscheint. Bei uns prügelt man immer auf die fehlende Meinungsfreiheit und Zensur in anderen Ländern ein, aber auch bei unseren Medien gibt es sehr subtile und dennoch hochwirksame Gleichschaltungsmechanismen. Die werden verlässlich wirksam etwa bei Missständen wie dieser Nazi-Affäre, die an den Kern unseres Staatsverständnisses gehen; und derzeit auch, wenn es um die publizistische Vorbereitung neuer Kriege im Nahen und Mittleren Osten geht.

     

    Danke, taz, dass Du mich das hier kommentieren lässt, aber danke auch für Deine ansonsten tatkräftige Mithilfe bei der Programmierung unserer Bevölkerung.