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Unicef-Bericht über Situation der KinderDie Welt schaut weg

Ein Drittel aller Kinder wächst unter skandalösen Bedingungen im Slum auf: Arm, unterernährt und ohne Chance auf Bildung. Oftmals enden sie in Leibeigenschaft.

Leben auf der Müllhalde: Kinder in einem Slum von Delhi. Bild: dpa

KÖLN dpa | Angesichts des weltweit rasanten Wachstums der Metropolen leben immer Kinder im Elend der Slums. Die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen – rund eine Milliarde – wächst heute in Städten auf. Jedes dritte Kind wird in einem Slum groß, oft unterernährt, unter furchtbaren hygienischen Bedingungen, ohne Zugang zu Schulen und Gesundheitsversorgung. Das berichtet Unicef im Jahresreport “Zur Situation der Kinder in der Welt 2012“.

In den Metropolen der Entwicklungs- und Schwellenländer werden 30 bis 50 Prozent der Neugeborenen nicht einmal registriert – existieren offiziell also gar nicht.

„Städte werden für immer mehr Kinder zu Orten der Armut“, betonte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, am Dienstag.

Viele Kinder sind allein unterwegs, leben als Lumpensammler oder Schuhputzer auf der Straße, werden missbraucht oder verkauft.

Die Bedürfnisse und Rechte der Kinder würden in den weniger entwickelten Ländern „systematisch übersehen und spielen bei der Stadtentwicklung kaum eine Rolle“.

Die Folgen seien gravierend. Regierungen, Städte und Behörden müssten dringend gegensteuern, forderte das UN-Kinderhilfswerk. Der Zustrom werde weitergehen.

Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes forderte, die Kinderrechte aktiv zu stärken. „Aus der Erfahrung unserer Programmarbeit für benachteiligte Kinder in Metropolen wie Manila, Delhi, Johannesburg und Bogotá können wir die skandalösen Lebensrisiken armer Kinder bestätigen“, erklärte Geschäftsführerin Danuta Sacher.

Wichtig sei es, Kinder aktiv einzubeziehen. Sie müssten bei staatlichen Stellen ihre Rechte etwa auf Bildung einfordern können.

Hohe Kindersterblichkeit

Die Lebensbedingungen in den Slums sind vor allem für Kinder katastrophal. Obwohl es in den Städten mehr Schulen als auf dem Land gibt, sind die Bildungsstätten für die Ärmsten oft unerreichbar.

In den Elendsvierteln ist die Kindersterblichkeit höher als in manchen armen ländlichen Gebieten. Der Anteil der unter- und fehlernährten Kinder in den Städten wächst.

In den Slums Indiens etwa sind 54 Prozent der Jungen und Mädchen infolge von Unterernährung körperlich und geistig zurückgeblieben. Unhygienische und beengte Verhältnisse führen zu Epidemien, Tuberkulose, Durchfall oder Lungenentzündung. Medizinische Versorgung gibt es meist nur für wohlhabendere Städter.

Millionen Minderjährige leben und arbeiten auf der Straße. „Sie sind Übergriffen und Ausbeutung ausgeliefert und werden häufig kriminalisiert, verjagt oder misshandelt“, heißt es in dem Bericht.

Straßengangs und Leibeigenschaft

Eltern schicken ihre Töchter vom Land in die Stadt, wo sie laut Unicef in Privathaushalten mitunter regelrecht als Leibeigene behandelt werden. Andere Kinder schlössen sich aus Angst, Not und Unsicherheit Straßengangs an, um irgendwo dazuzugehören.

Terre des Hommes warnt vor den Folgen dieses Straßenlebens: Beim Betteln und Müllsammeln gerieten die Kinder oft mit giftigen Chemikalien und schädlichen Abfällen in Kontakt. Auch die Schadstoffe könnten bleibende Entwicklungsschäden verursachen, so das Kinderhilfswerk.

In den heruntergekommenen Vierteln und Slums sind viele Siedlungen zudem illegal, und den Familien droht jederzeit die Vertreibung. Bei den zunehmenden Naturkatastrophen wie Stürmen oder Überschwemmungen sind die instabilen Hütten besonders schnell zerstört.

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8 Kommentare

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  • J
    janz

    Es müsste nirgendwo auf dieser ungerechten Welt ein einziges Kind hungern,wenn diese gesetz,und gewissenlose Schicht der Reichen nur 5% von Ihrem meist ergaunertem Geld abgeben würden!

  • J
    janz

    Es müsste nirgendwo auf dieser ungerechten Welt ein einziges Kind hungern,wenn diese gesetz,und gewissenlose Schicht der Reichen nur 5% von Ihrem meist ergaunertem Geld abgeben würden!

  • J
    janz

    Es müsste nirgendwo auf dieser ungerechten Welt ein einziges Kind hungern,wenn diese gesetz,und gewissenlose Schicht der Reichen nur 5% von Ihrem meist ergaunertem Geld abgeben würden!

  • G
    gesche

    diese Kinder leben bereits in der Apokalypse, kapitalismusgemacht.

    Es wird noch schlimmer werden, wenn sich nichts ändert. Selbstschußanlagen um Reichenviertel? Und wer sich in deren Radius bewegt, ist selber schuld.

  • S
    suswe

    Solange Menschen schon am Anfang ihres Lebens so schlecht behandelt werden (und das auch noch aus Traditionsgründen) kann von Zivilisation nirgendwo die Rede sein.

  • S
    Stefan

    Menschen können sich (leider) nicht teilen. Es ist alles eine Frage der Prioritäten. Gerade unter den TAZ-Lesern setzen sich sehr viele für die armen Kinder im Gaza-Streifen ein, die ja unter einer vermeintlichen israelischen Besatzung so sehr leiden müssten (und nicht etwa unter der Politik der Eltern). Verdammte Zionisten.

    Das Problem der leidenen Kinder weltweit ist, dass man keinen Juden die Schuld für diese Situation in die Schuhe schieben kann. Pech gehabt. No Jews no news.

  • CS
    Christian Schnack

    Folgender Link zum Bericht funktioniert besser: http://www.unicef.ch/de/information/news/unicef_bericht__sowc_2012/

  • F
    Friederike

    Ich kann diese Bilder nur schwer ertragen. Die ganze Welt ist mit daran schuld. Es müsste nicht 1 Kind auf der Welt hungern oder im Dreck leben, wenn die Milliardäre und die Wirtschaft, die Politik nicht korrupt wäre und die Gelder,die für den übermässigen Luxus verprasst werden, sinnvoll eingesetzt würden.

     

    Gerade die Menschen in diesen Ländern leiden täglich, ob Indien, Afrika oder andere.

     

    Ebenso der Konsum der Menschen im Westen, da frage ich mich, warum so viel produziert wird, wenn es doch weggeworfen wird.

     

    Dann diese "billig-billig"Manier- seht mal den Film "schmutzige Schokolade".Die Kakaobohnen werden von versklavten Kindern geerntet, die nicht mal wissen, was Schokoklade ist oder wie sie schmeckt. Auch in der Türkei gibt es solche Kinder.( aber die Türkei will in die EU ). Einige EU Staaten dürften gar nicht drin sein, was die Menschenrechte angeht.

     

    Da gibt es keine Auflagen und nichts.

     

    Nur Spenden ist zuwenig, wenn man nicht weiss,was mit den Geldern gemacht wird.

     

    Die Menschen in Not sind genausoviel wert, wie wir. Warum gibt es keine Organisationen, die wirklich etwas unternehmen? Vielleicht weil es sich nicht lohnt? Kein Gewinn?