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Muslime distanzieren sichKeine Lust auf "Blockwart-Mentalität"

Die beiden großen muslimischen Verbände wollen mit Niedersachsens "Antiradikalisierungs-Programm" nichts zu tun haben. Den Verfassungsschutz-Chef "überrascht" das.

Verhüllt, wie es die Scharia gebietet: Zuhörerinnen des salafistischen Predigers Pierre Vogel. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die beiden großen muslimischen Verbände in Niedersachsen distanzieren sich von den Plänen von Innenminister Uwe Schünemann (CDU), ein „Antiradikalisierungs-Programm“ für junge Muslime einzurichten. „Dem als ’einzigartig in der Bundesrepublik‘ angepriesenen Projekt stehen wir sehr skeptisch gegenüber“, schreibt die staatlich-türkische Moscheengemeinschaft Ditib in einer Stellungnahme. Um junge Muslime, die sich radikalisierten, zu erreichen, setze Schünemann auf Hinweise auch von Moscheegemeinden. „Herr Schünemann hat damit leider immer noch nicht realisiert, dass diese Menschen nicht in unseren Moscheegemeinden anzutreffen sind“, so der Ditib-Landesverband.

Noch deutlicher wird der Landesverband der Muslime, die Schura Niedersachsen. Die Schünemann’sche Forderung, Arbeitgeber sollten „in gebotenen Einzelfällen konkrete fallbezogene Informationen“ an die Sicherheitsbehörden liefern, laufe darauf hinaus, „in Niedersachsen wieder eine Blockwart-Mentalität zu installieren“. Ein solches Denunziantentum stelle Muslime „unter Generalverdacht“ und dränge sie ins soziale Abseits.

Bei der Vorstellung des Projekts hatte Schünemann am Dienstag noch behauptet, er freue sich, „dass schon bei der Erarbeitung des Konzeptes muslimische Vertreter mitgewirkt haben“. Ditib und Schura halten dem entgegen, sie seien erst spät und auf eigenes Drängen zu den Gesprächen hinzugebeten worden. Erfahren hätten sie davon überhaupt nur zufällig. Ihre dann geäußerte Kritik sei nicht aufgenommen worden.

Schünemann reagierte auf die Kritik mit der Feststellung, es sei „bedauerlich, dass insbesondere die Ditib auf die Verweigerungshaltung der Bundesebene zurückfällt“. Der niedersächsische Verfassungsschutz-Chef Hans Wargel ließt mitteilen, der Anstoß zu dem Antiradikalisierungs-Konzept sei vom Schura-Vorsitzenden Avni Altiner gekommen. Schura und Ditib seien „intensiv“ über die Ziele und Inhalte des Präventions-Konzepts informiert worden und hätten Zustimmung signalisiert. Insofern sei er „überrascht“.

„Man kann eine Initiative ergreifen, und, wenn man mit dem Konzept nicht einverstanden ist, wieder aussteigen“, sagt Avni Altiner dazu. Er habe Wargel bei einem Essen getroffen und sei mit ihm übereingekommen, gemeinsam gegen die radikale salafistische Gemeinde in Braunschweig aufzutreten. Die sammele sich dort um den Prediger Muhamed Ciftci, Gründer des inzwischen aufgelösten Vereins „Einladung zum Paradies“.

Wie auch Vertreter der Ditib nahm Altiner darum im Juni 2011 am „4. Extremismus-Symposium Niedersachsen“ teil. „Auch wir erleben schmerzhaft das Abwerben junger hoffnungsvoller Muslime durch salafistische Kräfte“, erklärte er damals gegenüber dem NDR. Beim Symposium selbst bezeichnete er seine Teilnahme als „Zeichen der Kooperation, ja mehr noch: ein klares Zeichen des Bekenntnisses zur Demokratie“.

Von einem „Antiradikalisierungs-Programm“ sei damals nicht die Rede gewesen, sagt Altiner jetzt. Als er später davon erfuhr, fand er die Idee „befremdend“: „Am Arbeitsplatz, in der Schule sollen Leute beobachtet werden“, sagt er. „An was erinnert Sie das?“

Innenminister Schünemann lässt sich von all dem nicht erschüttern. Er sei, ließ er ausrichten, „gesprächsbereit und guter Dinge“.

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12 Kommentare

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  • D
    Dirk

    @ceyhan:

    Selten habe ich im taz-Forum so einen abgrundtief dummen Vergleich gelesen.

  • F
    FreeSpeech

    Man braucht sich die Erklärung des DITIB nur genau anzusehen:

    Der DITIB ist dagegen, dass der Verfassungsschutz die leitende Hand hat bei Konzepten und Massnahmen des Verfassungsschutzes.

     

    Das sagt wohl alles.

  • C
    ceyhan

    Einzelnen Muslimen die angebliche "Radikalität" nehmen zu wollen heißt, die Axt an die Wurzel der verfassungsrechtlich geschützten Religionsfreiheit zu legen. Wehret den Anfängen. Das gabe es alles schon einmal in Deutschland.

  • H
    Hans

    Das „Antiradikalisierungs-Programm“ ist für das Standing des Landesamts und die Karriere ihrer Führungsschicht bedeutsam. Dass es jemals zu Ergebnissen führt, halte ich für schlicht unmöglich. Zumal die radikalen Kräfte sich dem aus Prinzip verweigern werden. Gerade nach der Vertrauenskrise durch die NSU und die Verstrickungen des Verfassungsschutzes ist es doch idiotisch zu glauben, dass Muslime in Moscheen oder bei der Arbeit sich als Denunzianten gegen Personen betätigen werden, die noch nicht mal im engeren Sinne kriminell oder gewalttätig sind, sondern dies vielleicht werden könnten. Vielleicht aber auch nicht?

     

    Deswegen könnte ein gutes Gespräch und gute Argumente unter Muslimen ohne Staat vielleicht wirksamer sein/werden als so ein Programm. Und viele radikale Menschen normalisieren sich über die Jahre, über ihre persönliche Situation, Familie und Ehe - auch das ist lange bereits bekannt und Teil der Forschung, die m.M. wieder mal ignoriert wurde, jedenfalls sieht es danach aus. Zwar stellen einige al-Qaida-Figuren genau das Gegenteil dar, leben mit mehreren Frauen und einer Scharr von Kindern im Untergrund, aber das wird in Deutschland nun wirklich schwierig.

  • EM
    Extreme Moslems - nie welche gesehen!

    Das Programm ähnelt den sonstigen Extremismusprogrammen und ist deshalb zweifelhaft.

     

     

    Allerdings die Aussagen von Ditib

     

    „Herr Schünemann hat damit leider immer noch nicht realisiert, dass diese Menschen nicht in unseren Moscheegemeinden anzutreffen sind“

     

    - ist eine glatte Lüge und kann als solche auch benannt werden.

     

    Warum sollte/muss - bzw. wie kann die Ditib das ausschließen. Wie wollen sie eine derartige Aussage absichern. Ich kann noch nichtmal die Hand dafür ins Feuer legen, dass ein extremistischer Moslem mal in einer Kathedrale anzutreffen ist. Wo sonst gehen Moslems (auch extreme oder national gesinnte) hin, wenn nicht in die Moschee?

  • T
    TrueManShow

    Die DITIB sollte man verbieten...Graue Woelfe und radikale Wannabe-Moslems haben hier nix zu suchen!

     

    Pazifist

  • D
    Dirk

    @ceyhan:

    Selten habe ich im taz-Forum so einen abgrundtief dummen Vergleich gelesen.

  • F
    FreeSpeech

    Man braucht sich die Erklärung des DITIB nur genau anzusehen:

    Der DITIB ist dagegen, dass der Verfassungsschutz die leitende Hand hat bei Konzepten und Massnahmen des Verfassungsschutzes.

     

    Das sagt wohl alles.

  • C
    ceyhan

    Einzelnen Muslimen die angebliche "Radikalität" nehmen zu wollen heißt, die Axt an die Wurzel der verfassungsrechtlich geschützten Religionsfreiheit zu legen. Wehret den Anfängen. Das gabe es alles schon einmal in Deutschland.

  • H
    Hans

    Das „Antiradikalisierungs-Programm“ ist für das Standing des Landesamts und die Karriere ihrer Führungsschicht bedeutsam. Dass es jemals zu Ergebnissen führt, halte ich für schlicht unmöglich. Zumal die radikalen Kräfte sich dem aus Prinzip verweigern werden. Gerade nach der Vertrauenskrise durch die NSU und die Verstrickungen des Verfassungsschutzes ist es doch idiotisch zu glauben, dass Muslime in Moscheen oder bei der Arbeit sich als Denunzianten gegen Personen betätigen werden, die noch nicht mal im engeren Sinne kriminell oder gewalttätig sind, sondern dies vielleicht werden könnten. Vielleicht aber auch nicht?

     

    Deswegen könnte ein gutes Gespräch und gute Argumente unter Muslimen ohne Staat vielleicht wirksamer sein/werden als so ein Programm. Und viele radikale Menschen normalisieren sich über die Jahre, über ihre persönliche Situation, Familie und Ehe - auch das ist lange bereits bekannt und Teil der Forschung, die m.M. wieder mal ignoriert wurde, jedenfalls sieht es danach aus. Zwar stellen einige al-Qaida-Figuren genau das Gegenteil dar, leben mit mehreren Frauen und einer Scharr von Kindern im Untergrund, aber das wird in Deutschland nun wirklich schwierig.

  • EM
    Extreme Moslems - nie welche gesehen!

    Das Programm ähnelt den sonstigen Extremismusprogrammen und ist deshalb zweifelhaft.

     

     

    Allerdings die Aussagen von Ditib

     

    „Herr Schünemann hat damit leider immer noch nicht realisiert, dass diese Menschen nicht in unseren Moscheegemeinden anzutreffen sind“

     

    - ist eine glatte Lüge und kann als solche auch benannt werden.

     

    Warum sollte/muss - bzw. wie kann die Ditib das ausschließen. Wie wollen sie eine derartige Aussage absichern. Ich kann noch nichtmal die Hand dafür ins Feuer legen, dass ein extremistischer Moslem mal in einer Kathedrale anzutreffen ist. Wo sonst gehen Moslems (auch extreme oder national gesinnte) hin, wenn nicht in die Moschee?

  • T
    TrueManShow

    Die DITIB sollte man verbieten...Graue Woelfe und radikale Wannabe-Moslems haben hier nix zu suchen!

     

    Pazifist