Bürgerkrieg in Syrien: Bizarres vom Assad-Clan
Tausende von geleakten Mails des syrischen Präsidentenpaares offenbaren die Absurdität eines Diktatorendaseins. Und den großen Einfluss Irans.
BERLIN taz | Zum Jahrestag des Aufstandes gegen den Assad-Clan in Syrien sind Kopien von E-Mails aufgetaucht, die das ebenso abgehobene wie bizarre Leben des Diktatorenehepaars an der Spitze des syrischen Staates bloßstellen. Nach eigenen Angaben hat die britische Zeitung Guardian mehr als 3.000 private E-Mails aus dem Umkreis der Assad-Familie erhalten, die sowohl banale als auch hochpolitische Vorgänge beleuchten sollen.
Diese E-Mails wurden laut Guardian allerdings nicht von Hackern geknackt, sondern von einem „Verräter“ im inneren Zirkel der Macht an die Öffentlichkeit weitergeleitet. Im Kern besagen die Schriftstücke, dass Präsident Baschar al-Assad sich vom verbündeten Iran Rat einholte, wie der Aufstand am besten zu bekämpfen sei. Zum anderen geht aus dem digitalen Schriftverkehr hervor, dass sich Assads Ehefrau Asma einen ausschweifenden Lebensstil leistete, während die Menschen in Syrien dem Hunger und allzu oft auch dem Tod preisgegeben waren.
Am Vortag einer geplanten öffentlichen Rede im Dezember sollen iranische Quellen dem syrischen Präsidenten geraten haben, eine „kraftvolle und gewalttätige Sprache“ zu benutzen, um seine persönliche Entschlossenheit unter Beweis zu stellen. Auch sollte Assad die „militärischen Fähigkeiten des eigenen Regimes“ nach außen lancieren, um den Eindruck zu bestärken, dass er in der Lage sei, den Aufstand auch militärisch zu bezwingen.
Laut den E-Mails soll auch der Berater der iranischen Botschaft Assad aufgefordert haben, die „Sicherheit zu verschärfen“ und die staatliche Kontrolle über bestimmte Regionen wiederzuerlangen. Demnach war Assad auch von Beginn an über die Anwesenheit ausländischer Journalisten in Homs und insbesondere im Stadtteil Baba Amr informiert. Im Februar waren zwei Journalisten aus den USA und aus Frankreich bei Angriffen der syrischen Armee ums Leben gekommen. Dieser Stadtteil wurde im März von den Truppen Assads nach wochenlanger Belagerung eingenommen.
Designerware übers Internet
Namentlich erwähnt der Guardian ferner den libanesischen Geschäftsmann Hussein Mortada, der Assad im Auftrag des Irans den Rat gegeben haben soll, einen doppelten Autobombenanschlag in Damaskus nicht länger al-Qaida zuzuschreiben, weil dies „ein katastrophaler taktischer propagandistischer Fehler“ sei. Diese Weisung sei sowohl von Iran wie auch von der Hisbollah gekommen.
Assads Frau Asma soll sich laut den Mails Dutzende Designerwaren über das Internet bestellt haben. Dazu zählten Kerzenhalter, Tische, Kronleuchter und andere Luxuswaren. Selbst im britischen Edelkaufhaus Harrods soll die First Lady aus Damaskus problemlos eingekauft haben, wie aus einer Shopping-List hervorgeht. Geldsorgen hatte die Sippschaft dabei nicht.
10.000 britische Pfund für Kronleuchter, eine Blumenvase für 2.650 Pfund und 3.800 Pfund für diamantbesetzte Damenschuhe gingen über den Counter. Neben den Shopping-Eskapaden soll Asma al-Assad auch eine interessante Korrespondenz mit der Tochter des Emirs von Katar aufrechterhalten haben. Demnach soll die Tochter namens Majassa al-Thani dem Ehepaar Assad nahegelegt haben, doch das Land zu verlassen und die Macht in Syrien aufzugeben.
Angeblich schrieb sie am 11. Dezember 2011: „Die Gelegenheit für einen wirklichen Wandel und für eine neue Entwicklung wurde vor langer Zeit verpasst. Nichtsdestotrotz, wenn sich ein Fenster schließt, geht ein anderes auf. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät für neue Überlegungen und das Aufgeben des Status der Negation.“ Leider wurde dieser Ratschlag bislang von den Assads ignoriert.
Während seine Frau auf Shoppingtour war, suchte der präsidiale Ehemann nach einem Lied für seine Angetraute. Auf iTunes soll er ein Lied des US-Country-Sängers Blake Shelton gekauft haben. Und zwar genau einen Tag nach einem der fürchterlichsten Bombardements der Stadt Homs, bei dem Hunderte Zivilisten ihr Leben verloren. In dem Song heißt es: „Ich bin ein wandelnder Herzschmerz / Ich habe es ganz schön verbockt / Der Mensch, der ich jetzt bin / Ist nicht der, der ich sein will.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen