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Erklärung des Sicherheitsrats zu SyrienDer kleinste gemeinsame Nenner

Der Sicherheitsrat der UN hat sich nach monatelangem Streit auf eine Präsidentielle Erklärung geeinigt. Sie ist rechtlich nicht bindend. Die Offensive der syrischen Armee dauert indes an.

Rebellen in Idlib treten ein Bild Assads mit Füßen. Bild: dapd/Amateurfoto

BEIRUT/KAIRO/JAKARTA dpa/dapd | Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich nach monatelangem Streit auf eine Erklärung zu Syrien geeinigt und sie am Mittwoch verabschiedet. Allerdings handelt es sich nur um eine sogenannte Präsidentielle Erklärung, die nicht die Bedeutung einer Resolution hat. In dem Papier werden Regierung und Opposition zu einem sofortigen Ende der Gewalt aufgerufen. Dem Syrien-Beauftragten Kofi Annan wird die volle Unterstützung zugesagt.

Mit Blick auf Russland und China hatte Frankreich seinen Entwurf einer Präsidialerklärung des UN-Sicherheitsrats zu Syrien abgeschwächt. Die ursprüngliche Vorlage sah vor, dass der Rat die Umsetzung eines Sechs-Punkte-Plans des Sondergesandten Kofi Annan innerhalb von sieben Tagen überprüfen soll und bei mangelnden Fortschritten „weitere Maßnahmen“ erwägt. In der überarbeiteten Version vom Dienstag wird diese Drohung fallengelassen.

Statt dessen wird Annan gebeten, den Rat regelmäßig über die Fortschritte seiner Mission zu unterrichten. „Im Licht dieser Berichte wird der Sicherheitsrat, soweit erforderlich, weitere Schritte erwägen.“

Russland hatte zuvor Zustimmung zu einer UN-Erklärung signalisiert, die Annans Plan für Syrien unterstützt. Sie dürfe allerdings kein Ultimatum an die syrische Regierung darstellen, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Eine Präsidialerklärung benötigt die Zustimmung aller 15 Mitglieder des Sicherheitsrats. Sie ist allerdings rechtlich nicht bindend.

Offensive geht weiter

Syriens Regime setzt indes seine Offensive in den Protesthochburgen fort. Wie die oppositionelle Freie Syrische Armee der Deserteure am Mittwoch erklärte, sind die regierungstreuen Soldaten inzwischen nach Deir as-Saur an der Grenze zum Irak vorgerückt. Zuvor habe die Armee der Fahnenflüchtigen die Region verlassen, um ein Massaker an Zivilisten zu verhindern, hieß es.

Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete zudem über einen Selbstmordanschlag in der Provinz Daraa, bei dem zahlreiche Sicherheitskräfte getötet worden seien. Wegen der Medienblockade sind solche Berichte nur schwer zu überprüfen.

In der syrischen Herrscherfamilie gibt es nach Informationen aus Oppositionskreisen derweil hitzige Debatten über das Für und Wider einer Exil-Lösung. Das in Syrien gut vernetzte Nachrichtenportal All4Syria aus Dubai berichtete, Assads Mutter Anisa Machluf wolle, dass die gesamte Familie das Land verlasse. Vorher sollten Russland und die USA dem Assad-Clan und seinen engsten Getreuen garantieren, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werden.

Die Witwe des früheren Präsidenten Hafis al-Assad habe an das Schicksal des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi erinnert, den Rebellen getötet hatten. Andere Angehörige des mächtigsten Assad-Clans sollen sich jedoch laut Informationen aus dem Präsidentenpalast strikt gegen die Exil-Idee ausgesprochen haben. Eine unabhängige Überprüfung dieses Berichts war nicht möglich.

Islamisten bekennen sich zu Anschlägen in Damaskus

Die islamistische al-Nusra-Front hat die Verantwortung für die Bombenanschläge in der syrischen Hauptstadt Damaskus übernommen, bei denen am Samstag 27 Menschen getötet wurden. Die Gruppe bekannte sich in einer im Internet veröffentlichten Erklärung zu „einer Reihe militärischer Einsätze“ gegen Regierungsgebäude, darunter die Anschläge auf die Geheimdienstzentrale der Luftwaffe und die Kriminalpolizei in Damaskus, wie das auf die Überwachung islamistischer Websites spezialisierte US-Unternehmen SITE am Mittwoch mitteilte.

Die Anschläge seien eine „Vergeltung für das anhaltende Trommelfeuer“ auf Bezirke in den Rebellenhochburgen Homs, Idlib, Hama und Daraa, hieß es laut SITE in der Erklärung weiter. Die Gruppe drohte demnach mit weiteren Angriffen und forderte die syrische Führung auf, ihre „Massaker an Sunniten“ zu beenden. Die syrische Bevölkerung ist mehrheitlich sunnitisch geprägt. Der Führungszirkel und Staatschef Baschar al-Assad gehören aber den Alawiten an, einer schiitischen Gemeinde.

Die dschihadistische al-Nusra-Front hatte erstmals im Januar von sich Reden gemacht und über ihren Anführer Abu Mohammed al-Dschulani zum Kampf gegen die Führung in Damaskus aufgerufen. Sie übernahm bereits die Verantwortung für ein Attentat in Damaskus im Januar mit 26 Toten sowie ein weiteres in Aleppo im Februar mit 28 Toten. Für die Anschläge vom Samstag, bei denen die Kriminalpolizei und der Geheimdienst der Luftwaffe angegriffen wurden, hatten sich Regierung und Opposition gegenseitig verantwortlich gemacht.

Ban fürchtet weltweite Auswirkungen

Der „extrem gefährliche“ Konflikt in Syrien könnte nach Einschätzung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon weltweite Auswirkungen haben. „Wir wissen nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden“, sagte Ban am Mittwoch in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. „Wir wissen aber, dass wir alle die Verantwortung haben, auf eine Lösung dieser tiefen und extrem gefährlichen Krise hinzuarbeiten.“ Die Unruhen könnten Folgen für die Region und die Welt haben.

Die Vereinten Nationen und die Arabische Liga beriefen unterdessen den früheren Chef der UN-Friedenstruppe Jean-Marie Guehenno zum zweiten Stellvertreter des Syrien-Gesandten Annan. Der frühere französische Diplomat und Professor der Columbia-Universität tritt damit an die Seite des ehemaligen palästinensischen Außenministers und UN-Beobachters Nasser al Kidwa.

Der Aufstand gegen den syrischen Präsidenten Baschar Assad dauert seit mehr als einem Jahr an. Der Konflikt hat bisher nach Schätzungen der UN mehr als 8.000 Menschen das Leben gekostet.

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