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Kommentar zum BMW Guggenheim LabMit dem Gaspedal gespielt

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Eine Frage der Sicherheit? Die Begründung des Lab für den Rückzug aus Kreuzberg ist fragwürdig.

E in bayerischer Autobauer will gemeinsam mit einem der größten Kulturimperien Visionen entwickeln lassen, wie die Stadt der Zukunft aussehen soll und welche Bedürfnisse deren Bewohner haben könnten. Das ist – ganz offiziell – der Anspruch des BMW Guggenheim Lab, dafür tourt es um die Welt. Allerdings geht es wohl nicht um die Bedürfnisse aller Bewohner einer Stadt, sondern nur jener, die sich die edlen Autos aus Bavaria auch leisten können. Anders ist die überraschende Absage an den Standort Kreuzberg nicht zu verstehen.

Denn die Gefährdungseinstufung der Polizei, die die Macher als Grund für ihren Rückzug anführen, enthält wenig mehr als das, was auch für jeden Hausbesitzer in der Innenstadt und jeden Veranstalter einer kontroversen Debatte gilt: Es könnte, so die Sicherheitsbehörden, zu Sachbeschädigungen kommen, also etwa Graffiti. Menschen, die vielleicht nicht zu einer Debatte eingeladen wurden, aber trotzdem glauben, etwas dazu beitragen zu können, äußern ihre Meinung. So weit, so Kreuzberg, so Berlin, so fast überall.

Lebhafte Debattenkultur?

Und so sogar das „Lab“: Selbst in der Absage betonen die Macher noch, dass sie eigentlich eine „lebhafte Diskussionskultur befürworten“ und dass dabei „unterschiedlichste Standpunkte“ berücksichtigt werden sollen. Das ist auch unvermeidlich, schließlich wollen sie nicht weniger definieren als das Leben von morgen. Wer da Angst hat vor einem Kratzer im Kotflügel respektive ein paar Farbbeuteln an der Fassade, sollte künftig besser harmlosere Debatten à la „Brauche ich meinen kleinen Stadtflitzer wirklich?“ anstoßen. Und das nicht in Mumbai oder Berlin, sondern in Dingolfing.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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6 Kommentare

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  • H
    haha

    Da haben die Kreuzberger "Ureinwohner" ihren Kietz ja erfolgreich vor den bösen Großindustriellen verteidigt. Besitzstand (wenn auch nicht Eigentum) an Grund und Boden gewahrt. Hurra!

    Ist das (http://www.youtube.com/watch?v=WzxMbRx6XN8) die Vorstellung von Demokratie, die in Kreuzberg herrscht? Diktatur des Proletariats ist angesagt.

    Am besten ihr baut eine Mauer um Kreuzberg, dann stört keiner mehr.

  • S
    Stefan

    Hey Neville,

     

    Artikel und Kommentar nicht gelesen?

     

    "Es ist ein Unding, dass eine Einrichtung nicht entsteht, weil deren Philosophie "nicht den Bedürfnissen der Bewohner" entspricht!" - das steht da aber gar nicht. Da steht die BMW-Bonzen haben sich dagegen entschieden, ihren Mist in Kreuzberg zu bauen. Wer mit Beton was sagt, muss halt - wie überall, wo es noch Reste von Freiheitsdenken gibt - damit rechnen, dass man mit ein wenig Farbe antwortet. Da jetzt gleich den Blockwart und die deutsche Mentalitätsgeschichte zu bemühen... ham'ses nich' ne Nummer kleener? Außerdem ist ihr Einsatz für freie Debattenkultur wohl blind für die Tatsache, dass diejenigen, um die es geht in diesen Konzeptionen der neuen Stadt, daran gar nicht teilnehmen können. Solche Debatten zementieren nur den Status quo und verleihen den Phantasien von Vertretern gesellschaftlich schädlicher Abzockerklassen nur Pseudolegitimität.

  • EP
    Emma Piel

    Seit wann lässt sich ein Großkonzern wie BMW so leicht einschüchtern?

     

    Das bischen Protest gegen ihr Autopropaganda-Lab- Kulturgetue war ja wohl vom Ausmaß her ebenso lachhaft wie es inhaltlich richtig war.

     

    Die Proteste als Grund für die Absage zu nehmen scheint mir von BMW/Guggenheim nur vorgeschoben zu sein.

     

    Hier soll wohl ein Bezirk ins schlechte öffentliche Licht gerückt werden, weil hier viele parteiunabhängige BewohnerInnen noch überzeugt für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung eintreten und gegen den laufenden Ausverkauf Berlins an Konzerne und Investoren sind.

  • N
    Neville

    @ Typ!

    "komm mal klar! es geht um gentrifizierung. ein soziales phänomen innerhalb urbaner ballungsräume. um "diktatur" und "kalten krieg" geht´s vielleicht in deinem vernebelten, hyterisierten hirn."

     

    Sie sind der beste Beweis, dass ich recht habe. Wer nicht bereit ist, sich mit Argumenten auseinander zu setzen, der ist nicht demokratiefähig.

     

    Sie benutzen die Totschlagparole "Gentrifizierung". Das ist kein Argument, denn Sie wollen nicht - und können es offensichtlich auch nicht - darlegen, in wie fern ein Diskussionsforum Menschen vertreibt, auch wenn da Hypothesen erörtert werden, die Ihrem Weltbild widersprechen.

     

    Ich sage es noch mal: Emanzipation fängt im eigenen Kopf an. Es geht darum, sich inhaltlich auseinander zu setzen. Wer das nicht tut, kann nur verlieren.

  • T
    typ!

    "Wer Gewaltdrohungen als "Kratzer im Kotflügel" oder "Farbbeutel an der Fassade" bezeichnet, stellt sich auf einer Stufe mit Personen, die ihre persönliche Diktatur durchsetzen wollen."

     

    komm mal klar! es geht um gentrifizierung. ein soziales phänomen innerhalb urbaner ballungsräume. um "diktatur" und "kalten krieg" geht´s vielleicht in deinem vernebelten, hyterisierten hirn.

  • N
    Neville

    Es ist ein Unding, dass eine Einrichtung nicht entsteht, weil deren Philosophie "nicht den Bedürfnissen der Bewohner" entspricht!

     

    So etwas heißt: "Denkverbote!"

     

    Wer Gewaltdrohungen als "Kratzer im Kotflügel" oder "Farbbeutel an der Fassade" bezeichnet, stellt sich auf einer Stufe mit Personen, die ihre persönliche Diktatur durchsetzen wollen.

     

    Schulz stellt sich somit gegen alles, wofür emanzipatorische Initiativen seit über 40 Jahren kämpfen.

    Vielmehr ist seine Haltung nicht anders als die kleinkarierte und kleinbürgerliche Bockwart-Attitüde, die in Deutschland die letzten 100 Jahren vorherrschend war.

     

    In den Zeiten des Kalten Krieges besagte diese: "Geh doch nach drüben, wenn's dir hier nicht passt!".

     

    Schulz sagt: "Geh doch nach Dingolfing!"

     

    Wo ist da der Unterschied?