piwik no script img

Die WahrheitDie Schlaglocher

Wie das Leipziger G-Team mit allen Mitteln um seinen bedrohten Stadtteil kämpft: "Schleußig bleibt scheußlich!"

Kaum ist ein Schlagloch beseitigt, reißen die wackeren Streetworker auch schon wieder ein neues auf. Bild: dpa

„Immobilienhaie, lasst die Flossen von uns!“ und „Schleußig bleibt scheußlich“ steht auf einem großen Banner, das quer über die Straße im Leipziger Stadtteil Schleußig gespannt wurde. Seitdem der bekannte Immobilienhai Rico K. die Stadt öffentlich als das neue Berlin bezeichnet hat, kaufen und sanieren die internationalen Finanzinvestoren, was ihnen unter die Finger kommt.

„Eine Katastrophe“, jammert die alleinerziehende Cindy Potzewitz, die seit jeher mit ihrem kleinen Sohn Kevin und ihren Eltern in Schleußig wohnt. Doch noch gibt es Hoffnung. „Hätten wir das G-Team nicht, wären wir schon alle weg“, sagt Cindy und zeigt auf vier vermummte Gestalten, die im selben Moment aus dem Schatten eines frisch sanierten Altbaus treten.

Sie nennen sich selbst das G-Team, die Antigentrifizierungseinheit. Ihre Waffen sind Hammer und Meißel, mit denen sie, kaum das die Straßenbauer abgezogen sind, den noch frischen Asphalt bearbeiten. Frei nach dem Motto „Jedes Schlagloch ist ein gutes Schlagloch“ behauen sie die Oberfläche so lange, bis sie wieder aussieht wie vorher.

„Wir sind das Sondereinsatzkommando der Gerechtigkeit“, sagt ihr Anführer Carlos Strotz (Name von der Redaktion geändert) mit Pathos in der Stimme, während er eine geeignete Stelle für seinen Meißel sucht. Er findet sie unweit einer Einfahrt. „Wenn ich hier ein Loch schlage, wird es durch das Ein- und Ausfahren der Autos schnell größer.“

Carlos selbst hat 16 Semester Anglistik studiert, ist derzeit auf Arbeitssuche und wohnt seit Beginn seines Studiums in diesem Viertel. „Durch die Sanierungen und Umgestaltungen schießen die Mieten immer weiter in die Höhe, das kann sich kein Normalbürger mehr leisten“, erklärt er, der sich als Robin Hood der alteingesessenen Mittel- und Unterschicht versteht.

Doch das Bearbeiten der Straßen allein reicht schon lange nicht mehr. „Wir versuchen das Viertel durch gezielte Negativaktionen in die Schlagzeilen zu bringen“, betont Carlos und zeigt auf die qualmenden Reste eines ausgebrannten Autos am Ende der Straße. „Das war der alte Trabant meiner Mutter, der sollte eh in die Schrottpresse. Wir haben ihn vorgestern Nacht hierher geschleppt und angezündet. Heute ist der gebrauchte Trampeltrecker von meinem Bruder dran.“

Allerdings kommen die Mitglieder des G-Teams schon lange nicht mehr hinterher. „Es gibt vier von uns, aber hunderte von Straßenbauern“, erklärt Carlos und spricht von „Capacity Limitation“: „So viel wie hier saniert und neu gemacht wird, dagegen kommen wir nicht an.“ Seit einigen Monaten arbeiten die vier deshalb mit Subunternehmern zusammen. Zu ihren Mitarbeitern zählen einfache Streetart-Sprüher ebenso wie professionelle Schauspieler, die nachts Überfälle und Vergewaltigungen in den anliegenden Parks nachstellen, um die Kriminalitätsstatistik in die Höhe zu treiben. „Gewalt ist eine Lösung“, sagt Carlos überzeugt. „Natürlich nur, solange sie gespielt ist.“

In ihrem Kampf gegen das Böse gibt es keine Tabus. „Wir arbeiten sogar mit einem ehemaligen NVA-Mitglied zusammen“, verrät er und zeigt auf eine zerschossene Hauswand. Der „Ballermann“, wie sie ihn nennen, kommt einmal in der Woche nach Einbruch der Dunkelheit und beschießt Fassaden mit einem Gewehr.

„Dabei achtet er darauf, dass nur die äußere Fassade beschädigt wird. Fenster und Isolierung bleiben heil“, beruhigt Carlos eine ältere Dame aus dem Viertel, die sich zu uns gesellt hat. Anders wäre diese radikale Vorgehensweise den bedrohten Bewohnern Schleußigs auch nicht zu vermitteln. „Wir wollen zwar alle hier wohnen bleiben, aber keiner von uns will im Winter frieren. Einmal Krieg ist genug“, sagt die Dame und verschwindet wenig später in dem zerschossenen Haus.

Lange funktionierte die Antigentrifizierungstaktik des G-Teams hervorragend. Doch seitdem Schleußig Thema einer Fernsehreportage in der ARD war, nimmt das Interesse an diesem Stadtteil trotz oder gerade wegen all der G-Team-Maßnahmen immer weiter zu.

„So hatten wir uns das nicht vorgestellt“, sagt Carlos kopfschüttelnd und zeigt auf einen gestriegelten Mann im Anzug, der seinen Porsche mitten auf der Straße zum Stehen bringt, die Fahrertür aufreißt und mit einem ängstlichen Lächeln auf allen vieren zum Hauseingang robbt.

„Es ist über kurz oder lang ein auswegloser Kampf“, ahnt auch Carlos. „Aber eine Alternative gibt es nicht“, seufzt er, der Robin Hood Schleußigs, und meißelt weiter. So lange, bis die Straßenbauer mit ihren Maschinen kommen und alles wieder von vorn beginnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • H
    Helga

    Das Thema ist wirklich nennenswert aber der Artikel ist äußerst schlecht geschrieben. Was soll das denn für ein Genre bedienen? Thematik bitte nochmal mit besserer schreibart.

  • G
    Gustl

    Äh, ja, ganz witzig. Gute Satire darf auch heikle Themen bearbeiten, aber dafür ist der Artikel irgendwie nicht gut genug.

  • H
    HCL

    Dadurch verstehe ich endlich die Bayreuther stadtgestaltenden Baumaßnahmen seit den 60er Jahren: die Stadt verunstalten, da eine unansehliche Stadt den Zuzug begrenzt, dadurch die Mieten niedrig hält und die Wertsteigerung der Immobilien begrenzt. Ganz schön clever für ne Universitäts- und Festspielstadt, und ein weiteres Beispiel für den Unterschied zwischen Ossis und Wessis.

  • F
    _florian

    Aha. Ja. Und. Soll das jetzt witzig sein, oder was will uns der Autor damit sagen? Dass die ganze Gentrifizierungsdebatte nicht so ernst zu nehmen ist und es okay ist, wenn inzwischen tatsächlich auch in Leipzig sich nur noch Wohlhabende zentrumsnahe Wohnungen leisten können? Toll, taz. Nur weiter so.