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Kommentar City-Verbot für JugendlicheBüttel des Einzelhandels

Kommentar von Kai von Appen

Die SPD setzt eins drauf: Waren es früher Bettler, Obdachlose und Punks, sind es nun Jugendliche, die City-Verbot erhalten.

E s war vielleicht nicht anders zu erwarten, schockierend ist es dennoch. Die Polizei unter der Leitung des Innenstadt-Kommissariats erneuert nicht nur unter sozialdemokratischer Führung in Hamburg ihre alte Politik, bestimmte soziale Gruppen im Interesse des Einzelhandels zu vertreiben.

Im Gegenteil: Die Polizei setzt nun unter SPD-Regentschaft noch einen drauf. Waren es vor 2009 Bettler, Obdachlose und Punks, sind es nun Jugendliche - da sie vielleicht einen migrantischen Hintergrund haben und temperamentvoller auftreten. Es sollen also Menschen aus der Innenstadt verbannt werden, die nicht zur kaufkräftigen Schicht gehören.

Um es klar zu sagen: Jeder hat das Recht, eine öffentliche Straße oder öffentlichen Platz aufzusuchen und sich dort aufzuhalten. Und es gibt sicher wichtigere Aufgaben für die Polizei, als Jugendliche ins Visier zu nehmen. Und selbst wenn es erneut ein Alleingang der Hamburger Polizei sein sollte, trägt SPD-Innensenator Michael Neumann für das Polizei-Agieren die politische Verantwortung.

Und noch eines: Wenn mit der Abschreckung von Touristen durch Jugendliche und Heranwachsende argumentiert wird, ist das absoluter Humbug. Touristen vom Lande kommen auch nach Hamburg, weil sie das Leben in einer Großstadt erleben wollen. Und dazu gehört nun mal der Trubel, der mancherorts durch Jugendliche und Jugend-Cliquen erzeugt wird.

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Hamburg-Redakteur
Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung
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7 Kommentare

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  • HH
    Hergen Hillen

    Wohl niemand hätte es je für möglich gehalten, dass die reine Zusammenkunft von Jugendlichen zu einem Delikt von Tragweite erklärt werden könnte. Es geht hier nicht um Drogenhandel, Straßenprostitution, Taschendieberei oder Kleinkriminalität jeglicher Art. Nein, es geht um ein typisches und in früheren Jahren von der Gesellschaft gern gesehenes Verhalten Jugendlicher, sich treffen, sich unterhalten, Freundschaften pflegen und Spaß haben. Aber jede Gesellschaft produziert ihre "Abweichler" um der eigenen Stabilität willen. Normabweichler sind in diesem Fall diejenigen, die sich nicht den Konsumzwängen unterwerfen wollen. Der nächste Schritt wäre vielleicht, dass nur noch diejenigen einen Eintritt in die Innenstadt erhalten, die auch tatsächlich etwas kaufen. Eine Mindestkauf im Wert von 10,00 Euro wäre vielleicht angemessen, um den Anschein zu wecken, dass selbst Menschen mit einem geringen Einkommen das Recht haben, die Innenstadt zu betreten, und um den Profitinteressen der Einzelhandelskonzerne zu genügen.

    Angesichts der in den vergangenen Wochen kursierenden Pläne, finanzielle Mittel in der offenen Jugendarbeit einzusparen und offene Jugendeinrichtungen zu schließen, sind die Polizeiaktionen geradezu eine Karikatur sozialdemokratischer Wahlkampfversprechen und ein Anschlag auf eine offene und freie Gesellschaft. Man fragt sich, an welchen Orten sich Jugendliche dann überhaupt noch treffen sollen, wenn nicht auf öffentlichen Plätzen. Alle Welt soll sich dem Glaubensbekenntnis des Konsums unterwerfen.

    Und wieder einmal dienen Jugendliche mit Migrationshintergrund als Sündenböcke, denen abwechselnd mangelnder Integrationswille bis hin zur Islamisierung oder wie in diesem Fall ein Hang zu Alkoholkonsum und Aggressivität unterstellt wird. Diese Art der Stigmatisierung konterkariert jegliche Integrationsbemühungen. Einmal mehr zeigt sich, dass an den Grundfesten einer repressiven Polizeipolitik auch unter einem SPD-Senat nicht gerüttelt wird. Die Strippen ziehen hier bestimmt andere Akteure und nicht Innensenator Michael Neumann, der ähnlich farblos und bieder wirkt wie sein Vorgänger Christoph Ahlhaus.

  • R
    ron

    das ist so blöd das mir nicht mehr viel dazu einfällt.hamburg zieht langsam ganz weit rechts an münchen vorbei

  • MH
    Mario H.

    Immer diese halbgaren Ideen. Die können doch viel besser Eintritt in die City verlangen. Sowas wer da nicht arbeitet 10 Euro am Tag. Dann ist man auch gleich die ganzen nervigen Leute los, die nur gucken wollen. Und die Touris leisten sich das sicher gern.

  • RA
    robert arnold

    Eine derart repressive Taktik der Polizei zu kritisieren, ist sicher angebracht. Gleichzeitig aber die Situation vor Ort als "Trubel" zu romantisieren, verkennt meiner Meinung nach die wirkliche Lage. Ich weiß ja nicht, ob Sie sich dort schon öfter mal abends aufgehalten haben, aber das Posieren mit Waffen und sexuelle Belästigung von vorbeilaufenden Frauen (beides schon dort beobachtet) ist sicher nicht das, was Touristen, oder sonst irgendjemand, am Großstadtleben schätzen. Und da sich derartige Szenen eher nach Ladenschluss ereignen, dürften die Interessen des Einzelhandels wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen.

  • I
    Interpretator

    Was heisst "temperamentvoller"? Mehr Pöbeln, agressiveres Auftreten? Ich war vor einem Jahr einen Tag lang in Hamburg und das "temperamentvollere" Auftreten bestand in einer solchen Anspruchshaltung gegenüber dem öffentlichen Raum, dass man als Einzelner lieber einen Umweg machte. Und wenn sich grosse Teile der Bevölkerung eingeschüchtert und belaestigt fühlen, sollte man das schon ernstnehmen.

  • D
    dennis

    jugendliche sind auch touristen. und die kaufkraft von morgen. schonmal darüber nachgedacht hamburg?

  • WB
    Wolfgang Banse

    Wehret den Anfängen

    Wieder wird ii der Hansestadt Hamburg Jagd gemacht auf Menschen,die nicht in das Innenstadtbild der Hansestadt Hamburg passt.was Bettler,Obdachlose und Jugendliche betrifft.Ist das wirklich die sozialdemokratische Handschrift der Gründungsväter der Arbeiterpartei SPD,im Bezug was wegsperren und Vertreibung betrifft?!

    Wehret den Anfängen und boykottiert die Hansestadt Hamburg,was as Vertreiben und Jagd auf bestimmte Menscxhengruppen betrifft.

    Eine Lichterkette von der hanseatischen Bevölkerung sollte initiert werden um zu zeigen,das die Bewohner der Hansestadt Hamburg sich nicht mit dem identifizieren,was den Umgang mit einer bestimmten Menschenklientel betrifft.