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Streit um Urheberrechte im NetzDie Piraten wollen verhandeln

Die Debatte um Urheberrechte im Netz hat sich verschärft – in ihrem Zentrum stehen die Piraten. Die Situation scheint verfahren, doch das will die Netzpartei nun ändern.

Digitale Kunst: „Geistiges Eigentum“ oder „kreative Leistung“? Bild: seraph / photocase.com

BERLIN taz | Urheberrecht, Verwertungsrecht, Netz – Die Debatte wird neuerdings schärfer geführt als jemals zuvor. Nach dem Ausbruch von Sven Regener, dem offenen Brief der Tatort-Drehbuchschreibern, den 100 Prominenten der Handelsblatt-Kampagne „Mein Kopf gehört mir“ und der Erwiderung von 101 Piraten, bleibt offen, wie es eine gemeinsame Lösung geben könnte; das wollen die Piraten nun ändern.

„Bisher hatten wir das Problem, dass es bei uns kaum eine echte Kulturpolitik gab“, sagt Bruno Kramm, selbst Musiker und Produzent und seit Donnerstag Urheberrechtsbeauftragter der Piraten – eine neugeschaffene Position, Zeichen dafür, dass sich die Diskussion innerhalb der Partei zu institutionalisieren beginnt. „Das und die Tatsache, dass wir als eher nerdige Partei nicht immer die Sprache und den Tonfall der Kulturproduzenten treffen, hat zu einigen Berührungsängsten geführt.“ Daraus habe man aber gelernt: die Piratenpartei will in naher Zukunft runde Tische mit Verwertern und Urhebern organisieren.

Doch schon Begrifflichkeiten könnten bei diesen Begegnungen zum Problem werden. Beispielsweise lehnen die Piraten den Begriff des „geistigen Eigentums“ ab: Er gilt ihnen als unscharf, als Propaganda-Werkzeug, in dem zu viele verschiedene Dinge vermengt werden – vom Urheber- bis zum Verwertungsrecht, vom Markenschutz bis zum Patent. Ein viel zu weites Feld, um gezielt darüber diskutieren zu können, wie man mit der aktuellen technischen und sozialen Entwicklung umgeht.

Stattdessen wollen die Piraten ein Urheberrecht, das Künstlern erlaubt, mit Werken anderer zu arbeiten. „Uns ist wichtig, nicht das geistige Eigentum zu fördern, sondern die kreative Leistung“, sagt Andreas Popp, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Partei. Dazu fordert er vor allem eine Verkürzung der jetzigen Schutzfristen für Kunstwerke. 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers sei einfach „viel zu viel“.

Sein Vorschlag: Das Werk eine gewisse Zeit schützen, wobei die Dauer zu verhandeln sein wird. Und dann sicherstellen, dass ein Urheber über verpflichtende Lizenzen zwar an einer kommerziellen Bearbeitung mitverdient, aber nicht mehr bestimmen darf, wer sich an seinem Werk bedient. „Ich glaube“, sagt er, „dass der Künstler damit leben muss, dass sein Werk nach einer gewissen Zeit flügge wird und er die Verfügungsgewalt daran an die Gesellschaft zurückgibt.“

Die Nutzer als „mündige Menschen“

Die Piraten unterscheidet von den anderen Parteien auch ihr positives, optimistisches Verbraucherbild. „Man muss mit Nutzern umspringen wie mit mündigen Menschen“, sagt Popp. Dabei könnten alternative Finanzierungsmodelle wie Crowdfunding, Flattr und Kulturwertmark helfen – wenn man sie nicht als allein selig machendes Werkzeug betrachtet.

Popp ist ein Vertreter des Flügels, der die Gründungsthemen der Partei und damit vor allem das Netz vor Augen hat. Obwohl sein Standpunkt auf dem Parteitag nicht mehrheitsfähig war und sich beim Bundesparteitag die gemäßigtere Fraktion mit einem realpolitischen Entwurf durchgesetzt hat, steht seine schärfere Position für eine Tendenz in der Piratenpartei, der viele Urheber mit Argwohn begegnen.

Kramm hingegen, der sich selbst in der Mitte der Partei sieht, legt den Akzent ein wenig anders: Ihm geht es um die gesellschaftliche Teilhabe. Kulturelle Erzeugnisse sehe er nicht nur als Güter, sondern vor allem als Mittel, um mit der Welt in Kontakt zu treten.

Auch die Möglichkeiten für den Künstler spielen für ihn eine wichtige Rolle: Zumindest in der Musikbranche sei es durchaus so, dass durch das Netz Kleinteiligkeit gefördert würde und es heute viel mehr unterschiedliche Stile und auch Künstler gebe, weil man nicht mehr durch das Nadelöhr einiger weniger Gatekeeper durchmüsse. Das sei aber keine Antwort auf die Bedürfnisse aller Kunstschaffender: „Dazu funktionieren die Kunstsorten zu unterschiedlich.“

Und deshalb soll die Lösung auch in einem Dialog gefunden werden. „Wir benennen das Problem. Lösen werden wir es nicht allein, das können und wollen wir auch nicht“, sagt Popp. Der Satz hätte auch von Kramm kommen können.

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10 Kommentare

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  • PS
    Piraten Sie mal

    Man könnte meine die TAZ baut, mit Überstunden und Propagandaübungen, munter die Klagemauern des "geistigen Eigentums" um gegen die Piraten zu schreiben, schließlich sind die ja das neue Feindbild des angestammten spinatfahlen und linken Klientels.

  • HH
    Hamburger Hans

    "Eigentum ist Diebstahl."

    Ist ja schön, daß derartige Thesen in jeder neuen Generation aufleben. Doof ist nur, daß es nur als Provo dasteht, als wenn nicht selbst der Urheber differenziert hätte. Außerdem richtet sich "Eigentum ist Diebstahl" nicht gegen den individuellen Besitz, sondern gegen das arbeitslose Eigentum, also gegen die kapitalistischen Zecken. Ein bischen mehr, und wenns nur ne neue Blase ist, wäre angebrachter, statt eine Aussage zur Floskel verkommen zu lassen.

  • B
    buccaneer

    Eigentum ist Diebstahl.

     

    J.P.Proudhon

  • HH
    Hamburger Hans

    "...und er die Verfügungsgewalt daran an die Gesellschaft zurückgibt.“

    "...ein wenig anders: Ihm geht es um die gesellschaftliche Teilhabe. "

    Ich sehe nicht, daß mir -dem Künstler- die Gesellschaft bisher etwas gegeben hat, was meinem Schaffen förderlich ist oder war, weshalb allein ich darüber verfüge, wem etwas zugänglich gemacht wird. Ich habe nichts zurückzugeben, also gibts auch keine Selbstbedienung, ob durch Volk, Staat oder Piraten. Um Massenkultur und Nippes kann sich ja der Verbraucherschutz bemühen.

  • SG
    Sven Geggus

    Schon seit vielen Jahren hat die Free Software Foundation den Begriff "geistiges Eigentum" auf ihrer Liste von Begriffen die man vermeiden sollte.

     

    Warum das so ist liest man am besten direkt dort unter http://www.gnu.org/philosophy/not-ipr.html nach!

  • B
    Ben

    Da kann man sich ja schon darauf freuen, dass kreative

    Remixe ala NSU mit Paulchen Panther,oder der EADS ,Joscka F. Kosovorede Remix, dank den Orangen zukünftig legal werden sollten

  • JV
    Joe Völker

    Eine Abkehr vom "Es gibt kein geistiges Eigentum"? Das wäre ja mal ein Lichtstrahl der Erkenntnis. Trotzdem: Der Künstler muss die Verfügungsgewalt über sein Werk nicht an die Gesellschaft "zurück"-geben, denn sie hatte es nie.

    Das "optimistische Verbraucherbild", von dem hier die Rede ist, sieht so aus, dass die Piraten sagen, illegale Downloads seien weithin verbreitet, also muss man sie legalisieren. (Warum fangen wir nicht mit der Legalisierung von Steuerhinterziehung an, die ebenfalls weit verbreitet ist?) Die Piraten sind in ihrem tiefen Selbstverständnis Lobbyisten des illegalen Filesharings, und als Musiker und Komponist kann ich da kein optimistisches Verbraucherbild erkennen — eher, dass man optimistisch hofft, nicht erwischt zu werden.

    Wenn — und das fordern die Piraten — alle Musik kostenlos und legal im Netz verfügbar sein wird, was passiert eigentlich mit der Musikbranche? Den Einzelhändlern, Presswerken, Tonstudios, Komponisten, Labels, den Betreibern der legalen Download-Portale? Sie können zu machen!

    Ich glaube, dass es dann in Zukunft viel weniger Musik geben wird. Können wir es uns leisten, unsere Kreativen so schlecht zu behandeln? Ist das fair? Ist das klug?

  • H
    hanz

    hm.

    Vielleicht mag meine Sichtweise zum "geistigen Eigentum etwas seltsam sein- dennoch:

    Jeder, der auch nur irgendetwas baut oder erschafft lebt völlig selbstverständlich damit das der nächste es wieder verändern kann.

    Wenn ich einen Tisch oder einen Stuhl baue und danach verkaufe -oder auch verschenke - ist mir völlig klar das der nächste vielleicht die Beine absägt, die Farbe ändert...

    Außer ich hab studiert, nenne mich Designer oder Künstler, baue das vielleicht nicht einmal selber?

     

    Warum ist geistiges Eigentum nur dann wichtig wenn andere damit Geld verdienen können?

  • F
    Felix

    Warum wird dieses Gerede von den Piraten überhaupt ernst genommen? Die Ausgestaltung des Urheberrechts ist doch keine nationale Angelegenheit, diese im Rahmen einer deutschen oder europäischen Regelung ändern zu wollen ist illusorisch. Die Märkte sind global und in Hollywood spricht man über solche Theorien gar nicht, warum wohl? Es ist eigentlich ganz einfach, entweder der Kopierschutz et c. bleibt oder die Künstler gehen. Sie brauchen dann nur eine Agentur aus dem Ausland, keinen anderen Wohnsitz. Deutsche Vorschriften können das nicht verhindern.

     

    Ich empfehle unbedingt die Website der Piraten, wer sich etwas Zeit nimmt, erkennt die Unlogik und Widersprüche in den den dort getroffenen Aussagen dieser "Bewegung". Anfangs hatte ich noch viele Sympathien für die Piraten, dann kamen sehr fragwürdige Menschen dazu und schließlich habe ich mich mit den Inhalten beschäftigt. Natürlich taugt diese Partei für Stimmen aus dem hedonistischen Lager, Grundeinkommen und die Freigabe von Drogen sind ja immer schon Themen für viele Menschen gewesen...

    Die Piraten sind jedoch ein Golem der von den Medien so lange geliebt werden wird, bis er verstanden wurde, dieser Prozess beginnt gerade.

  • A
    Antwort

    Bitte die Antwort vom CCC nicht vergessen: http://ccc.de/de/updates/2012/drehbuchautoren