Handballmeister ohne Punktverlust: THW Kiel hat noch nicht genug
Der THW Kiel ist zum 17. Mal deutscher Meister. Bis jetzt hat er alle Spiele in der Liga gewonnen. Die ganz große Sause soll steigen, wenn der Klub die Champions League gewinnt.
KIEL taz | Es war schon spät am Dienstagabend, als Marcus Ahlm im leeren Kabinengang der Kieler Arena auf seinen Trainer Alfred Gislason zuging. „Was ist los, Alfred?“, fragte der Kapitän des THW Kiel besorgt, nach dem Motto: Warum freust du dich nicht?
Zuvor hatten die Profis des Rekordmeisters sechs Spieltage vor Ultimo die 17. Meisterschaft gefeiert, nicht exzessiv zwar, aber doch ausgelassen vor den 10.300 Fans. „Für mich steht die deutsche Meisterschaft ganz oben“, sagte Ahlm nach dem 32:27-Heimsieg gegen den SC Magdeburg, mit dem sie den Startrekord in der Bundesliga auf famose 58:0-Punkte ausgebaut hatten.
Nur Trainer Gislason war nicht in Partystimmung, mürrischen Blickes war er nach der Schlusssirene in seine Kabine marschiert. Der Isländer hatte sich über die harte Gangart des Gegners geärgert, die Verletzung des Rückraum-Linkshänders Christian Zeitz. Und über den Kopftreffer gegen Torwart Thierry Omeyer nur 17 Sekunden vor Schluss.
Vor allem aber gingen ihm die Feierlichkeiten auf die Nerven, weil schon am Wochenende beim Final-Four-Turnier in Hamburg der nationale Pokal ausgespielt wird. Gegner im Halbfinale ist der HSV Handball, der Vorjahresmeister. „Wenn wir jetzt anfangen zu feiern, dann verlieren wir mit Sicherheit das nächste Spiel“, warnte Gislason. Folgerichtig blieb es für Mittwochmorgen, zehn Uhr, beim obligatorischen Training.
„Größer als Olympische Spiele“
Schließlich ist da auch noch jener Wettbewerb, den Gislason als Krönung des Handballs betrachtet: das Champions-League-Final Four, das Ende Mai in Köln ausgetragen wird; hier sind die Füchse Berlin im Halbfinale der Gegner. „Das ist für mich größer als Olympische Spiele“, sagte Gislason, „dort spielen die besten Mannschaften der Welt, vor einem fachkundigem Publikum“.
Und doch gab es Momente, in denen der Trainer seinen Stolz über das Erreichte nicht verhehlen konnte. „Das ist die beste Mannschaft, die ich je trainiert habe“, sagte der Isländer. Gleichzeitig betonte er, dass das Team eigentlich nicht anders trainiert habe als im Vorjahr, als der THW 13 Punkte Rückstand auf den HSV aufwies. „Wir haben keine Verletzten gehabt, wie das beim HSV in diesem Jahr der Fall ist“, sagte Gislason.
Den Verlust des Titels im Vorjahr hatten sie als Demütigung angesehen. „Das hat wehgetan“, sagte Filip Jicha, der tschechische Halblinke, der aus dem Star-Ensemble des THW Kiel herausragt. Er betonte den ungewöhnlichen Teamgeist als wichtigen Faktor, indem er auf die Reise nach La Reunion vor Saisonstart zurückblickte.
Saison ohne Makel
Im Indischen Ozean, der Heimat seines Kollegen Daniel Narcisse, sei das Team noch enger zusammengerückt. „Ob das der Grund war, dass wir uns so sehr konzentriert haben, weiß ich nicht, aber das hat uns als Mannschaft sehr nach vorne gebracht.“
Zum gefräßigen Charakter des Teams gehört, dass sie nun das Maximum anstreben, eine Saison ohne Makel, 68:0 Punkte. „So wie ich unsere Mannschaft kenne, ist der Wille dazu vorhanden“, sagte Jicha. „Auch wenn wir jetzt Deutscher Meister sind, so endet unsere Aufgabe doch noch nicht.“
Ähnlich sieht es Thierry Omeyer, der französische Keeper. Trotz des Rekordes ist die Saison für ihn noch keine historische. „Darüber will ich erst in vier Wochen nachdenken, wenn wir die Champions League hinter uns haben.“ Aber sein entschlossener Gesichtsausruck verrät: Sie wollen sich mit dieser Saison verewigen in der Geschichte des Handballs.
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