FDP nach der Landtagswahl im Glück: Kronprinz Christian
Der Wiedereinzug der tot geglaubten FDP in den Landtag NRW macht Spitzenkandidaten Christian Lindner zum starken Mann der Partei. Alle Blicke werden sich nun auf ihn richten.
BERLIN taz | Die Macht liegt jetzt am Rhein. Als am Sonntag um 18 Uhr im Thomas-Dehler-Haus, der FDP-Zentrale in Berlin, die ersten Prognosen auf den Bildschirmen erschienen, ist den versammelten Parteianhängern klar: Ihre Partei zieht überraschend stark wieder in den Landtag ein.
Und das bedeutet: Christian Lindner ist zurück – nur fünf Monate nachdem er an dieser Stelle seinen Rücktritt als Generalsekretär verkündete. Alle Blicke werden sich künftig auf den 33-Jährigen richten, wenn es um die Frage geht, wie die Partei auch im Bund aus dem Dauerumfragetief finden kann.
Der Sturz von FDP-Chef Philipp Rösler ist nur eine Frage der Zeit. „Das Ergebnis zeigt auch: Solidität zahlt sich aus“, jubiliert Generalsekretär Patrick Döring wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale. Fakt ist: Selbst die geringe Wahlbeteiligung, die traditionell kleineren Parteien Probleme bereitet, hat das blendende FDP-Abschneiden nicht verhindert.
Röttgens Unbeliebtheit war Lindners Booster
Profitieren konnte Lindner vermutlich von der Unbeliebtheit des CDU-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen. Gegen die Union, mit der die FDP von 2005 bis 2010 koalierte, machte Lindner offensiv Wahlkampf. Die Freidemokraten inszenierten sich als letzte verbliebene Alternative für sogenannte bürgerliche Wähler. Sie gaben sich als letzter Garant für den Fortbestand der Gymnasien, deren Existenz angeblich nicht nur Rot-Grün, sondern auch die Union gefährdeten.
Kaum zu überschätzen aber ist die Wirkung des Spitzenkandidaten. Nur drei Monate nach seinem Rücktritt im Streit mit Parteichef Philipp Rösler übernahm Lindner überraschend die Spitzenkandidatur in einem aussichtslos scheinenden Wahlkampf. Umfragen sahen die FDP noch vor zwei Monaten bei 2 Prozent. Lindner präsentierte sich geschickt als Integrationsfigur: Konservative Anhänger sprach er an, verschreckte aber keine linksliberalen Sympathisanten.
Lindners bedeutsamste Wahlkampftat aber war sein schleichender Schwenk weg vom Dauerpartner CDU, hin zu Gesprächsbereitschaft mit SPD und Grünen. Selbst ein Ampelbündnis stand, wenn auch halbherzig dementiert, im Raum. Diese Zerreißprobe wird der FDP durch die rot-grüne Mehrheit erspart – noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Antisemitismus-Resolution im Bundestag
Kritik an Antisemitismus-Resolution