piwik no script img

Kreuzberger KulinaritätAnstehen beim Döner-König

Mustafas Gemüsekebap in Kreuzberg ist nicht wie andere. Dafür sprechen die witzige Werbung und die immerlange Schlange vor der Bude.

Bilder von knackigen Möhren und Weizenfeldern flackern über die Leinwand. Dann ein Mann mit Küchenschürze: „Wenn Sie das Gemüse für Ihren Döner selbst anbauen würden“, sagt er mit leichtem Akzent und sehr stolz in die Kamera, „würden Sie auf Chemie verzichten und nur das Beste auswählen.“ Der letzte Satz des Spots, der seit Ende 2011 in Berliner Kinos zu sehen ist, erlangte Kultstatus im Netz: „Davor steh ich mit meinem Namen.“

Ein mehrfacher Gag: Einmal, weil Tarik Kara, der Mann mit der Schürze, in der Szene tatsächlich vor einem Imbiss steht. Andererseits, weil dieser – sein – Imbiss am Mehringdamm gar nicht heißt wie er. Die Kunden, die hier bis zu einer Stunde Schlange stehen, kennen ihn als „Mustafa’s Gemüsekebap“.

Warum erfreut sich die kleine Kreuzberger Dönerbude solcher Beliebtheit? „Mustafa’s Gemüsekebap“ ist nicht nur in Berlin über die Bezirksgrenzen hinaus bekannt – er wird längst in Reiseführern erwähnt. Auf Facebook hat der Laden schon über zehntausend Fans. Tarik Kara hat eine simple Erklärung dafür: „Wir machen den Döner mit viel Liebe.“

Die Location kann jedenfalls nicht das Erfolgsrezept sein. Genau am Eingang des U-Bahnhofs steht „Mustafa’s“, mitten im Straßenlärm. Sitzgelegenheiten gibt es nicht, nur ein paar Stehtische, an denen man seinen Döner schnell verputzen kann – gemütlich sieht anders aus.

Auch Veggie-Döner gab es bereits, als Kara ins Geschäft einstieg. Nur hat es bei ihm eben ziemlich gut funktioniert. „Vielleicht, weil wir ’Gemüsekebap‘ im Namen tragen“, mutmaßt Kara, für den der fleischlose Fladenbrotsnack mehr ist als ein Zugeständnis an die Bionade-Boheme: „Gemüse ein typischer Bestandteil der türkischen Küche.“

Vor fast sieben Jahren übernahm der 39-Jährige den Imbiss, wo vorher Wurst und Pommes verkauft wurden. „Ich hatte immer von einem kleinen Laden geträumt, in dem ich superleckeren Döner zubereiten kann“, erzählt Kara. Der zweifache Familienvater kam als Gastarbeiterkind nach Deutschland, seit 32 Jahren lebt er in Kreuzberg. Nach der Schule arbeitete er vorwiegend in gastronomischen Betrieben, ein Faible für gutes Essen hatte er schon immer.

Das Buden-Image stört Kara nicht. Für ihn besitzt das Straßengeschäft einen eigenen Reiz. Dass viele Leute „Ist doch nicht schlimm“ entgegnen, wenn er erzählt, dass er in einer Dönerbude arbeitet, das versteht er nicht. „Ich habe unheimlich viel Spaß daran“, sagt er. Wie viele Döner täglich über den Tresen gingen, sei unerheblich. Auf die Gesichter zufriedener Kunden komme es an. Und mit einem Augenzwinkern behauptet Kara, er könne erkennen, ob ein Kunde ein wenig extrascharfe Soße oder doch ein paar Zwiebelringe mehr vertragen könnte.

Mit einem Augenzwinkern führt Kara auch sein Geschäft. Humor steckt nicht nur im Kinospot (der eine Werbung für Hipp-Babybrei parodiert). Auf der Website von „Mustafa’s“ flattern geflügelte Döner durch ein Kreuzberg-Idyll mit hupenden Autos und Straßenmusikern. Beim Klick aufs Straßenschild wird aus dem Mehringdamm ein „Mehringdürüm“, und in der Bude steht „Mustafa“ und fragt: „Noch was zu trinken, Bruder?“

Die Website, den Kinospot und auch den Facebook-Auftritt – „The Real Mustafa’s Gemüse Kebap“ – hat die Kommunikationsagentur DOJO konzipiert. Die Werber Dominic Czaja und Joachim Bosse haben sich mit Kara am Dönerstand angefreundet. Durch Zufall waren die beiden 28-Jährigen während ihres Studiums auf Mustafa’s gestoßen. Geld haben sie dafür nicht bekommen, aber etwas anderes: „Wir wollten auf Lebenszeit kostenlos Gemüsekebap futtern“, erklärt Bosse den Deal mit Kara.

Bei manchen Fans sorgt die witzige Werbung für Unmut: Einige beschweren sich auf Facebook, die Wartezeit sei noch länger geworden – jetzt kämen auch die „blöden Yuppies“. Zu denen gehört Michael ganz sicher nicht, auch wenn er in Friedrichshain wohnt. Der 52-jährige Politikwissenschaftler und gelernte Koch kommt immer wieder gerne zu „Mustafa’s“, wenn er in der Gegend ist. „Es schmeckt nach was Gutem“, findet er und glaubt, Zutaten wie Limette und Thymian in Karas Rezept zu erkennen.

Für Philosophiestudentin Lena ist Mustafa’s eine echte fleischlose Alternative. Quer durch die Stadt würde die 26-Jährige dafür nicht fahren. Aber hier sei der vegetarische Kebap eben nicht nur Brot mit Salat. Wegen seiner vielen vegetarische Gäste achtet Kara übrigens darauf, dass das Gemüse vom Fleisch getrennt zubereitet wird. Noch ein Alleinstellungsmerkmal.

Unlängst bekam Kara einen Brief mit prominentem Absender: Babykost-König Claus Hipp fand den Kinospot witzig, ließ er wissen. Und dass er vor 45 Jahren mit seinem Freund Aydin seinen ersten Döner in Bodrum gegessen habe. Tarik Kara antwortete, sein Sohn habe vor 11 Jahren sein erstes Hipp-Gericht gegessen. Und wie es mit einer Kooperation wäre: Wenn es Spaghetti Bolognese aus dem Gläschen gibt, warum nicht Gemüsekebap?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • HH
    Heinrich Heine

    Das Gericht urteilt dass eine Religionsgemeinschaft nicht unbedingt eine Art "islamische Kir¬che" oder eine Gemeinschaft aller islamischen Ströme sein muss, sondern eine Anzahl von Menschen reicht, die eine gemeinsame Glaubensausübung praktizieren. Für Moslems, die nur geschächtetes Fleisch essen, sei es zudem unzumutbar, zwangsweise Vegetarier zu wer¬den. Wenn sie ausschließlich auf importiertes Fleisch zurückgreifen müssten, hätten sie nie die Sicherheit, dass die Tiere tatsächlich nach islamischen Richtlinien geschlachtet worden wären. Sie wollten, wie ja bekanntlich auch viele deutsche Verbraucher/Innen, durch per¬sönlichen Kontakt zum Schlachter zur Sicherheit kommen, dass mit dem Fleisch alles in Ord¬nung wäre.

    Auch der klagende islamische Schlachter habe ein Recht darauf, seinen Beruf auszuüben. Das Verbot islamischen Schlachtens sei für ihn faktisch ein Berufsverbot.

     

    Das Verfassungsgericht blieb allerdings dabei, das das islamische Schlachten nur in Form einer Ausnahmegenehmigung gestattet werden konnte.

     

    Nur was legitim ist, ist legal.

     

    Als Schlusswort: um nochmals einpaar fragwürdiges aufzuwerfen der politischen Korrekt¬heitswillen. Das Tier durch einen starken Elektroschock in einen qualvollen kurzen Moment versetzt oder durch einen brutalen Bolzenschuss, meistens in den Kopf, erlegt. Sind diese Methoden nun qualloser für das Tier? Die Beziehung zwischen der Reinheit des Fleisches im Islam (Halal) mit der obigen Beschreibung der „qualloseren“ Erlegung des Tieres, steht in diesem Artikel nicht zur Debatte. Geschweige das Wort „Halal“ kommt im Artikel nicht ein¬mal vor. Sie sind alternativlos? Fragen Sie sich zweimal, bevor Sie sich für Mc Donalds ent¬scheiden.

     

    (Teil 3)

  • HH
    Heinrich Heine

    Anders sah diese Situation nach der wachsenden Zahl der Moslems nach den 60er Jahren in Deutschland, ganz besonders als größte Gruppe unter den Gastarbeitern aus Anwerberlän¬dern. Diese versuchten auf natürlichem Wege und Möglichkeiten zu finden um ihre Religion in Ruhe auszuleben, was ihnen bis 1995 erschwert wurde, da bis dahin Ausnahmegenehmi¬gungen von den Gerichten ausgesprochen und aber nicht mehr vergeben gar verlängert wurden. Nun die Wände. Auf Anklage eines islamischen Metzgers musste sich das Bundes¬verfassungsgericht am 15. Januar 2002 zwischen zwei Rechten entscheiden: der im Grundge¬setz festgelegten Religionsfreiheit und dem Recht der Berufsfreiheit (der klagende islamische Metzger gab an, keinen anderen Beruf gelernt zu haben) einerseits und dem Tierschutz an¬dererseits. Im Tierschutzgesetz heißt es:

    "§ 4 a

    (1) Ein warmblütiges Tier darf nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist.

    (2) Abweichend von Absatz 1 bedarf es keiner Betäubung, wenn

    1. ...,

    2. die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf die Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es er¬forderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religi¬onsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächte¬ter Tiere untersagen oder

    3. ..."

     

    (Teil 2)

  • HH
    Heinrich Heine

    NUR WAS LEGITIM IST, IST LEGAL!

    Noch interessanter können Kommentare wie zu derartigen Artikeln nicht sein, die einmal mehr ganz typisch, ungeniert klingen. Ich möchte versuchen etwas Licht in derartige Lappa¬lien zu bringen, wenn es denn für die Eine oder den Anderen zugänglich ist.

    Das das Schlachten bzw. Schächten von Tieren nach islamischen Regeln Tierquälerei sei, ist zunächst einmal in den Raum gestellt.

    Natürlich gibt es wie für fast alles auch dafür Gesetze und Verordnungen. Wie in diesem Fall die Tierschutz-Schlachtverordnung. Diese schreibt vor, dass die Tiere vor der Schlachtung zu betäuben sind, das die Leute, die Tiere töten, sachkundig sein müssen und das Ganze in ge¬eigneten Räumen geschehen muss. Um die Legitimation derartige Schlachtmethoden mal aufzuzeigen, möchte eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit machen.

    Eine Tatsache zum Beispiel ist die, dass das Schächten noch bis 1933 in Deutschland erlaubt und sogar von jüdischen Metzgern praktiziert wurde. Danach wurde es von den Nationalso¬zialisten aus „Tierschutzgründen“ verboten. Wieso dieses aus „Tierschutzgründen“ verboten wurde, erklärt sich hoffentlich von selbst. Dazu aber hat der Bundesgerichtshof nach Ende des zweiten Weltkrieges durch ein Urteil entschieden, das derartige Verbote den jüdischen Teil der Bevölkerung in seinen religiösen Empfingen und Gebräuchen verletzte. Somit blieb das Schlachten ohne Betäubung zwar verboten aber das Schächten nach jüdischen Regeln wurde durch verschiedene Landesverordnungen als Ausnahme wieder zugelassen oder still¬schweigend geduldet.

     

    (Teil 1)

  • H
    halal=Tierquälerei

    Man isst doch keine halal-Fleisch! Das ist illegale Tierquälerei, völlig unnötig und wird nur aus politischer Korrektheit nicht verfolgt. Sclachten wie im Mittelalter weil Allahs Wille und so. Wer so etwas macht bei dem kauft man nichts. Die taz wirbt auch noch dafür.

  • U
    Urlauber

    Kleine Rechercheanfrage: Warum steht in Międzyzdroje bzw. Misdroy auf der Insel Wolin (polnische Ostseeküste) auf der Landungsbrücke eine Bude an der der Name "Mustafas Gemüsekebap" in Leuchtschrift angeschlagen steht? Ein Plagiat? Eine Filiale? Oder wie?

    So entdeckt vor etwa zwei Monaten. Leider war die Bude nicht geöffnet, so dass ich nicht vor Ort nachfragen (oder probieren) konnte.

  • DL
    Dann lieber zum Mc D.

    Da sind mein Mc D. längere Schlangen und es ist gesünder. Es steht dann aber nicht in irgendeinem Reiseführer. Da politisch bööööse steht auch kein bericht in der taz, hahaha. Man kann in Berlin echt besseres essen als den Dönermist. Auch billig. Nur nicht beim Türken.

  • T
    Tierfolter

    Halal-Frass? Nein Danke!

  • G
    ghdhththtzt

    Die meisten Leute, die dort 1 Stunde anstehen sind TouristInnen, die Wenigsten essen vegetarisch! Das konnte ich zumindest beobachten.Es schmeckt sicherlich gut-mir auch, aber der Laden wird auch dadurch poulär gemacht, weil er seit vielleicht 1-2 Jahren in irgendeinem Reisebuch steht. Vorher war die Schlange bei weitem nicht so lang,10 Meter habe ich letzte Woche beobachtet.Am besten schon vorher was anderes essen, oder woanders hingehen.