Windparks zu effektiv: Muscheln am Betonsockel

Ein Symposium befasst sich mit den ökologischen Auswirkungen von Windparks auf See. Die liefern mehr Strom, als die Bundesregierung vorsieht.

Ahnt vermutlich nichts vom Sprießen zu seinen Füßen: Ein Techniker auf der Umspannstation des Offshore-Windparks Alpha Ventus.   Bild: dapd

HAMBURG taz | Es gibt neue Biotope in der Nordsee. An den Fundamenten der Offshore-Windparks haben Wissenschaftler die Bildung neuer Lebensgemeinschaften nachgewiesen. An den Betonsockeln des ersten deutschen Offshore-Windparks Alpha Ventus, rund 45 Kilometer nordwestlich der ostfriesischen Insel Borkum, etwa ist eine „massive Muschelbedeckung“ zu entdecken. Das ergeben die ersten Auswertungen der ökologischen Begleitforschung seit dem Jahr 2009, die auf dem Meeresumwelt-Symposium des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) an diesem Dienstag und Mittwoch in Hamburg vorgestellt werden.

Auf Miesmuscheln und Seenelken folgen weitere Bodenlebewesen wie Schnecken, Würmer und Seesterne sowie Taschenkrebse und Samtkrabben. Und ihnen kommen bereits die ersten Fische nach. Das seien „Tendenzen“, schränken die Forscher ihre Erkenntnisse derzeit noch ein. „Wissenschaftlich fundierte Ergebnisse“ lägen erst im nächsten Jahr vor, wenn das Monitoring abgeschlossen ist.

Die Entwicklung der Offshore-Technologie und ihre Auswirkungen auf die Meeresumwelt sind die Hauptthemen des zweitägigen Symposiums. Mit dessen 22. Auflage ist die jährliche Veranstaltung inzwischen zum wichtigsten deutschen Meeting von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Umweltschutz und anderen Verbänden für Debatten über Schifffahrt, Fischfang, Meeresschutz, Öl- und Gasförderung oder – eben – Windparks geworden.

Dabei wandeln sich auch die Schwerpunkte in der Arbeit des BSH, das die Genehmigungsbehörde für die Nutzungen in den deutschen Teilen von Nord- und Ostsee ist. „Wir mussten Vorhaben genehmigen, die es vorher nicht gab. Dies war mit Lernprozessen für alle Seiten verbunden“, sagt BSH-Präsidentin Monika Breuch-Moritz. Zu Beginn seien „viele technische Probleme unterschätzt“ worden. Das habe einerseits zu Zeitverzögerungen und Mehrkosten geführt, aber es seien dadurch aber auch Fehler minimiert worden.

Zurzeit sind 29 Windparks bereits genehmigt, davon 26 in der Nordsee und drei in der Ostsee. Für weitere 94 Projekte liegen Anträge vor. Seit Ausrufen der Energiewende vor einem Jahr hat sich dabei das Tempo rasant erhöht. Bislang drehen sich 27 Windmühlen in den beiden Meeren vor den deutschen Küsten. Genehmigt sind bereits weitere 2.081 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 10.000 Megawatt.

Die beantragten Vorhaben umfassen weitere 8.705 einzelne Rotoren mit einer Leistung von mindestens 43.000 Megawatt. Alles zusammen entspräche das der Leistung von fast 40 großen herkömmlichen Kraftwerken: Das Atomkraftwerk Brokdorf oder der Kohlemeiler in Hamburg-Moorburg beispielsweise sind auf jeweils gut 1.400 Megawatt ausgelegt.

Nach den Plänen der Bundesregierung sollen bis zum Jahr 2030 von Offshore-Windparks bis zu 30.000 Megawatt Strom erzeugt werden. Diese Zielmarke zu übertreffen, liegt nach dem jetzigen Stand nahe – und das möglicherweise mehr als deutlich: Die zwölf Rotoren des Testfeldes Alpha Ventus, das die Energiekonzerne EWE, Eon und Vattenfall betreiben, haben in ihren ersten beiden Betriebsjahren seit April 2010 rund 30 Prozent mehr Strom erzeugt, als geplant war.

Comments

[Wattenrat.de]

@Henry vonner Küste:

Mit Schaum vorm Mund lässt sich schlecht diskutieren. Wer hat denn hier wem das "Schmarotzen" vorgeworfen? Den Atomstrom beziehen wir alle, ob wir wollen oder nicht, auch die gutmenschelnden "Naturstrom"-Kunden bekommen den Atomstrom ins Haus, getrennte Leitungen für Wind-Solar-, Kohle-, oder Gasstrom gibt es nicht. Aber ohne Regelenergie aus Wärmekraftwerken läuft keine WKA, auch nicht offshore. Dafür darf dann für den "Naturstrom" etwas mehr bezahlt werden, zusätzlich zur EEG-Abgabe, fürs gute Gewissen. Anregung: Mal die Suchmaschine bemühen und etwas zu Leistungskredit, Auslastung, Verfügbarkeit, Ganglinien und Regelenergie zu Wind- oder Solarstrom nachlesen, um dann wieder auf den Teppich kommen.

[Henry vonner Küste]

@Wattenrat.de

 

... dafür darf ich als ökostromkunde deinen atommüll mitbezahlen, da ihr atom/kohlis schön die folgekosten außen vor laßt

 

und dann den spieß umzudrehen und (zumindest in dieser hinsicht) verantwortungsvollen menschen wie mir das schmarotzen vorzuwerfen finde ich wirklich dreist. ich hoffe nur, du willst dich grad irgenwie abreagieren und glaubst selbst nicht an den quatsch, den du schreibst

[Thomas Ebert]

Welche ökologische Wirkung haben Windparks? Hier war der Artikel doch etwas dürftig angelegt. Aber hier kann nachgeholfen werden. Betrachten wir die CO2-Bilanz! Hier ist die Gesamtwirkung negativ! Zwar wird bei der Stromproduktion durch WKA kein CO2 freigesetzt, aber CO2-Zertifikate werden frei. Diese gelangen in den weltweiten Zertifikatehandel und das CO2 wird dann halt z.B im Kongo freigesetzt. Global ist die Emissionsstelle eher unerheblich. Die Auswirkungen auf die Meeresfauna sind noch nicht ausreichend untersucht. Glaubt man aber WWF und BUND, dann ist jede Änderung schädlich.

Die Auswirkungen auf den Strompreis für die Endkunden ist ja bereits bekannt, der steigt kräftig.

[Schlaumaier]

Grundsätzlich stimmt alles, doch Alpha Ventus steht nicht auf Betonsockeln sondern auf Stahlpfählen. Aber auch die sind mit Muscheln bedeckt, ihre Fläche ist jedoch deutlich kleiner als bei Betonfundamenten. Diese sind noch stärker bewachsen, wie die Beobachtung der Betonfundamente vor Belgien (Thornton Bank) zeigen.

[Wattenrat.de]

Zweifellos erzeugen auch Offshore-WKA Strom, aber eben nicht bedarfsgerecht, aber dafür sehr sehr teuer, nur möglich mit der erheblichen Subvention durch alle Stromkunden mit der Zwangsabgabe aus dem Erneuerbaren Energien Gesetz. "Effektiv" sind die Anlagen überhaupt nicht: Auslastung von nur 25 bis 30 Prozent von den nur theoretisch möglichen 8760 Jahresstunden. Die in der taz erwähnte "neuen Biotope" an WKA entstehen nicht nur selektiv an WKA-Fundamenten, sondern an allen Hartsubstraten unter Wasser: an Bohrplattformen und Schiffswracks in der Nordsee, und sogar an gesunkenen Öltankern. Die erwiesene erhebliche Gefährdung von Zugvögeln auf See durch WKA fallen beim taz-Redakteur einfach unter den Redaktionstisch. Er macht aus dem Geschäftsmodell der Windkraftnutzung eine Ökonnummer.