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Kommentar PatchworkfamilieDie Verantwortung bleibt bei den Eltern

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Eine klare gesetzliche Regelung für Patchworkfamilien kann den Druck nehmen, für alles verantwortlich zu sein. Trotzdem ist zu befürchten, dass Betroffene das ablehnen werden.

W er schon einmal in der Kita verzweifelte, weil er das Kind seiner Lebensgefährtin nicht abholen durfte – „Haben Sie eine Vollmacht?“ –, wird den Grünen vermutlich danken. Die Oppositionspartei will den sogenannten Patchworkfamilien zu mehr Rechten verhelfen: beim Arzt, in der Schule, am Flughafen. Soziale Eltern sollen ähnlich behandelt werden wie die biologische Mutter und der biologische Vater.

Diese Idee ist richtig. Sie zielt darauf, bestehende Familiengesetze, die teilweise aus dem vergangenen Jahrhundert stammen, der Lebensrealität heutiger Familien anzupassen.

Denn es ist ein Fakt: Immer mehr Mädchen und Jungen wachsen nicht in der klassischen Vater-Mutter-Kind-Konstellation auf, viele Kinder getrennter Eltern bekommen irgendwann eine „Zweitmutter“ und einen „Bonusvater“ und häufig neue Geschwister. Die meisten Betroffenen arrangieren sich gut damit, die „neuen“ Eltern sorgen emotional, sozial und meist auch finanziell für ihre neuen Kinder. Für sie es oft umständlich, das immer wieder erklären und belegen zu müssen. Hier praktische Hürden abzubauen, erleichtert den Patchworkalltag ungemein.

privat
Simone Schmollack

ist Redakteurin im Inlandsressort der taz und verantwortlich für Genderthemen.

Auf der anderen Seite schafft ein weiteres Gesetz weitere Bürokratie. Gerade Eltern klagen über die Fülle von Anträgen, Erklärungen, Papieren. Mit einem neuen Gesetz müssen zusätzliche Vereinbarungen getroffen und sogar Gerichte beauftragt werden. Ist das nötig?

Patchworkfamilien hat es schon immer gegeben. Sie standen nur nicht im politischen Fokus. Trotzdem organisierten die Betroffenen ihr Miteinander. Das tun sie momentan ja auch – ganz ohne eigenes Gesetz. Jedoch: Häufig verteilt sich die Last zwar auf den Schultern von vier Erwachsenen, die letzte Verantwortung indes liegt bei den biologischen Eltern.

Insofern kann eine gesetzlich erweiterte soziale Sorge auch eine Chance bedeuten: für jene Eltern, die sich überlastet fühlen. Eine klare Regelung kann den Druck nehmen, alles allein entscheiden zu müssen und für alles verantwortlich zu sein.

Trotzdem ist zu befürchten, dass viele Betroffene genau das ablehnen werden: weil die Wunden nach der Trennung noch nicht verheilt sind. Sätze wie diese kennt man: Der Neue hat schon meine Frau, meine Kinder kriegt der nicht! Das ist zu respektieren. Deswegen ist es richtig, nichts gegen den Willen einzelner Betroffener festzulegen.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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5 Kommentare

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  • M
    Maria

    Gegen den Willen der Betroffenen geht doch momentan schon eine ganze Menge. Alleinerziehende, die auf Hartz IV angewiesen sind, sollten bloß nicht mit dem neuen Partner zusammenziehen - denn fließt nicht oder nicht genug Unterhalt ist der neue Partner automatisch einstandspflichtig für das Kind. Auch wenn er vielleicht gar nicht will. Ich finde, diese Aspekte müssen zusammen diskutiert werden, denn gerade aus solchen Widersprüchlickeiten ergibt sich Reformbedarf.

  • K
    Kai

    Zweitmutter und Bonuspapa, als zweibemutternde und Bonusbespasser oder wie?

     

    Wir reden hier über Stiefeltern, die eigentlich keine weiteren Rechte brauchen (ich bin selber einer)... In der Krippe oder Kindergarten gibt man einmalig eine Vollmacht, die schliesst Grosseltern und sonstige Personen mit ein und supi, der Stiefpapa holt die Kinder ab. Am Flughafen reicht in der Regel der Ausweis des Kindes (sonst könnten andere Personen auch nicht mit dem Kind fliegen etc...)

     

    Arzttermine sollten die Sorgeberechtigten (ausser Notfallversorgung) schon selbst warnehmen oder vereinbaren... Vermögenssorge sollten Vater und Mutter ebenfalls wahrnehmen...

     

    Also, warum schaffen es die Grünen nicht mal nicht verheirateten BIOLOGISCHEN Vätern ein Sorgerecht von Geburt an zu geben, aber jetzt auf einmal für Stiefeltern das Volle Programm vorzuschlagen??? Sorry, das ist (wie die ganze Partei) nur noch lächerlich!!!

  • J
    Jörn

    Backslash der Väterbewegung

     

    Gerade erst werden Väterrechte langsam anerkannt. Ein Paar kann sich trennen, den Kindern aber nicht die Mutter oder (meistens) den Vater wegnehmen. Das gemeinsame Sorgerecht nach der Trennung war hier ein erster ganz wichtiger Schritt.

    Früher wurde versucht so zu tun, als ob mit dem neuen Mann die "heile Familie" wieder hergestellt sei. Kinder und Väter litten darunter gleichermassen.

    Das aktuelle Familienrecht hat darauf zwar nur sehr schwerfällig aber doch immerhin reagiert und gesteht nun Kindern und Vätern ihr natürliches Recht zu.

    Diese Rechte sollen nun wieder ausgehölt werden, in dem den "sozialen Vätern" neue Rechte zugestanden werden. Damit werden die Väter entrechtet und die Mütter können die "sozialen Väter" ihrer Kinder nach Belieben austauschen. Dies ist keine Anpassung an die Realität der Patchworkfamilien sondern ein Rückfall in Zeiten in denen man Patchworkfamilien als "normale Familien" verstecken musste.

    Die Argumente für diese Entrechtung von Kindern und Väter sind wenig stichhaltig. Eltern können dem Kindergarten sagen, wer das Kind abholen darf - das können Grosseltern, Tagesmütter oder Freunde sein. Dazu bedarf es keiner Gesetzesänderung.

  • VD
    Versteigerung des Sorgerechts

    "Die meisten Betroffenen arrangieren sich gut damit, die „neuen“ Eltern sorgen emotional, sozial und meist auch finanziell für ihre neuen Kinder."

     

    Soll jetzt etwa auch in diesem Bereich die Höhe der Geldzahlungen Einfluss auf die Rechte haben?????

     

    Es zahlen außerdem alle Menschen in Deutschland für alle Kinder, auch die Kinderlosen. Genauso wie wir auch alle für die Kirche und die Autobahnen bezahlen. Weshalb soll dann ein Mensch, der in diesem familiären Fall sogar und definitiv freiwillig finanziell "sorgt", deswegen direkte Rechte bekommen.

     

    Oft ist es doch so, dass gerade mit Geld in diesen Konstellationen versucht wird, sich "Liebespunkte" zu erkaufen. Und alle, die dies nicht tun, sondern es von Herzen tun, tun es wie gesagt freiwillig und gerne!

     

    Außerdem stellt sich doch die Frage, inwieweit diese ggf. sog. finanzielle Sorge so eindeutig zuweisbar ist. Wer sorgt hier finanziell für wen? Der biologische Vater für die neuen gemeinsamen Kinder und die neue Partnerin? Oder wird gar alles auf die neue Partnerin umgeschrieben, damit ja kein Unterhalt gezahlt werden muss? Und dafür bekommen sie dann am Wochenende mal so nebenbei ein Smartphone oder einen tollen Urlaub "geschenkt".

     

    Diese Spielchen kennen die Beteiligten und Anwälte zur Genüge. Soll das nun auch noch belohnt werden mit Rechten für ein nicht-biologisches Kind, welches nicht adoptiert oder zur Pflege in der Familie ist?!?

     

    Familiengerichte werden erfahrungsgemäß sicher auch gerne der Meinung sein, dass finanzkräftige neue Partner dem Kindeswohl dienen. Sicher aber nicht, wenn die Erwachsenen, biologisch oder nicht biologisch, selbst kein oder kaum Einkommen haben.

     

    So wird eine Elternschaft zukünftig meistbietend versteigert werden! Bravo Deutschland! Bravo Grüne!

     

    Das hätte auch von der FDP kommen können.

  • SZ
    sehr zwiespältig

    ich betrachte das ganze eher kritisch. denn wie im kommentar beschrieben ist fast alles heute schon möglich, eben mit den entsprechenden vollmachten und bei einigkeit ohne gericht.

    denjenigen, die an solche "kleinigkeiten" nicht im voraus denken, wird wohl auch mit neuen gesetzen nicht geholfen werden können. auf jeden kita-zettel kann ich zig personen draufschreiben, die meine kinder abholen dürfen. und aktuell jeden tag beliebige vollmachten schreiben, wer sie am tag x abholen darf/soll. auch in ferienfreizeiten muss ich ankreuzen, was die betreuer im notfall entscheiden dürfen bzw. wen sie, wenn möglich, vorher kontaktieren sollen.

     

    aber gerade so heikle themen wie ins ausland verreisen und impfen ggf. auf vier personen zu übertragen halte ich für wenig produktiv. auch hier geht alles, wenn man rechtzeitig alles bedenkt (z.B. impfen) und die entsprechenden vollmachten ausstellt. selbst die leiblichen eltern, die getrennt sind, müssen sich theoretisch darüber einig sein, dass die kinder ins ausland mitgenommen werden dürfen. das ist meist so, wenn die pässe etc. dem anderen elternteil übergeben werden. auch können kinder mit reisegruppen ins ausland fahren. weshalb soll das dann eine neue partnerin mit vollmacht der leiblichen eltern nicht auch jetzt schon können.

     

    ich finde es eher anmaßend, die neuen partner als "mütter" und "väter" zu bezeichnen. reicht es nicht, wenn sie sich alle gut verstehen und miteinander auskommen? diese "neuen" partner können auch wieder wechseln, nicht aber die leiblichen eltern. haben dann die ehemaligen partner auch irgendwann ein umgangsrecht für die kinder des ehemaligen partners? das wäre in der folge des vorschlages möglich. das wiederum würde bedeuten, dass die ferien unter immer mehr ehemaligen und aktuellen bezugspersonen aufgeteilt werden müssen (inkl. aller "großeltern").

     

    ich möchte weiterhin selbst bestimmen, wer im falle meines/unseres todes als sorgeberechtigte/r in frage kommt. es gibt auch andere personen, die den kindern und den leiblichen eltern nahestehen - nicht nur und nicht immer die neuen partner der eltern. ich denke aber, dass das für den fall der fälle auch bisher schon im voraus dokumentiert werden kann.

     

    wenn sich alle einig sind, ist auch jetzt schon alles möglich. ich sehe das problem eher darin, dass die, die sich "um die kinder streiten", zum teil auch mit psychologisch sehr fragwürdigen methoden und oft auch abhängig von neuen partnern der leiblichen eltern, dass diese eltern bzw. elternteile noch mehr unter druck gesetzt werden, entscheidungen aus der hand zu geben und gezwungen werden, eine bilderbuchmäßige "patchworkfamilie" zu führen.

     

    elternteile, die sich überfordert fühlen, können auch jetzt schon das andere elternteil alles entscheiden lassen. ich frage mich auch, wer dann entscheiden soll, wer "überfordert" ist. das riecht doch nach psychologischen gutachten, die zum ziel haben sollen, dass eine andere person besser geeignet ist. das alles gibt es auch jetzt schon. das passiert leider immer genau dann, wenn "neue" partner meinen, sie wären die besser "mutter" oder der bessere "vater" und die leiblichen "ausgelöscht" werden sollen.

    hört sich absurd an? ich kenne das leider von sehr vielen bekannten und freunden! neue partnerschaft, neues leben, kinder mitnehmen, ehemaliger partner mit allen mitteln versuchen auszulöschen...und das so lange und heftig, dass sie wirklich irgendwann nicht mehr können. in anderen bereichen nennt man das gemeinhin auch mobbing, im familienrecht ist das alles legitim, solange niemand körperlich angegangen wird!