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ERINNERUNGSARBEITRosenak-Haus-Verein gibt auf

Das alte jüdische Rosenak-Gemeindehaus wollte er zu einem Ort der Erinnerung machen - aber der engagierte Verein "Rosenak-Haus" löst sich jetzt auf. Was dann aus dem Synagogen-Kellergewölbe wird, liegt in der Hand der katholischen Kirche

Das Rosenak-Haus in neuem Glanz. Bis zur Reichpogromnacht 1938 war es das jüdische Gemeindehaus in Bremen. Bild: kawe

Am 26. Juni ist Schluss, dann will der Verein „Rosenak-Haus“ sich auflösen. Der Mietvertrag für die Gedenkstätte, die im Untergeschoss des früheren jüdischen Gemeindehauses und dem Kellergewölbe der ehemaligen Synagoge in der Kolpingstraße im Schnoor eingerichtet worden ist, ist schon gekündigt. „Wir haben die Kraft nicht mehr“, sagt Vereinsvorstand Dieter Fricke. Und er ist frustriert: „Offenbar braucht dieses Projekt hier keiner.“

Seit Jahren bettelt der Verein regelmäßig um die erforderlichen Finanzmittel, die CDU hat einmal etwas gespendet, sonst blieben die Aufrufe ohne Resonanz. Dabei ist der Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, „die Erinnerung an die Geschichte der Juden in Bremen wach zu halten“, prominent besetzt: Luise Scherf, die Frau des früheren Bürgermeisters ist dabei, der frühere Sozialstaatsrat Christoph Hoppensack, Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche. Der Verein hat aber dennoch nicht die 40.000 Euro zusammenbekommen, die er pro Jahr für seine Infrastruktur braucht, und da drückte die Miete, die an den Hausbesitzer – die Caritas – gezahlt werden muss. Er sei dagegen, sagt zum Beispiel Michael Scherer, der im Verein „Erinnern für die Zukunft“ engagiert ist und bei der Landeszentrale für politische Bildung arbeitet, dass die eingesammelten Mitgliedsbeiträge nicht für die Erinnerungsarbeit ausgeben werden, sondern in die Kasse der Caritas fließen. Geradezu „unanständig“ sei es, „für einen feuchten Keller, der unter Denkmalschutz steht“, 350 Euro im Monat zu nehmen.

Die Kommunikation unter denen, die Interesse an dem Thema haben, ist nicht besonders gut. Propst Martin Schomaker kann geradezu böse werden über solche Bemerkungen. Die Caritas habe Kosten durch ihren Untermieter Rosenak-Verein, die Miete enthalte zudem die Nutzung für Flur, Toiletten und Nebenkosten, und die Caritas dürfe schließlich von ihrem Satzungszweck her gar nicht einen kulturellen Verein subventionieren, sagt er.

Aber was passiert mit der Gedenkstätte, wenn der Verein aufgelöst ist und seine Mitglieder ehrenamtlich nicht mehr Ausstellungen und Projekte organisieren und zwei Mal die Woche die Öffnungszeiten besetzen? Die Mitglieder des Rosenak-Vereins wissen es nicht, sie kennen auch die Position der Caritas nicht: Nie und nimmer würden die Räume als Keller für die Kleiderkammer genutzt, versichert die Caritas-Sprecherin: „Das ist eine Gedenkstätte, die öffentlich zugänglich bleiben muss.“ Wie das passieren soll, liege in der Verantwortung des Propstes.

Propst Martin Schomaker will erst einmal abwarten, bis der Verein sich ganz aufgelöst hat, also ein Strich gezogen ist unter die Vergangenheit. Im Herbst soll es zu einem neuen Konzept kommen. Zunächst will er seinen guten Kontakt zu dem Rabbiner Netanel Teitelbaum nutzen, um mit der jüdischen Gemeinde in ein konstruktives Gespräch zu kommen. Das war 2009 versäumt worden.

„Wir dürfen nicht respektlos jüdische Orte okkupieren“, weiß der Propst. Sein Ziel: Das Kellergewölbe der alten Synagoge, die in der Reichspogromnacht angezündet wurde, soll ein Ort bleiben, wo die Verantwortung der Christen gegenüber der Shoah wach gehalten wird. Jüngst hat er in einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Rabbiner das Bekenntnis der Würzburger Synode von 1975 zitiert, die feststellte, dass die Kirche „zu stark von der Bedrohung ihrer eigenen Institutionen“ leiten ließ und „zu den an Juden und Judentum verübten Verbrechen geschwiegen hat. (...) Dass Christen sogar bei dieser Verfolgung mitgewirkt haben, bedrückt uns besonders schwer.“ Alle, die an der Erinnerungsarbeit mitwirken wollen, seien dazu eingeladen, sagt Schomaker.

Ursprünglich hatte der Rosenak-Verein sogar die Hoffnung, das alte jüdische Gemeindehaus, das 1938 den Brand der Synagoge nebenan überstanden hat, ganz zu kaufen. Manfred Gläser, ein Anlageberater in Sachen „seltener Erden“, hatte die Finanzierung zugesagt und mit einem großen jüdischen Lewy-Vermögen gewunken. Doch Gläser alias „Lewy“ entpuppte sich als großer Betrüger. Am 11. Juni 2012 steht Gläser, so will es der Zufall, vor Gericht – neun Straftatbestände, darunter Betrug von Geldanlegern, umfasst die Anklage. Die von ihm gegründete Firma „Crystal Consultants International“, die den Bunker Auf der Muggenburg zu einem Gold-Turm ausbauen wollte, ist insolvent, das Geld der Anleger – weg.

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