Off-Kino: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Einer meiner Lieblingsfilme ist Douglas Sirks Komödie „Has Anybody Seen My Gal?“ (1952), eine bitterböse Studie des American Way of Life, in der ein Millionär einer netten Durchschnittsfamilie viel Geld zukommen lässt – und anschließend alle Hände voll zu tun hat, die nunmehr zu arroganten Ekelpaketen mutierten Familienmitglieder aus den Schwierigkeiten zu befreien, in die sie sich ständig hineinmanövrieren. Im Zeughauskino kann man nun Sirks ersten Film „April, April!“ (aus dem Jahr 1935, als der Regisseur noch Detlef Sierck hieß und bei der UFA arbeitete) sehen, eine Verwechslungskomödie, die wie eine Vorstudie zu jenem Werk daherkommt: Hier ist es das angeberische Verhalten eines neureichen Nudelfabrikanten, das seine Bekannten veranlasst, ihm einen Streich zu spielen und den Besuch eines Prinzen anzukündigen, der angeblich tropentaugliche Nudeln testen will. Doch nachdem erst einmal die Presse informiert ist, wächst allen Beteiligten die Sache über den Kopf, und der Fabrikant engagiert den Handlungsreisenden Müller als falsche Hoheit, um sein Gesicht zu wahren. Nun taucht allerdings – böse, böse – tatsächlich ein echter Prinz auf – und wird voll herablassender Verachtung als Herr Müller behandelt.
70 Jahre alt wird Woody Allen am heutigen 1. Dezember, was dem Central Anlass zur Retrospektive gibt. Neben Klassikern wie „Der Stadtneurotiker“ und „Manhattan“ ist dabei die in Deutschland bislang noch nicht gelaufene Satire „Hollywood Ending“ (2002) zu sehen, in der ein Filmregisseur während der Arbeit zu seinem jüngsten Film erblindet, dies jedoch verschweigt – und für das Ergebnis seiner Bemühungen in Frankreich als großer Künstler gefeiert wird. Mit dem Filmbusiness hatte sich Allen bereits in „Stardust Memories“ (1980) radikal persönlich auseinander gesetzt: Hier will Filmemacher Sandy Bates (Allen) nämlich keine komischen Filme mehr drehen – was vor allem seine Produzenten entsetzt. Und während Bates’ neuer Film gerade radikal umgeschnitten wird (die Protagonisten landen statt auf einer Müllkippe im Jazz-Himmel), findet sich der natürlich noch von Beziehungsproblemen geplagte Regisseur bei einer Retrospektive seiner Filme wieder, wo ihn Zuschauer und Kritiker gleichermaßen nerven. Und es gibt kein Entrinnen: In einer Parodie der Anfangssequenz von Fellinis Schaffenskrise-Drama „8 1/2“ sieht man Bates sich verzweifelt mühen, einen Eisenbahnwaggon zu verlassen.
Während Allen sich also trotz gelegentlicher Krisen ungebrochener Schaffenskraft erfreut, ist John Lennon längst tot – und zwar seit 25 Jahren, woran das Babylon-Kino mit einer kleinen Filmreihe erinnert: Neben Richard Lesters enthusiastischer und surrealer Beatles-Fake-Dokumentation „A Hard Day’s Night“ und dem ebenso surrealen Psychedelic-Zeichentrickfilm „Yellow Submarine“ kommt dabei auch Lesters noch viel surrealere Anti-Kriegs-Groteske „How I Won the War“ (1966) zum Einsatz, in der Lennon seinen einzigen echten nicht musikalischen Schauspieleinsatz hatte. LARS PENNING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen