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Studie zur Gesundheit der DeutschenDepressiv, fett und überzuckert

Krankhafte Fettleibigkeit, Schlafstörungen und Diabetes haben signifikant zugenommen. Das belegt eine repräsentative Studie des Robert-Koch-Instituts.

Einer von den 8,1 Prozent? – Auch die diagnostizierten Depressionen nehmen zu. Bild: meikel.inspirit/photocase.com

BERLIN taz | Die Deutschen treiben deutlich mehr Sport als noch am Ende des letzten Jahrhunderts – aber messbar gesünder ist die Nation deswegen bislang nicht geworden. Im Gegenteil: krankhafte Fettleibigkeit, Diabetes und psychische Erkrankungen haben in den vergangenen 14 Jahren signifikant zugenommen.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie zur „Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

„Wir wollten Informationslücken zu den wichtigsten Volkskrankheiten schließen“, sagte die Studienleiterin Bärbel-Maria Kurth vom Robert-Koch-Institut, das die Untersuchung durchgeführt hat. 7.200 repräsentativ ausgewählte Menschen ab 18 Jahren wurden hierzu an 180 Orten zwischen 2008 und 2011 mit standardisierten Interviews zu ihrem Gesundheitszustand befragt und ärztlich untersucht. Ein vergleichbar aufwendiger Survey datiert von 1998.

Das Gros der Bevölkerung ist weiterhin definitiv zu dick, dies allerdings seit 14 Jahren auf stagnierendem Niveau (übergewichtige Männer: 67,1 Prozent, übergewichtige Frauen: 53 Prozent). Als „besorgniserregend“ bezeichnet Kurth den steigenden Anteil von krankhaft Fettleibigen, deren Body-Mass-Index über 30 beträgt: 23,3 Prozent der Männer und 23,9 Prozent der Frauen gelten mittlerweile als adipös; 1998 waren es noch 18,9 Prozent (Männer) beziehungsweise 22,5 Prozent (Frauen). Gefährdet seien vor allem junge Männer unter 35 Jahren mit niedrigem sozioökonomischen Status.

Die Ergebnisse sind wenig überraschend

Signifikant zugenommen haben ebenfalls die Diabetes-Erkrankungen. 7,2 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren leiden mittlerweile an Typ 1 oder Typ 2; dies entspricht einer Zunahme um rund zwei Prozentpunkte gegenüber 1998. Risikofaktoren, Gründe oder Schlussfolgerungen hieraus benennt der jetzt vorgelegte Teil der Studie nicht; hierzu bedürfe es einer weiteren Daten-Auswertung, teilte das RKI mit.

Der Diabetologe Peter Sawicki, ehemaliger Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, kritisierte gegenüber der taz, die Daten seien „wenig überraschend“ und aus anderen Ländern längst bekannt. Wichtiger zu erfassen wäre, so Sawicki, „wie viele Menschen mit Diabetes nicht ausreichend behandelt sind“.

Aufgrund internationaler Daten prognostiziert Sawicki, dass „die Gesamtkosten für das Gesundheitswesen und für die Gesellschaft, also indirekte und direkte Kosten, für Diabetes mellitus in den nächsten 25 Jahren sich etwa verdoppeln werden“.

Steigen dürften auch die Kosten zur Behandlung psychischer Krankheiten: Jeder vierte Befragte erklärte, mindestens dreimal wöchentlich unter Schlafstörungen zu leiden. Bei 4,2 Prozent der Teilnehmer wurde ein Burn-out-Syndrom festgestellt, bei 8,1 Prozent eine Depression.

Als Konsequenz kündigte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eine „nationale Präventionsstrategie“ an. Diese solle, auch über finanzielle Anreize, dafür sorgen, dass sich mehr Menschen für gesundheitsbewusstes Verhalten einsetzten. Zwei Drittel der Deutschen seien bereits einmal pro Woche körperlich aktiv, lobte Bahr.

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9 Kommentare

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  • SI
    Stein im Wald

    Wer sich nicht mehr runter beugen muss, um in Mutter Erde etwas zu essen zu machen muss sich nicht wundern, wenn sein Verhältnis aus Arbeit für Essen und essen aus dem Ruder läuft und mensch fett wird !!

  • GK
    gunter k.

    Hat sich jemand von den Politikern und "Verbraucherschützern" schon mal die Zusammensetzung unserer Lebensmittel angesehen? Viel zu viel Zucker, der ja angeblich knapp sein soll in allen gesüßten Produkten, angefangen bei Cola, Kuchen, auch der vom Bäcker, Joghurt, der ja gesund sein soll, bis zu den so beliebten "Kinderprodukten" aus Zucker und Fett. Wofür haben wir ein Gesundheits- und Verbraucherschutzministerium? Ach ja, die sollen die "Verbraucher" ja erst mal vor unseriösen Geldanlagen usw. schützen...

    Kennen die Auftraggeber der Studie eigentlich den hinlänglich bekannten Zusammenhang zwischen dem weltweiten Vormarsch von McD... und Co. und zunehmender Fettleibigkeit? Also, reduziert den Zuckeranteil auf die Hälfte, vergärt den Rest zu Biosprit oder brennt besser Rum draus oder pflanzt auf den freiwerdenden Äckern was Sinnvolles, meinetwegen Hanf.

  • W
    weltohwelt

    Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Niedriglohnindustrie fordert eben ihren Preis. Was solls, 10% Schwund sind immer und Leistungsträger interessieren sich nicht für kaputtes Hartz IV Gesocks.

  • T
    twmh

    wir sollten unsere Staatsbürgerschaft zurückgeben und Nordkoreaner werden. Die sind schön schlank und haben keine Depressionen.

  • B
    Blaschko

    Wenn die Deutschen sich inzwischen deutlich mehr bewegen als noch Ende des letzes Jahrhunderts, die Fettleibigkeit und ihre Folgeerkrankungen aber im selben Zeitraum signifikant zugenommen haben, kann irgendwas nicht stimmen mit der ständig hergebeteten Formel: Körperliche Aktivität und Sport verbessern die Gesundheit.

  • V
    vogeler

    Die Studie ist eine der typischen quantitativen Studien: sehr dürr deskriptiv und in nichts analytisch.

     

    Man muss schon ein profilsüchtiger F...D...P... - Minister sein, wenn man dann ohne etwas zu wissen, schnell mal eine irgendwie geartete Präventionsstrategie in den Raum stellt. Das kostet zwar nichts, hört sich aber kompetent an und nuir der Medieneindruck zählt.

     

    Profilsucht vor und Depression nach Wahlen, in der Gruppe der 20-29-Jährigen mit abgewertetem politischen Status, taucht in der Studie nicht als Volkserkrankung auf. Dabei ist sie ungeheuer verbreitet. Ich stelle eine Präventionsstrategie gegen die Profilsucht anheim: Sofort abwählen und strenge 10-jährige Medienruhe. Kein Getwitter, keine Interviews, keine Phantastereien, keine Veröffentlichungen, keine Auftritte. Nur TAZ und Tee bei realwirtschaftlich kontrollierter Erwerbstätigkeit. Das hilft, wetten ?

  • JZ
    jan z. volens

    "americanized"!

  • H
    hannes

    Zu wenig körperliche Beschäftigung im Alltag,

    zu viel frühkindliche Prägung auf Zucker,

    künstliche Aromastoffe, zu einseitige

    Arbeitsplatzgestaltung, zu wenig gesellschaftlicher

    Druck zur Fitness, zuviel Erziehung

    zu einem schlechten, unverbesserlichen

    und damit ignorierenden Selbstbild-

    mein Vorschlag hinsichtlich der Ursachen.

  • PL
    Pia Loge

    Pestizide in Obst und Gemüse, Medikamentenrückstände im Wasser, Antibiotika in der Nahrung, Dieselruß, Abgase, Rauch und Dreck in der Luft, Duftstoffe und Chemiepampe überall um einen herum - dies reichert der Körper wunderbar im Fettgewebe an bis der Organismus platzt.

     

    Worüber reden die Politiker/innen nochmal?