piwik no script img

Kommentar Türkei und SyrienRückhalt für die Offensive

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Es geht nicht nur um ein Flugzeug: Für die Türkei wäre eine neue, ihr verpflichtete syrische Regierung der nächste Schritt zur wichtigsten Regionalmacht der Region.

S eit Freitagabend geht in der Türkei die Angst um, dass das Land in einen Krieg mit Syrien verwickelt werden könnte. Zwar hat die türkische Regierung auf den Abschuss ihres Militärjets zunächst mit Zurückhaltung reagiert, allerdings könnte das auch daran gelegen haben, dass man zunächst nicht wusste, wie man der Öffentlichkeit erklären soll, dass der Jet sich in syrischem Luftraum befand.

Mit der jetzt gefundenen Erklärung soll Syrien weiter in die Ecke gestellt werden. Die syrische Version, der Abschuss sei ein Versehen gewesen, wird nicht akzeptiert. Geht es nach Ankara, soll die Nato in den kommenden Tagen ihren Beistand nach Artikel 4 des Bündnisvertrags erklären. Dann hätte Erdogan den Rückhalt, den er braucht, um gegen Syrien offensiver vorgehen zu können.

Man kann davon ausgehen, dass der Versuch, die Nato zu mobilisieren, mit amerikanischer Unterstützung geschieht. Längst ist der Bürgerkrieg in Syrien zu einem wichtigen Stein auf dem geopolitischen Schachbrett geworden. Für die US-Administration ist Assad eine der Säulen, die das Mullah-Regime in Teheran trägt. Fällt Assad, wackelt das Regime im Iran.

taz
Jürgen Gottschlich

ist Türkei-Korrespondent der taz.

Daran haben nicht nur Israel, sondern auch Saudi-Arabien und die anderen mit dem Westen verbündeten Golfstaaten ein Interesse. Für die Türkei wäre eine neue, ihr verpflichtete syrische Regierung der endgültige Schritt zur wichtigsten Regionalmacht der Region.

Der Poker um Syrien ist in vollem Gange. Offensichtlich spielt keine Seite mit offenen Karten. Im Rückblick könnte es sein, dass der Abschuss von Freitag zum Auslöser für eine westliche Militärintervention gegen Syrien wird. Wenn die Nato am Dienstag getagt hat, wird man mit Spannung nach Russland schauen müssen, dem letzten Schutzschirm für Assad.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • S
    slartibartfass

    hier wird wieder tiefstgeflogen, d.h. die radarstellung in unserer gemarkung wird in übungsflügen angegriffen. aus der erfahrung dauert es jetzt noch ca. 3 wochen und wir sind dabei.

  • S
    strooker

    Erschreckend ... ich bin auf die echte deutsche Position zu diesem Zwischenfall gespannt. Falls der Bündnisfall festgestellt werden soll, ist auch die deutsche Meinung gefragt. Bisher war das ja nur Gerede, aber so langsam wird es ernst. Ich kann nur hoffen, dass die Lybien-Position der Bundesregierung schon auf die Entscheidung am Dienstag hinweist. Den in einem Krieg gegen Syrien möchte ich Deutschland nicht sehen. Vor allem, da es hierbei nicht mal im Ansatz um die Menschen in Syrien geht. Die würden - genauso wie im Irak - zu Tausenden als Kollateralschäden umkommen.