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Tierische ProblemeVierbeiner zu vermitteln

Seit Beginn der Ferien ist das Tierheim Berlin mehr als doppelt so voll wie sonst. Vor allem Katzen werden im Sommer in Falkenberg abgegeben - das Limit ist erreicht.

Um Weihnachten werden viele Hunde abgegeben, zurzeit sind Katzen der Standard. Bild: dapd

Während sich die meisten Menschen über Ferien freuen, bedeuten die Sommermonate für das Tierheim Berlin in Falkenberg viel Arbeit. Während Hunde und Kleintiere vor allem zu Weihnachten verschenkt und verstoßen werden, ist derzeit vor allem der Andrang der Katzen besonders hoch: Mehr als 800 Katzen drängeln sich in den Katzenhäusern und der Krankenstation des Tierheims, mehr als doppelt so viele wie zu Jahresbeginn. „Wir sind am Limit“, sagt Tierheimsprecherin Stephanie Eschen – wenn es noch 100 Katzen mehr würden, könne man den Andrang nicht mehr fassen. Schlimmstenfalls müssten die Tiere in andere Tierheime im Umland abgegeben werden.

Für den Andrang gebe es mehrere Gründe: Zum einen würden jährlich zum Start der Schulferien deutlich mehr Katzen abgegeben als sonst. „Die Leute fahren in den Urlaub. Wenn die Katze nicht mehr die jüngste ist, medizinisch versorgt werden muss und das teuer werden kann, wird oft bei uns ausrangiert“, beklagt Eschen. Zudem werfen trächtige Katzen im Mai – so dass nun besonders viele junge Katzen gefunden und abgegeben werden. Allein 25 Mutterkatzen mit zusammen 95 Katzenkindern werden zurzeit im Tierheim versorgt, dazu noch 93 mutterlose Findelkätzchen.

Und schließlich muss sich das Tierheim derzeit um 53 Katzen aus einem Fall von Animal Hoarding kümmern – der massenhaften Haltung von Tieren in Wohnungen. „Ich habe den Eindruck, dass das mehr wird“, sagt Eschen. In diesem Jahr habe es fast 20 Fälle gegeben.

Im Tierheim Berlin leben Katzen entweder einzeln, zu zweit oder viert in gläsernen Boxen. Die Vermittlungschancen sind vor allem bei jüngeren Katzen positiv: „Wenn ein Tier jung und gesund ist, hat es recht gute Chancen auf ein schönes Zuhause“, sagt Eschen. Sorgen machen ihr eher die älteren Semester. Sie müssen ihren Lebensabend im ungünstigsten Fall im Tierheim verbringen.

Im Tierheim leben neben den Katzen aktuell rund 400 Hunde, jeweils knapp 200 Kleintiere und Vögel, über 100 Exoten und eine Handvoll Nutztiere. Insgesamt werden 1.700 herrenlose Tiere versorgt. Für Tiere, die wegen der Urlaubspläne ihrer Besitzer abgegeben werden, gibt es danach kein Zurück mehr. Sie bleiben im Tierheim oder werden neu vermittelt. „Wir sind keine Tierpension“, sagt Eschen.

Eschen beklagt vor allem, dass das Land Berlin das Tierheim finanziell nicht unterstützt. „Die Politik interessiert sich einfach nicht dafür, was mit den 70.000 streunenden Katzen in dieser Stadt passiert.“ So finanziert sich das Tierheim seit mehr als 100 Jahren allein aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen tierlieber BerlinerInnen.

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2 Kommentare

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  • P
    Piet

    GEMEIN!

     

    Miezekatze hinter Gittern!

  • E
    eva

    Danke für diesen Beitrag!

    Schlimm ist nicht nur der verantwortungslose Umgang von Menschen mit "ihrem" Tier - sei es Katze, Kaninchen oder Alligator, die allzu oft als Wegwerfware betrachtet werden.

    Ebenso ärgerlich ist die verantwortungslose Gleichgültigkeit der Politik, auf die Sie dankenswerterweise hinweisen.

    Tierwohl ist Bestandteil der Verfassung, doch die Politik sieht sich nicht angesprochen.

    Wowi und Co. kommen zwar gern ins Tierheim, wenn es darum geht, fotogen ein Bändchen durchzuschneiden und ein neues Tierhaus einzuweihen, das mit Privatspenden von Bürgern gebaut wurde - aber wenn es darum geht, selbst tätig zu werden oder gar für ein tierfreundliches Berlin zu sorgen, fühlt er sich nicht angesprochen.

    Verwahrloste oder gefährlich gewordene Tiere läßt man von der Polizei bei den Haltern abholen und ins Tierheim bringen. Wer dann für sie sorgt, interessiert die Landesregierung nicht mehr.

    Wowi will den Megaflughafen, Luxusbibliothek und die teuerste Autobahn der BRD bauen, was kümmern ihn da hungernde Tiere!

    Der wahre Entwicklungsstand einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Nicht nur Menschen, sondern auch Tieren.

    In Berlin ist das peinlich bis schizophren.