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Neonazis verprügeln Kunsthaus-BesucherVon der Vernissage in die Notaufnahme

Bei der Eröffnung einer Ausstellung im Erfurter Kunsthaus haben Neonazis mehrere Gäste verprügelt. Auch eine herbeigerufene Polizistin liegt noch im Krankenhaus.

Konnte nicht schnell genug helfen: Die Erfurter Polizei. Bild: dapd

ERFURT taz | Bei einem rechtsradikalen Überfall sind in Erfurt in der Nacht zum Samstag mehrere Gäste und Betreiber des Kunsthauses erheblich verletzt worden. Acht Jugendliche, einige von ihnen mit Horst-Wessel-T-Shirts bekleidet, attackierte die Gruppe, als sie gerade nach einer Vernissage zur Ausstellung „miss painting“ das Gebäude in der Erfurter Altstadt verlassen hatte.

Nach „Sieg Heil“-Rufen und antisemitischen Parolen seien die jungen Leute plötzlich umgedreht, zitierte die Thüringische Landeszeitung am Montag den Polizeibericht. Dann schlugen sie zu.

Kunsthaus-Leiterin Monique Förster wurde dabei eine Bierflasche auf dem Kopf zerschlagen. Kurator Dirk Teschner erlitt einen Nasenbeinbruch. Eine Mutter wurde im Beisein ihres Kindes mit dem Kopf auf die Motorhaube eines Autos geschlagen. Die gerufene Polizei rief Verstärkung und nahm die Verfolgung der Täter auf. Als sie einen von ihnen stellen konnte, drangen die übrigen sieben aus dem Hinterhalt auf sie ein. Eine Polizistin wurde dabei so schwer verletzt, dass sie Montag noch im Krankenhaus lag.

Nach erkennungsdienstlicher Behandlung ließ die Polizei die acht Angreifer, darunter zwei junge Frauen, wieder frei. Gegen sie wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

Trotz eindeutiger Hinweise wollte die Polizeiinspektion Erfurt zunächst keinen rechtsextremen Hintergrund sehen. Auch ein Zusammenhang mit einem ähnlichen Vorfall zu einem Erfurter Straßenfest Mitte Juni wurde verneint. Mittlerweile hat sich die Polizei korrigiert. Zwei der Angreifer seien als „rechts motivierte Straftäter bekannt“.

Kurator Dirk Teschner kann nicht verstehen, dass es derartige Informations- und Abstimmungsprobleme innerhalb der Polizei gibt. In jüngster Zeit häuften sich solche Vorfälle – seit eine nahe gelegene und von Jugendlichen geschätzte Kneipe vermehrt auch von Rechtsradikalen besucht werde. Mit dem Wirt, gegen den das Kunsthaus keinerlei Vorwürfe erhebt, wolle man deshalb das Gespräch suchen.

Die Grünen reagierten am schnellsten und entschlossensten auf den Überfall. Die Stadtratsfraktion bereitet in der Hoffnung auf breite Zustimmung eine Erklärung vor. Bereits am Montag formulierte die Landtagsfraktion eine kleine Anfrage an die Staatsregierung, in der es auch um Polizeistrategien geht.

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14 Kommentare

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  • B
    bull

    Ich will sofort meine gesamten gezahlten Soli Zuschläge zurück.Ich habe Sie nicht dafür bezahlt damit in Ostdeutschland eine neue Nazigeneration mit meinen Steuergeldern ernährt und ausgebildet wird.

  • N
    Neopan

    das ist nicht erstaunlich ..das ist erschreckend und ohne namen nennen zu wollen wohl so ähnlich wie in diesem video http://www.youtube.com/watch?v=r1GVubI9o7Y

  • I
    icke

    Der Rechtsstaat gilt auch für diese mutmaßlichen Täter (mutmaßlich, weil noch kein Urteil vorliegt). Solange keine Verdunklungs- und/oder Fluchtgefahr besteht, gibt es keine U-Haft.

  • K
    Karlo

    Gemeinschaftliche schwere Körperverletzung, versuchter Totschlag, Volksverhetzung ... Personalienaufnahme, kein rechtsradikaler Hintergrund?

     

    Das kennt man bei unserer Polizei doch eigentlich ganz, ganz anders. Sorgt sich die 'innere' Führung nicht um das Bild des gemeinen Polizisten als prügelnder autokratischer Nazi-Sympathisant?

     

    Oder ist es genau das Bild was erzeugt werden soll, weil es der Realität entspricht? Wäre es an der Zeit den Art20 Abs4 GG ernst zu nehmen?

  • L
    Lalenia

    Die schlagen mehrere Menschen krankenhausreif und kommen gleich wieder auf freien Fuß? Und warum dauert es überhaupt immer wieder so lang, bis Polizisten bei rechtsradikalen Attacken vor Ort sind? Unfassbar!

  • H
    Hans

    Krass! Es ist erstaunlich, dass man in den überregionalen Medien davon nichts hört.

  • M
    mimi-kri

    "Nach „Sieg Heil“-Rufen und antisemitischen Parolen..."

     

    "Trotz eindeutiger Hinweise wollte die Polizeiinspektion Erfurt zunächst keinen rechtsextremen Hintergrund sehen."

     

    Vielleicht sollten die Polizeiinspekteure mal ausgetauscht werden!

  • G
    gunman

    Überlegt mal was Ihr schreibt:

     

    "... Als sie einen von ihnen stellen konnte, drangen die übrigen sieben aus dem Hinterhalt auf sie ein.

    ..."

     

    Wurde die Polizistin aus dem Hinterhalt

    gruppenvergewaltigt??!

     

    Wenn nicht, dann schreibt so etwas auch nicht!!!!!

    Gut es steht "auf". Diese Formulierung ist

    ungebräuchlich, unpräzise und sicherlich falsch.

    Was passierte denn nun wirklich?

    Wie wurde denn die Polizistin nun genau verletzt?

    Was kann man über den Schweregrad der psychischen

    und/oder physischen Verletzung sagen?

     

    Liebe taz, Polizisten sind keine Menschen 2. Klasse!

    Sie haben die gleiche dezidierte Anteilnahme

    verdient, wie alle anderen die für die Lebenswürdigkeit in diesem Staat kämpfen!!

    Also überlegt Euch, wie Ihr Dinge beschreibt

    und heizt nicht die Problematik nicht durch

    Mehrdeutigkeiten an oder provoziert durch

    sprachliche Vernachlässigung der Fakten!

  • IN
    Ihr Name

    "Nach erkennungsdienstlicher Behandlung ließ die Polizei die acht Angreifer, darunter zwei junge Frauen, wieder frei."

     

    Na, dann kann es ja nicht so schlimm gewesen sein, die Polizei ist doch nicht doof, ODER?

  • J
    joschi

    Das zeigt doch wieder das in den neuen Bundesländer rechtsradikale und Polizei miteinander verfilzt sind.Alle haben rechtsradikale T-Shirt an brüllen heil Hitler und die Polizei will nicht bestätigen das es einen rechtsradikalen Hintergrund gibt.Und jetzt werden sie wieder freigelassen . Wahrscheinlich haben alle eine schwere Kindheit und bekommen darum noch eine Belohnung.Armes Deutschland

  • T
    T.V.

    Sogar noch ne Polizistin zusammengeschlagen und Personalien aufnehmen reicht? Verhältnissmäßigkeit mal wieder arg in der Schieflage. Aber sicher nur harmlose Deutschlandfans!

  • L
    Luftikus

    Ich habe ja gerne gewitzelt, dass rechte Straftaten nur als solche gezählt werden, wenn die Täter "Sieg Heil" brüllend zur Tat schreiten. Aber anscheinend reicht nicht mal das aus...

  • SL
    Sam Lowry

    "Eine Polizistin wurde dabei so schwer verletzt, dass sie Montag noch im Krankenhaus lag.

     

    Nach erkennungsdienstlicher Behandlung ließ die Polizei die acht Angreifer, darunter zwei junge Frauen, wieder frei."

     

    Warum?

    Eine Ohrfeige für unsere Polizisten! U-Haft bis zur Schmerzgrenze, fertisch!

  • L
    Lorenz

    Ist klar. Die Angreifer tragen "Horst Wessel" T-Shirts und rufen "Sieg Heil", aber ein rechtsradikaler Hintergrund ist für die Polizei nicht erkennbar..

    Kann man wirklich so blind sein, oder gibt es da vielleicht doch Verbindungen der Polizei in die rechte Szene?