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KOMMENTAR OBDACHLOSE OSTEUROPÄERNotprogramm nur für Deutsche

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Wenn Hamburgs SPD Notunterkünfte nur für Deutsche anbietet, ist sie reif für eine Koalition mit der NPD.

D ie Hamburger Pläne, Obdachlose künftig nach ihrem Pass zu sortieren und die Hilfen entsprechend abzustufen, sind skandalös – aber sie sind durchaus konsistent mit einer unsolidarischen Politik der Hamburger SPD. Vorige Woche hatten die allein regierenden Genossen beschlossen, weiterhin Flüchtlinge in die Mecklenburger Pampa auszuquartieren – obwohl es für deren schulpflichtige Kinder dort kein Angebot gibt. Dass die Flüchtlinge dort kaum Zugang zu Beratung und Rechtsanwälten haben, ist ein willkommener Nebeneffekt: umso eher sind sie weg. Aus der Opposition hatte die SPD diese Zustände noch gegeißelt. Nun heißt es: aus den Augen, aus dem Sinn.

Das Argument ist: In unserer (schönen) Stadt mit ihren hochwertigen Immobilienlagen ist leider kein Platz für Flüchtlingsunterkünfte. Für Obdachlose natürlich auch nur in begrenztem Maße. Und der muss dann, bitteschön, zuerst den Deutschen zugute kommen. Wenn es in der künftig knapper dimensionierten Hamburger Notunterkunft im kommenden Winter heißt: „Nur für Deutsche“ oder „Osteuropäer dürfen nur drei Nächte bleiben“, dann hat sich die örtliche SPD für eine Koalition mit der NPD qualifiziert.

Richtig ist, auf Beratung zu setzen, auch auf Rückkehrberatung. Aber wo die eigene „Lebensperspektive“ liegt, das entscheiden die Betroffenen – in Kenntnis der Alternativen – immer noch selbst. Zumindest, solange es die EU noch gibt.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
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8 Kommentare

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  • RI
    Rita Ißleib

    Es wundert mich, wie weit die Hamburger SPD sich von den demokratischen Grundsätzen der Menschenrechte ent-

    fernt hat. Und als Argument anzugeben, dass der hochwertige Immobilienstandort Hamburg sich das nicht mehr leisten kann..., na ja, das ist ein Zugeständnis der SPD an alle Immobilienmakler und sonstigen Invest-

    mentfirmen, die Wohnungen nur als Renditeqelle sehen, aufkaufen, renovieren und sie dann teuerst wiederverkaufen oder vermieten - zum Nachteil auch aller einfachen Hamburger, die sich teure Wohnungen nicht mehr leisten können, weil sie nur ein einfaches Gehalt beziehen. Treffen tut es halt zuallererst die

    Allerärmsten - mal wieder und wie immer. Ich finde, zwischen deutschen und ausländischen Obdachlosen sollte kein Unterschied gemacht werden. Sie alle brauchen menschenwürdige Beratung und eine faire Behandlung. Diese "Ausländergesindelraus"-Taktik

    fand man sonst immer bei der NPD und den REP's.

    Dass die SPD das jetzt auch anfängt, das salonfähig

    zufinden, finde ich mehr als peinlich.

    Rassismus und Apartheid haben in unserem demokratischen Staat nichts zu suchen. Daran sollte die SPD sich erinnern!Ansonsten ist diese Partei auch für mich nicht mehr wählbar.

  • MS
    Matthias Stelzer

    Schlicht: Gefällt mir!

  • M
    Margot

    Vielleicht ist die Anspielung auf die NPD überzogen. In Kenntnis der in Teilen sicher rassistischen Politik auch der im bürgerlichen Spektrum sozusagen rechts verorteten Parteien ist der Vergleich aber auch meiner Ansicht nach nicht nötig.

     

    Außer, ja außer, man käme überein, dass viele der etablierten Parteien Strömungen zulassen, wie sie eben auch bei den ewig gestrigen, den Unterdrückern und Mördern, den Nationalisten, den Rassisten und Antisemiten zu finden sind.

     

    Menschen die der Nothilfe bedürfen diese zu verweigern ist, auch in diesem Fall, unterlassenen Hilfeleistung. Eine Straftat, selbst nach den uns verordneten Gesetzen. Menschen nach äußeren Merkmalen wie Geburtsland, Passeintrag, Geschlecht, Hautfarbe, Sprache oder Glauben zu kategorisieren und sie ungleich zu behandeln wäre selbst nach verordnetem EU-Recht weit mehr als eine Ordnungswidrigkeit.

     

    Hilfe muss dort geleistet werden wo sie benötigt wird, für jeden der oder die es benötigt. Eine Entscheidung, wer im krassesten Fall zu sterben hat kann nicht getroffen werden.

     

    Die Todes- oder Folterstrafe ist abgeschafft und sie nach "Nationalität" anzuwenden ist, um den obigen Bezug wiederherzustellen, Gedankengut rechtsradikaler Nationalisten. Wer das propagiert will ebenso eine Gesellschaft von unmündigen, willfährigen, ängstlichen und vor allem ausnutzbaren unterdrückten und antisozialen unfreien Menschen. Menschen die vor allem damit beschäftigt sind gegen sich selbst zu kämpfen und sich das wenige Brot zu neiden, dass ihnen zugeworfen wird.

     

    Wenn es damit derzeit finanzielle oder personelle Probleme gäbe, so hat es dafür eine soziale Umverteilungs-Lösung zu geben, auch global, auch europa- oder kontinentweit. Hilfe gar Nothilfe hat in jeder Form allen Menschen offen zu stehen, die sich in einer Notlage befinden. Wer dagegen argumentiert beweist nur, dass er oder sie weder Geschichte versteht noch dass er oder sie fähig ist zu sehen, dass wir nur in kooperativer und gleichberechtigter Gemeinschaft auf dieser Erde leben können. Für alles andere ist sie zu klein.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Jede/jeder der der Hilfe bedarf sollte diese auch erfahren.Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit ist nicht nur ein Phänomen der Deuztschen

  • HD
    Helft den Menschen!

    Ein wichtiger Beitrag! Es kann nicht sein, dass irgendwelchen Menschen einfach nicht geholfen wird, nur weil das Geld kostet. Jeder soll bereit sein allen Menschen zu helfen. Ein wichtiger Schritt wäre, dass alle taz-Redakteure endlich auch persönlich Verantwortung übernehmen und obdachlose Ausländer in ihre Privatwohnung aufnehmen und auf eigene Kosten verpflegen. Die Betroffenen haben dann dauerhaft eine Möglichkeit unter menschenwürdigen Bedingungen hier zu leben. Und wenn alle, die sonst gegen die unmenschliche Behandlung anderer nur protestieren, dann diesem Beispiel folgen, ist viel gewonnen!

  • AS
    Alexander Stern

    Mehr und mehr drängt sich der Eindruck auf, dass der SPD-Senat eine erzkonservative, autoritäre und repressive Politik betreibt, die einzig dem Ziel verpflichtet ist, die staatlichen Ausgaben zu senken und ein günstiges Klima für Reiche herzustellen. Und an der Macht zu bleiben.

    Dazu gehört auch die Ausgrenzung derjenigen, die nicht in dieses (Welt-)Bild passen.

    Auf der anderen Seite versteht es die SPD, mittels gut beworbener Events gegenüber der Öffentlichkeit Toleranz, Mitbestimmung, Bürgernähe und kulturelle Vielfalt zu suggerieren wie keine Regierung vor ihr. Das ist sozialdemokratische Regierungskunst, Hut ab... .

  • WR
    Weiße Rose

    Wen soll das noch wundern, seit die SPD das Portrait Kurt Schumachers in der Parteizentrale durch das Sarrazins ersetzt hat!?

    Diese Partei ist für humanstisch, antirassistisch orientierte Menschen unwählbar geworden!

  • LG
    Linke Geschmacklosigkeiten

    Herr Kahlcke, Sie werden es wissen (hoffe ich): Absolute Niederlassungsfreiheit in der EU gibt es nicht - nur für Arbeitsmigration und Menschen, die aus anderen Gründen ihren Lebensunterhalt selbst betreiten können. Wenn Sie das für skandalös halten, ist das Ihre Sache. Ihre Nazikeule in dem Zusammenhang ist aber mehr als geschmacklos.

    Aus dem parallelen Artikel:

     

    "Die Anlauf- und Beratungsstelle beruht auf einer Kooperation zwischen der Sozialbehörde und den Konsulaten Polens, Bulgariens, Rumäniens und der Slowakei. Bislang wurden rund 580 Wohnungslose beraten, für mehr als 250 Menschen wurde anschließend die Rückkehr in ihr jeweiliges Heimatland organisiert. Die Tickets für die Heimreise bezahlt die Hamburger Sozialbehörde."