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Vorschläge für VerfassungsschutzreformSPD wünscht Diplom-Demokraten

Weil der Bundesverfassungsschutz im Kampf gegen Neonazis „krass versagt“ habe, will die SPD ihn reformieren. Die Abteilung Rechtsextremismus soll nach Berlin ziehen.

In Köln ist der Wind ein bisschen alt geworden: Verfassungsschutz-Zentrale. Bild: dpa

BERLIN taz | Als Reaktion auf das Versagen beim Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) fordern SPD-Politiker Konsequenzen beim Verfassungsschutz. Zwar sei der NSU-Untersuchungsausschuss noch mitten in der Arbeit, die „bereits jetzt erkannten Mängel“ müsse man aber rasch beseitigen. Viele seien sprachlos, „wie groß das Versagen des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern war“, sagt Eva Högl, Ausschuss-Obfrau der SPD, die mit dem Innenexperten Michael Hartmann und dem parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, nun ein Papier mit Reformideen vorgelegt hat.

Anders als die Linkspartei will die SPD demnach nicht den Verfassungsschutz ganz abschaffen. Vielmehr gehe es darum, den Inlandsgeheimdienst grundlegend zu reformieren. Das „Berufsbild Verfassungsschützer/in“, wie es sich die Sozialdemokraten vorstellen, soll nichts mehr mit dem Schlapphut-Image aus Zeiten des Kalten Kriegs zu tun haben.

„Verfassungsschützer müssen nicht in erster Linie Geheimdienstler sein, sondern geschulte Demokraten“, heißt es in dem SPD-Papier. Es müsse sich sowohl die Personalauswahl verbessern als auch die Aus- und Fortbildung zu Beamten mit „breiten analytischen Fähigkeiten und starker interkultureller Kompetenz“.

Auch organisatorisch will die SPD den Verfassungsschutz umbauen. So soll nicht nur die Rechtsextremismus-Abteilung nach Berlin umziehen, sondern auch das erst vor wenigen Monaten neu geschaffene, bisher auf Köln und Meckenheim verteilte Gemeinsame Abwehrzentrum dorthin verlagert werden – dort gibt es schon seit 2004 ein Abwehrzentrum gegen islamistischen Terrorismus. Die SPD erhofft sich dadurch "frischen Wind".

Nicht völlig verzichten wollen die SPD-Politiker auf die umstrittenen „V-Leute“, also vom Verfassungsschutz bezahlte Informanten in der rechtsextremen Szene. Allerdings solle ihr Einsatz aus der rechtlichen „Grauzone“ geholt werden und in jedem Einzelfall von einer unabhängigen Instanz vorab erlaubt werden müssen, am besten von der sogenannten G-10-Kommission, die bereits jetzt von den Geheimdiensten gewünschte Telefonüberwachungen genehmigen muss.

Stärken wollen die SPD-Politiker auch die Möglichkeiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums, das insgesamt über die Arbeit der Geheimdienste wacht. Bisher fehle es an einer ausreichenden Ausstattung des Gremiums. Während die Kontrollausschüsse in den USA mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigten, seien es in Deutschland weniger als zehn.

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5 Kommentare

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  • H
    Hans

    So ein Stuss. Aber ich erwarte es auch nicht anders von einer Partei, die sich verhält wie die CDU mit nem anderen Farbanstrich.

     

    Der Verfassungsschutz und die anderen Nachrichtendienste wurden von den Alliierten mit Ex-Nazis begründet und es war klar, dass daraus nix wird. Wenn man überhaupt diese Institutionen weiter behalten will, muss der gesamte Apparat ausgetauscht werden, da sowohl die Führungsriege, als auch die Untergebenen fast völlig korrumpiert sind.

     

    Abschaffen, liebe SPD, könnt ihr auch mal mit euch versuchen.

  • JV
    Jenseits von Böse

    Frische Winde? Was für Winde entweichen denn da der alten Tante SPD? Der Verfassungsschutz hat "krass versagt" - stimmt. Eine rechte Mörderbande konnte jahrelang morden, die NPD nicht verboten werden.

     

    Liebe Tante SPD: dagegen sollen Umzugskartons helfen? Eher schon Klammerbeutel, um dich damit zu pudern! Die NPD konnte nicht verboten werden, weil das Verfassungsgericht sich nicht sicher sein konnte, stattdessen den Verfassungsschutz zu treffen - so viele V-Leute führten in der NPD.

     

    V-Leute beim "Heimatschutz", V-Leute beim Ku-Klux-Klan, V-Leute in der NPD - oder ist es umgekehrt? Rechte Szene und VS könnte man angesichts dieser Verquickungen glatt verwechseln. Liebe Tante SPD: keine gute Idee, sich die Verfassung von solchen Leuten schützen zu lassen. Da hilft nur eines:

     

    Abschaffen!

  • SI
    SPD - immer noch inkl. Sarrazin

    Da frage ich mich: Was genau macht die SPD so sicher, dass es sich bei der momentanen VS-Skandalwelle lediglich um ein "Versagen" staatlicher (Un-)Sicherheitsbehörden gehandelt hat?

     

    Inzwischen sind wir so weit, dass wir wissen, das mindestens zwei Polizisten Mitglied im "Thüringer Heimatschutz" waren - der Neonaziorganisation, der auch das NSU-Terrortrio einst angehörte.

     

    Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/235770.mit-nazis-nicht-nur-in-der-muckibude.html

     

    Liebe SPD: Vielleicht besser erstmal lieber abwarten, was im Zuge der laufenden Ermittlungen noch alles ans Tageslicht kommt, bevor man die eigene fragliche Einschätzung des Problems in politische "Lösungsmaßnahmen" festschreibt?

  • W
    wetterleuchten

    Der Verfassungsschutz in Bezug auf die rechte Szene muss beim deutschen Parlament angesiedelt werden. Das Innenministerium und der Bundes-Innenminister haben sich in der Aufklärung als nicht professionell genug erwiesen. Die Selbstblokade (Verknüpfung von linker und rechter Szene) war lange ideologisch durch Hr. Friedrich gewollt. Sie hat uns aber nicht weiter geführt.

    Weil die rechte Szene für Deutschland bedeutender, weil gefährlicher und brutaler gegen Menschen vorgeht, und um unserer Geschichte Willen, mussen die Volksvertreter damit befasst werden.

    Und wir brauchen bei allen zuarbeitenden Diensten einen Mentalitätswechsel. Konkret: Bei jeder Gewalttat muss sofort eine rechte Variante angedacht bzw. einbezogen werden. Hier darf es keine Abwägungen nach Stimmungslage mehr geben!

  • FK
    Fritz Katzfusz

    Find ich gut.-