Kultur: Die Ungeheuer vom Müggelsee

Leander Haußmann und Sven Regener drehen in Friedrichshagen einen Hai-Film.

Der Bademeister und der Hai. Bild: DPA

Das Seebad Friedrichshagen ist leergefegt. Die Volleyballnetze hängen schlaff in der Sonne, am Ufer dümpelt ein Tretbootschwan neben dem Jetski. Keine Badenden, nirgends. Seit zehn Tagen herrscht „Hai-Alarm am Müggelsee“. So heißt der Film, den Regisseur Leander Haußmann hier zusammen mit Sven Regener, dem Element of Crime-Sänger und Buchautor, dreht. Dafür ist das Seebad unter der Woche bis 17 Uhr gesperrt. Und deshalb steht jetzt auf dem Fünf-Meter-Brett kein tollkühner Springer, sondern ein schlacksiger Kameramann.

Auf der Plattform unter ihm wieseln zwei Dutzend Filmleute herum, darunter der Schauspieler Benno Fürmann mit pornöser Sonnenbrille, knusprig gebräunt in einem weißen Trainingsanzug. „Alles auf Anfang, Ruhe bitte!“, mahnt die Aufnahmeleiterin. Fürmann lacht getreu seiner Erscheinung nochmal schnell, laut und dreckig, und dann geht es weiter mit dem Dreh einer Geschichte, der an Schrulligkeit nichts abgeht.

Da ist der Haijäger Snake Müller, der aus Hawaii an den Müggelsee flüchtet, auf der Suche nach einer Existenz, in der Haie nicht mehr vorkommen. Doch schon bald wird dem Bademeister die Hand abgebissen, Friedrichshagen befürchtet ein Sicherheitsrisiko im Wasser. Die Kommunalpolitiker tun, als wäre nichts gewesen und die Wutbürger das genaue Gegenteil: Die Gemeinde ist in Aufruhr!

„Es geht weniger um den Hai als um den Alarm“, erzählt Regener, der mit dem sogenannten Alarmfilm das deutscheste aller Filmgenres erfunden haben will. „Der Alarmfilm ist der unentdeckte Bruder des Katastrophenfilms.“ Nicht die Katastrophe an sich, sondern die damit verbundenen administrativen Maßnahmen auf kommunaler Ebene stünden im Vordergrund. Und der Drehort sei natürlich gewissenhaft ausgewählt worden: „Berlin ist, was Alarm betrifft, absolut spitze“, versichert Sven Regener.

Er und Co-Regisseur Leander Haußmann scheinen sich in einer innigen ästhetischen Umarmung zu befinden: Abgesehen davon, dass Haußmann Regeners Bestseller „Herr Lehmann“ verfilmt hat, sehen sich die beiden äußerlich immer ähnlicher: Zwei Männer über 50, die ihre dünnen Haare halblang und ihre Brillen kastenförmig riesig tragen. Wie zwei Jungs, die die selben Bands lieben und die selben Geschichten. Klar, dass sie das Drehbuch gemeinsam geschrieben haben.

„Die hohe Bildung der beiden stört manchmal bei der Arbeit“, kalauert der Schauspieler Michael Gwisdek, der als erklärter Nichtschwimmer den Bademeister gibt und den Film mitproduziert – wie auch seine Kollegen Tom Schilling und Henry Hübchen, die allesamt Abstriche bei ihren Gagen machen. Diese Haigeschichte, die sie als „Schelmenstück über deutsches Beamtentum, Tierliebe und Städtemarketing“ bezeichnen – sie glauben daran.

Für Haußmann ist es zudem ein Dreh vor der Haustür. Er lebt in Friedrichshagen und machte zuletzt als Flugrouten-Gegner Alarm vor Ort. Mit dieser Debatte habe der Film aber absolut nichts zu tun, sagt Hausmann. Er freut sich stattdessen über die Vorzüge des Heimspiels: „Wir brauchten keine Location-Scouts, und abends bin ich schnell bei meiner Familie.“ Haußmann und Friedrichshagen, das sei wie „Woody Allen und Manhattan“.

Auch für alle Schwimmer besteht Grund zur Freude. Am Dienstag zieht die Filmcrew aus dem Seebad ab.

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