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Protest gegen bayrisches VerkaufsverbotAutozwang für Einkäufer

In Bayern bekommen Fußgänger und Fahrradfahrer abends keine Lebensmittel mehr an Tankstellen – Autofahrer schon. Ein Flashmob will das ändern.

Alkohol nach 20 Uhr? Darf ich mal ihr Auto sehen? Bild: dpa

BERLIN taz | Ist in Bayern ab 20.00 Uhr ein Fahrradfahrer oder Fußgänger durstig, hat er ein Problem. Zumindest an einer Tankstelle wird er keine Flasche Wasser bekommen. Denn die seit dem 1. Juni in Kraft getretenen Vollzugshinweise des Bundesladenschlussgesetzes verbieten den Verkauf von „Genuss- und Lebensmitteln“ an Nicht-Reisende. Das sind, so das Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, nur „Kraftfahrer und Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs“.

Die Tankwarte entscheiden wann ein Reisender motorisiert ist und wann nicht. „Nachts ist erfahrungsgemäß der Kundenandrang so gering, dass der Verkäufer durch einen Blick aus dem Tankstellenfenster feststellen kann, ob sich ein Kfz an der Zapfsäule oder auf dem Tankstellengelände befindet.“ verkündet das Ministerium. Im Zweifel solle eben kurz nachgefragt werden.

Das sehen die Jungen Liberalen (JuLis) anders. Für Samstag planen sie einen Flashmob. „In den größten Städten Bayerns sollen möglichst viele Menschen gleichzeitig bei eine Tankstelle einlaufen. Dann wird der Tankstellenwächter sicherlich nicht überprüfen können, wer mit dem Auto gekommen ist und wer nicht,“ erklärt der Landesvorsitzende Matthias Fischbach.

Man wolle zeigen wie „absurd“ die Regelung sei. Die Piratenpartei weist in diesem Kontext auf Arbeiternehmer mit wechselnden Spätschichten hin. Häufig seien für die Angestellten Tankstellen nachts die einzige Möglichkeit um noch Lebensmittel für den nächsten Tag einzukaufen.

Was tun? „Anstatt zur Tankstelle zu laufen, steigen wir, um noch einkaufen zu können, eben für ein paar Meter ins Auto,“ sagt der Münchener Student Julian Schulz. „Diese Regelung ist absolut sinnlos und willkürlich.“ Beliebter würden nun sogenannte Car Sharing-Modelle, bei denen man Autos minutenweise mieten kann.

Seit 2005 dürfen die Länder – und nicht mehr der Bund – über die Ladenöffnungszeiten bestimmen. 14 Bundesländer haben daraufhin die Öffnungszeiten liberalisiert, Bayern blieb beim Ladenschlussgesetz des Bundes. Für Zapfsäulenbesitzer bedeutet die Einschränkung einen Umsatzverlust. Besonders der Abendverkauf von Alkohol dürfte wegfallen. Tankstellen in der Nähe von Diskotheken befürchten zudem gewalttätige Ausschreitungen. „Wir verkaufen einfach weiter. Das geht anders nicht,“ schildert ein Tankstellenwächter in München, der anonym bleiben möchte, die Situation.

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9 Kommentare

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  • A
    Autofreier

    Der Ausschank von Benzin und Diesel sollte nach 20:00 Uhr und vor 19:59 Uhr untersagt werden.

  • M
    MMF

    mehr Infos zum Flashmob, den die Jungen Liberalen planen findet man übrigens auf der folgenden Facebook-Veranstaltung. Darüber findet man auch heraus an welchen Tankstellen die Hauptevents stattfinden https://www.facebook.com/events/306186022813620/

  • AG
    Anton Gorodezky

    Unbürokratische Lösung: Tankstellenpächter dürfen ab sofort alles und an jeden 24h lang verkaufen, aber keinen Alkohol (der nun wirklich keinen notwendigen Reiseproviant darstellt).

    So kommt der Spätschichtarbeiter noch an sein Abendbrot, nur sein Feierabendbierchen muss er dann eben schon eher kaufen, der Idiot. Supermärkte haben von 9 bis 20 Uhr geöffnet, teilweise von 8 bis 22 Uhr. Da sollte doch einmal in der Woche die Möglichkeit bestehen, sich für einige Tage einzudecken.

     

    Ich warte nur darauf, dass sich herausstellt, diese künstliche Empörung wurde von einem Lobbyverein inszeniert. Überteuerten Alkohol an Feierwütige nach der Disko zu verkaufen ist nämlich für die Tankstellen ein Bombengeschäft.

  • H
    Halunke

    Das "Tannenzäpfle"kommt aber aus Baden-Würtemberg!Eine Beleidigung unser gutes schwarzwälder Bier mit Bayern in Verbindung zu bringen...lol...:)

  • HR
    HP Remmler

    Gibt's vielleicht auch noch Rabatt, wenn man mit 'nem BMW vorfährt?

  • KK
    Kein Kunde

    Dann sollen die halt Carsharing vor ihren Tankstellen einführen.

     

    In diesem Falle würde das auch kaum bedeuten Parkplätze zu verschwenden und die Öffentlichkeit mit unnötigen Parkplatzsucherabgasen belästigen.

     

    Sollte man nie vergessen in der Debatte, Carsharing braucht für jedes Fahrzeug 2 Parkplätze.

  • J
    Jörn

    Auf Basis des Ladenschlussgesetzes kann ich verstehen, dass nur Reisende einkaufen dürfen. Ob das Ladenschlussgesetz berechtigt ist, ist eine andere Frage.

    Allerdings anzunehmen, dass RadfahrerInnen nicht reisen würden, ist schlichtweg eine Frechheit. Gerade als RadfahrerIn ist das Transportvolumen begrenzt und man/frau ist froh über die Möglichkeit Reiseproviant unterwegs nachzukaufen. AutofahrerInnen dagegen können leichter Proviant mitnehmen.

    Unter den AutofahrerInnen wird es einen ähnlich hohen Prozentsatz geben, der nicht reist, sondern nur um die Ecke zur Tanke fährt. Daher ist diese Diskriminierung der RadfahrerInnen natürlich gleichheits- und grundgesetzwidrig.

    Wenn jemand die schleichende Aushöhlung des Ladenschutzgesetzes durch die Tankstellenshops verhindern möchte, könnte das Sortiment eingeschränkt werden. Mikrowellengerichte oder Konservendosen sind (ausser für Camper) sicher kein Reisebedarf. Hochprozentiger Alkohol sicher genausowenig. Bier allenfalls für MitfahrerInnen. Wer also den Ladenschluss schützen wollte, hätte genug wirksame Unterscheidungskriterien gehabt. Stattdessen haben die Richter das Recht gebeugt und RadfahrerInnen völlig unnötigerweise und neben der Sache diskriminiert.

  • SG
    Sven Geggus

    Zufall, dass hier ausgerechnet Bier der Badischen Staatsbrauerei Rothaus abgebildet ist?

  • D
    D.J.

    Ich denke, die Liberalen können tatsächlich mal wieder was Sinnvolles tun, wenn sie sich gegen den besch... Nanny-Staat stellen, der sich wie eine ekelhafte Krake ausbreitet: In dem einen Bereich Liberalisierung, in zwei anderen wieder ein Stück mehr Freiheitsentzug (z.B. Rauchverbot auch in abgetrenneten Bereichen; Diskussion um Fett- und Zuckersteuer; Quotenkram usw. usw.). Ansonsten scheint es mir, dass fast alle Parteien, ob links, grün, rechts, sich an neuen Verboten und Geboten aufgeilen. Aber die Aktion der Jungliberalen dürfte eher ein Einzelfall bleiben. Hilft möglicherweise nur Ungehorsam wider idiotische Verbote eines übergriffigen Staates.