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Fernseher bei der IFASchau mir in den Kopf, Kleines

Auf der Funkaustellung zeigen die großen Hersteller ihre TV-Neuheiten. Darunter sind Geräte, die von Hirnströmen gesteuert werden.

„Etwas gruselig“ findet Jürgen Klavers das schon. Bild: Lars-Ole Müller

BERLIN taz | Der Ball fängt das erste Mal an zu schweben, als er beginnt, an die Berge zu denken. „Da waren wir letzte Woche im Urlaub und der Gedanke daran hat mir das entspannte Urlaubsgefühl zurückgebracht“, sagt Jürgen Klavers, Besucher der Internationalen Funkausstellung (IFA), die derzeit in den Messehallen am Funkturm stattfindet. Klavers, der eine Kopfbedeckung wie aus einem Science Fiction Film trägt, steuert gerade einen Fernseher mit seinen Hirnströmen.

Ist er vollständig entspannt, beginnt ein Ball auf dem Bildschirm, von einer stilisierten Bodenfläche emporzufliegen und steigt dabei immer höher, je entspannter Klavers ist. Das Gerät ist eines der skurrilsten Innovationen, die auf der IFA zu sehen sind und kann am Stand des chinesischen Elektronikkonzerns Haier in Halle 3.2 ausprobiert werden. Marktreif ist der Gedankenfernseher aber noch lange nicht, mehr als das Enspannungs-Kugelschwebespiel ist bisher nicht möglich.

„Das Gerät soll später einmal dazu eingesetzt werden, um es etwa Menschen mit einer Querschnittslähmung zu ermöglichen, ein TV-Gerät ohne fremde Hilfe zu bedienen. Und natürlich ist es auch eine tolle Sache für Technik-Freaks und Faule“, sagt Messestand-Betreuer Jonny Herzog. Bis man soweit ist, sei es aber noch ein weiter Weg.

Bei vielen Schaulustigen bewegt sich der Ball keinen Zentimeter. Die Vorstellung, dass da etwas ihr Hirn ausmisst, scheint bei vielen keine richtige Entspannung aufkommen zu lassen. Vielleicht liegt es aber auch an der Konzentration auf die Aufgabe, entspannt zu sein.

„Etwas gruselig ist die Vorstellung schon, dass einem etwas in den Kopf gucken kann“, findet Messebesucher Klavers. Herzog versucht ihn zu beruhigen. Es würden ja gar nicht wirklich die Gedanken gelesen, sondern nur elektrische Strömungen im Hirn gemessen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Gedanken irgendwann wirklich sehen können wird in der Form, dass diese auf einem Banner auf dem Bildschirm ausgelesen werden können.“

Bei Xuxia Lei, die im Haier-Hauptquartier in Paris arbeitet und extra zur IFA angereist ist um die Innovation zu sehen, fliegt der Ball sofort und steigt in bis dahin ungesehene Höhen. Sie kann sich die Technik zunächst als Steuerungsmöglichkeit für Spiele vorstellen.

Ein anderer Fernseher aus dem Hause Haier ist da schon weiter. Dieser lässt sich mit den Augen steuern. Mit Blicken nach links und rechts reguliert man die Lautstärke, schaut man nach oben öffnet sich das Menü und man kann Inhalte auswählen, oder zu Facebook wechseln. Bestätigen funktioniert mit mehrmaligem schnellen Augenblinzeln.

Es ist gut vorstellbar, dass dieses Gerät Menschen mit Behinderung eine echte Erleichterung bringt. Doch reif für den Markt ist auch dies noch nicht. Die Lautstärkeregulierung funktioniert fehlerfrei, aber das Blinzeln bereitet vielen Messebesuchern große Schwierigkeiten. Zudem muss das Gerät vor dem Gebrauch aufwendig kalibriert werden, die Augenkamera muss in Brusthöhe 80 Zentimeter vor dem Zuschauer stehen, der zudem den Kopf kaum bewegen darf.

Haier plant, dieses Problem möglicherweise durch das Implementieren der Kamera in eine Brille zu lösen. Ein Preis steht auch für diesen Fernseher noch nicht fest, auf den Markt kommt er frühestens im nächsten Jahr.

Der größte Fernseher der Welt

Auch andere namenhafte Hersteller präsentieren ihre TV-Innovationen auf der IFA, bisher sind aber nur die wenigsten Geräte auch wirklich erhältlich. Samsung und LG setzen dabei neben Smart-TV’s, die ähnlich wie Smartphones funktionieren, auf die sogenannte OLED Technologie, die besonders energiesparend und hell ist und brillante Bilder liefert. LG zeigt den weltgrößten (54 Zoll) und –schmalsten (4 mm) OLED-Fernseher, dem Astronauten und spärlich bekleidete brasilianische Sambatänzerinnen mittels 3D-Technik und einer riesigen Videowand aus 122 zusammengeschalteten Geräten entsteigen.

Die Konkurrenten Sony und Toschiba setzen hingegen auf die 4K-Technologie, deren Geräte durch die vierfache Pixelzahl der konventionellen Full-HD-Auflösung erstaunliche Schärfeeffekte liefern. Preisangaben gibt es dafür bisher nicht, es wird aber wohl vergleichbar teuer wie ein Kleinwagen, schätzt Toschiba-Mitarbeiter Ken Wollrad. „Meiner Ansicht nach werden die auf der IFA gezeigten Top-Geräte immer Nischenprodukte bleiben, die bei den Kunden für ein kurzes Aha-Erlebnis sorgen.“

Laut Wollrad sollen sie helfen, den Weg für kleinere und preiswertere Fernseher zu ebnen, die sich dann als Standard durchsetzen könnten. Für die 4K-Technologie gibt es zudem kaum so hochaufgelösten Content. Auf YouTube stehen einige Trailer bereit, auch GoogleMaps unterstütz das Format bei einigen Karten, Fernsehprogramm in dieser Auflösung gibt es aber noch lange nicht. „Ich sehe aber beispielsweise ein Nutzungspotential für ambitionierte Fotografen, die ihre Bilder in ganz besonderer Qualität erleben wollen“, sagt Wollrad. Dafür reicht schon eine handelsübliche 8-Megapixel-Kamera.

Dennoch sind viele der gezeigten Produkte Zukunftsmusik und nur in wenigen Wohnzimmern dürfte in Zukunft ein Ball auf dem Bildschirm durch Entspannung fliegen lernen.

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6 Kommentare

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  • T
    Täuschungsopfer

    Viele TV-Zuschauer haben FullHD-Geräte gekauft. Die Sender liefern aber nur "HalfHD". Wir Käufer haben jedenfalls gegenüber den öff.-rechtl. Sendern Anspruch darauf zu erfahren, wann diese FullHD zu senden planen statt des bisher HalfHD.

  • S
    Stork

    Fernseher mit Gehirnstrom steuern???

    Ich wäre schon zufrieden, wenn die Fernsteuerungen benutzerfreundlicher konstruiert würden. Vor sechs bis sieben Jahren kaufte ich einen Digitalreciever (Sat) und war begeistert vom Bedienungskomfort. Jetzt habe ich, von derselben Firma, einen HD fähigen SatReceiver gekauft - und bin entsetzt über die unglaublich schlechte Bedienbarkeit; einfach Schrott. Verschonen sie mich also bitte mit Hirnstromsteuerungen!

  • B
    Beo

    schwebender Ball? Klingt ziemlich scientologisch...

    Sollte der Koreaner jetzt etwa E-Meter bauen?

  • L
    Lox

    @ Glasauge

     

    Ihre Paranoia in Ehren, aber Ihre Argumentation steht auf wackligen Füßen: "Kontrollieren und fernsteuern" sind schlicht nicht möglich, da es sich um ein reines "Hirnstrom-LESEgerät" handelt. Diese Technik wird schon seit ein paar Jahren bei einigen Spielen verwendet, bei denen man übrigens AUCH einen Ball steuern muss - nur nicht auf dem Bildschirm, sondern "in echt" auf dem Tisch. Es nennt sich ua "Mind Flex" und wird seit 2009 von Mattel produziert.

     

    Der aktuelle Stand der Wissenschaft ist noch sehrSEHR weit davon entfernt, das menschliche Gehirn effektiv zu steuern bzw. zu kontrollieren. Das höchste der Gefühle ist die transkranielle Magnetstimulation, bei der Teile des Gehirns mit sehr starken Magnetfeldern beeinflusst werden, die dann zB dafür sorgen, daß aus einem Rechts- plötzlich ein Linkshänder wird. Aber das auch NUR, während der TMS.

  • D
    DerHelli

    Die Methode nennt sich "Biofeedback" und ist in der Medizin ein alter Hut, wird z.B. bei Entspannungsübungen bei Migräne eingesetzt. Aber es stimmt schon, man kann damit auch beeindruckende Taschenspielertricks machen ;-)

  • G
    Glasauge

    Fernseher per Gehirnströme steuern!

    bei jedem, der von dieser Entwicklung hört, sollten die Alarmglocken schrill läuten.

    Der Trick „Behinderten helfen zu wollen“ ist zu alt, das Argument hatten wir u. a. schon bei der Spracherkennung. Es gibt bessere Methoden Behinderten zu helfen aber kaum was Besseres um Menschenmassen einfach zu kontrollieren und fernzusteuern. Und wer von den Tatortguckern glaubt DNA-Analysen seien erfunden worden um Kriminelle zu überführen, sollte sich nicht wundern, wenn die Bewerbung für einen neuen Job nicht erfolgreich war oder die Versicherung den Vertragsabschluss ablehnt. Sie kennen Dich vermutlich besser als Du Dich selbst.