Insolvenz in der Energiewende: Zweite Chance für Nordseewerke
Eine neue Bürgschaft der Landesregierung könnte die Siag Nordseewerke retten. Dem müssten aber die Bundesregierung und die EU-Kommission zustimmen.
HAMBURG taz | Die niedersächsische Landesregierung versucht, mit einer neuen Bürgschaft die angeschlagenen Siag Nordseewerke in Emden zu retten. Über die nötige Genehmigung für eine solche als Beihilfe geltende Bürgschaft hat Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) am Donnerstag in Brüssel mit der EU-Kommission verhandelt. Bode äußerte sich nach dem Gespräch optimistisch. Am Freitag ist in Hannover ein weiteres Spitzengespräch mit Vertretern des Unternehmens, der Arbeitnehmerseite und der Landesregierung geplant.
Die Nordseewerke, eine ehemalige Schiffbauwerft, sind 2010 von der Stahlbaufirma Siag Schaaf Industrie übernommen und zu einem Zulieferbetrieb für die Offshore-Windindustrie umgebaut worden. Im März hatte Siag Schaaf Insolvenz anmelden müssen. Die Nordseewerke, die einen Großauftrag in ihren Büchern stehen haben, schienen davon zunächst unberührt zu sein: Sie wurden aus dem Konzern gelöst und über eine Treuhandgesellschaft weiterbetrieben. Jetzt sind sie von den Verzögerungen beim Ausbau der Offshore-Windenergie erwischt worden. Am Mittwoch beantragte die Geschäftsführung ein Insolvenzverfahren.
Mit 700 Beschäftigten sind die Nordseewerke ein bedeutender Arbeitgeber in Emden. Im Arbeitsagenturbezirk, zu dem auch die benachbarten Landkreise gehören, sind knapp 12.000 Menschen arbeitslos. Die Quote liegt mit 7,9 Prozent etwas über dem Landesdurchschnitt. Die Gewerkschaft IG Metall warnte mit Blick auf die mögliche Insolvenz vor weitern Arbeitslosen. „Eine Insolvenz ist nie geordnet, sondern führt meistens zu Entlassungen“, sagt Meinhard Gerken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.
Das Unternehmen und auch die Landesregierung streben eine Insolvenz in Eigenverantwortung an, bei der die Geschäftsführung weiter am Ruder bliebe – allerdings unter Aufsicht eines Insolvenzverwalters als „vorläufigem Sachwalter“. Damit wäre Zeit gewonnen, um einen Investor für die Firma zu finden und den laufenden Großauftrag abzuarbeiten. Voraussetzung für diese Lösung ist ein neuer Kredit für das Unternehmen, der vom Land verbürgt werden müsste.
Die Geschäftsführung hatte die Insolvenz beantragt, nachdem die Landesregierung sich geweigert hatte, laufende Bürgschaften für Kredite der Nord LB zu verlängern. Die Landesregierung reagierte damit auf ein Gutachten der Prüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PWC), das eine Verlängerung der Bürgschaften als zu riskant bewertete. Wie aus dem Unternehmen verlautete, sah PWC vor allem drohende Verzögerungen bei Anschlussaufträgen kritisch.
„Wir haben eine Bürgschaftsrichtlinie“, sagt Karsten Pilz, der Sprecher des niedersächsischen Finanzministeriums. Mit Blick darauf habe die Landesregierung die Bürgschaften nicht verlängern können. Das Land habe bereits für jeden Arbeitsplatz bei den Nordseewerken umgerechnet rund 100.000 Euro bezahlt. Den Wünschen der Firma nachzukommen, hätte bedeuten können, dass weitere 50.000 Euro hinzukommen.
Bei den jetzt angestrebten „Massekredit“ sei das Risiko für das Land viel geringer, weil das Land bei einem Kreditausfall als erster Gläubiger bedient würde. Einen solchen Kredit müsste der Sachwalter bei der Nord LB beantragen; die Bundesregierung und die EU-Kommission müssten ihn genehmigen. Bode hofft, dass letzteres kürzer als die üblichen sechs Wochen dauert. „Es soll ohne großen Zeitverlust passieren“, sagt er.
Der DGB Niedersachsen schlägt vor, dass das Land sich an den Nordseewerken beteiligt.
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