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Leiharbeit in KitasErzieherin zum Lückenstopfen

In Kitas arbeiten immer mehr LeiherzieherInnen. Denn ab August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr. Und der Markt leergefegt.

Heute Lisa, morgen Anna, übermorgen Katahrina: Kinder brauchen eigentlich feste Bezugspersonen. Bild: dpa

BERLIN taz | Kinderrufe dringen durch den Hörer, wenn man Mareike Flenning anruft. Die 36-jährige Erzieherin beantwortet den Anruf aus einer Berliner Kita. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht nennen. Flenning arbeitet seit Februar als Leiherzieherin. Wohl noch bis Ende des Jahres, sagt sie. Sie zumindest ist froh über ihren Arbeitsplatz.

Doch kann das gut sein für Kinder und Beschäftigte, wenn ErzieherInnen alle paar Monate wechseln? Feststeht, die Zahl der LeiherzieherInnen ist nicht sehr hoch, aber sie steigt. Mitte 2009 gab es bundesweit 779, Mitte 2011 bereits über 1.000, sagt die Bundesagentur für Arbeit. Neuere Daten liegen nicht vor.

Die staatlich anerkannte Erzieherin Flenning setzte wegen ihrer eigenen zwei Kinder zwölf Jahre vom Beruf aus. „Es war schwer, wieder reinzukommen, die Leiharbeit war eine Chance.“ Fest binden will sie sich an eine Kita derzeit nicht. „Ich hatte die Möglichkeit auf eine Festanstellung, aber im Moment macht es mir Spaß, verschiedene Kitas und deren Konzepte kennenzulernen“, sagt sie.

900 Euro für 30-Stunden-Woche

Dafür nimmt sie weniger Lohn in Kauf. Für eine 30-Stunden-Woche bekommt Flenning 900 Euro netto im Monat. Das Jobcenter stockt den Lohn der Alleinerziehenden mit 500 Euro auf.

Christiane Weißhoff sieht die Dinge weniger entspannt. Sie sitzt dem Personalrat der Kindergärten City vor, einem von fünf kommunalen Eigenbetrieben in Berlin. Kindergärten City hat 57 Kitas in der Stadt. „Wir haben den höchsten Anteil von Leiharbeit unter den vom Land geführten Betrieben“, sagt Weißhoff. 34 Vollzeitstellen würden im Schnitt monatlich mit Leiharbeitskräften besetzt. Von freien Trägern gibt es keine Zahlen.

Leiharbeit diene vor allem dazu, „einen kurzfristig und zeitlich begrenzten Personalausfall zu überbrücken“, sagt der Berliner Senat. Weißhoff widerspricht: „Wir suchen langfristig Personal und finden keine Leute. Der Markt ist wegen des kommenden Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz leergefegt.“

15.000 Erzieherinnen fehlen

Kaum Aufstiegsmöglichkeiten, körperlich und psychisch fordernde Arbeit – „die meisten Erzieherinnen machen das nur zehn Jahre“, sagt Weißhoff. Auch wegen des geringen Gehalts. In Berlin bekommen ausgebildete ErzieherInnen in Kitas der Kommune für eine 39-Stunden-Woche 2.130 Euro brutto im Monat. Nach 15 oder 16 Jahren sind es rund 2.700 Euro. Mehr wird es nicht. Bei vielen freien Trägern gibt es maximal 2.300 Euro.

Dabei werden immer mehr ErzieherInnen gebraucht. Ab August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr. Spätestens dann werden bundesweit 15.000 ErzieherInnen fehlen, sagt die Universität Dortmund. Auch im Osten, der den Kitaausbau anführt, werde sich der Personalbedarf mittelfristig verschärfen, sagt die Bertelsmann Stiftung. Dort sind fast 20 Prozent der Kitakräfte 55 Jahre alt oder älter.

Aber warum nehmen manche Erzieherinnen den Umweg über die Leiharbeit, wenn händeringend Personal gesucht wird? „Zu uns kommen viele Berufseinsteiger oder Kitakräfte, die lange ausgesetzt haben. Die nehmen wir an die Hand“, sagt Uwe Prell. Er ist Geschäftsführer der Diwa-Personalservice GmbH. Die Firma verleiht bundesweit rund 150 KitaerzieherInnen. „Die Nachfrage nach Personal zieht an“, so Prell.

„Kinder brauchen feste Bezugsgruppen“

Die Diwa vermittle vor allem Fachkräfte, betont er. Und 80 Prozent davon würden in eine Festanstellung übernommen. Einer ausgebildeten Fachkraft zahlt die Diwa laut Prell 9,97 Euro (West) oder 8,71 Euro (Ost) Stundenlohn. Dazu noch Fahrtgeld und ein Verpflegungsmehraufwand von drei bis sechs Euro am Tag.

Norbert Hocke vom Bundesvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht die Entwicklung kritisch. Auch wenn er beobachtet, dass tatsächlich mehr LeiharbeiterInnen als in anderen Branchen in eine Festanstellung übernommen würden. „Aber die Gefahr ist, dass immer wieder neue Leiharbeiter nachrutschen. Das geht zulasten der Kinder, die brauchen feste Bezugspersonen.“

Hocke weiß zudem aus seiner Zeit als Kitaleiter, dass unter den Leiharbeitern oft auch unterqualifiziertes Personal ist. „Das Fachkräftegebot gilt auch für Zeitarbeitskräfte“, sagt dazu der Berliner Senat. Weißhoff widerspricht: „Oft sind in Berlin auch Nichtfachkräfte im Einsatz.“

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10 Kommentare

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  • E
    Elli

    Irgendwie sind die Kommentare immer das Beste, egal ob bei taz oder bei Spiegel. Was man sich als Mutter alles anhören darf - einfach faszinierend. Kinder kriegen muss frau, viele, denn es droht der demografische Wandel; auf Beruf verzichten soll frau, denn die Kinder haben Bedürfnisse; ach und die Rentenansprüche, die kann frau gleich vergessen - wer nicht arbeitet, der kriegt Hartz IV.

    Wer berechtigt Sie, Herr Nörgler, darüber zu urteilen? Wer hebt Sie in die Position, diese Ansprüche an die Anderen zu stellen?

    Und wenn die "normalen" Arbeitgeber eine Erzieherin nicht anstellen wollen, weil sie Elternzeit hatte - s. die Passage über die Kinderbedürfnisse, - dann ist es doch nur toll, dass sie eine Chance bekommt in den Beruf zurück zu kommen. und diese auch ergreift. Es ist bewundernswert und nicht bemitleidenswert. Frauen (und Männer), die ihr Leben im Griff haben, die wissen, was sie wollen und auch bereit sind für ihre Ziele zu arbeiten, genau solche Menschen brauchen die Kinder - schließlich brauchen Beispiele, positive Beispiele und Orientierung im Leben.

    Und übrigens eins noch: Liebe wird nicht in m³ pro Stunde gemessen. Damit ein Kind sich sicher und geliebt fühlt, braucht es keine 24-Stunden-Liebesbeschallung.

  • J
    Johann

    Darf ich an dieser Stelle mal aus meiner eigenen Berufserfahrung plaudern?:

    Die Entlohnung einer Erzieherin ist gemessen an der erforderlichen Qualifikation (5 Jahre Ausbildung) ein Hohn!

    Aber das ist nur ein Faktum der Tatsache dass der überwiegende Großteil der ErzieherInnen bereits nach knapp 10 Jahren erschöpft die Segel streicht und in andere Berufe ausweicht.

    Auch die eigene Familienplanung ist nur ein individueller und oft nur vorgeschobener Vorwand für den dauerhaften Ausstieg aus dem Beruf.

    Schwerwiegender ist die Tatsache dass es auf Grund der Arbeitsbedingungen (physische und psychische Belastung) gar nicht möglich ist diesen Beruf viel länger als 10 Jahre auszuüben ohne ernsthafte gesundheitliche Schäden davon zu tragen.

    Und die Bedingungen sind: Kinder werden in erheblich zu große Gruppen zusammen gepfercht(auch)um dort soziale Kompetenzen und Verhaltensweisen zu lernen die man in der eigenen Familie unter Geschwistern erheblich leichter erlernt, weil der Rahmen dort viel überschaubarer ist. Diese Kinder stammen heute in der Regel aus Ein- bis Zweikind-Familien und sind mithin in diesen großen Gruppen schlechthin überfordert und agieren dann auch so.

    Aus dem sich daraus entwickelnden Problem-und Konfliktpotential ergibt sich dann eine sehr gute Auslastung therapeutischer Praxen und eine deutliche Überbelastung und Überforderung des Kindergartenpersonals.

    ErzieherIn ist aus der Sicht der ErzieherInnen kein Beruf mit Zukunft, weil diese Arbeitsbedingungen eine normale Lebensplanung im Sinne einer lebenslangen Berufskarriere nicht nur unmöglich machen, sondern vielmehr das gesundheitliche Scheitern billigend mit einkalkulieren.

    Dies wird einem allerdings in den ausbildenden Schulen in der Regel verschwiegen. Man will ja den ahnungslosen aber hoffnungsfrohen Nachwuchs nicht verschrecken.

    Um es mit Nachdruck zu sagen: Wer vernünftigerweise beabsichtigt einen Beruf zu erlernen der ihm die Möglichkeit einräumt diesen bis zum Rentenalter einigermaßen unbeschadet ausüben zu können ist unter den gegebenen Umständen sehr schlecht beraten Erzieher/In zu werden.

  • A
    anke

    Warum "manche Erzieherinnen den Umweg über die Leiharbeit [nehmen], wenn händeringend Personal gesucht wird?" Ganz einfach: Weil auch in den Arbeitsagenturen Leute sitzen, die gern und ohne lange nachzudenken den Weg des geringsten Widerstandes nehmen.

     

    Leiharbeitsfirmen wollen Geld verdienen mit dem Verleihen von Arbeitskräften. 24 Stunden am Tag, 30 Tage im Monat, 12 Monate im Jahr. Deswegen stehen sie viel häufiger und viel entschiedener bei den "Agenturen" auf der Matte als die Leiter kommunaler Kitas. Denen fehlt zwar hin und wieder die eine oder andere Erzieherin, ihre Hauptaufgabe liegt aber doch anderswo. Für die Kitas macht das "Zwischenschalten" der Verleiher die Sache zumindest nicht teurer. Den "Preis" (sprich: Gewinn) "zahlen" schließlich die Erzieherinnen, und die zwingt ja niemand, sich eine Zeit lang unter Wert zu verkaufen. Für die Agentur wird die Arbeit nicht komplizierter. Im Gegenteil. Man kennt und schätzt einander. So sehr, dass die Agenturmitarbeiter außer einer oberflächlichen Internet-Recherche und dem Flyer eines Verleihers oft gar nichts weiter im Angebot haben, wenn man sie um Vermittlungshilfe bittet. Alle gewinnen also – bis auf die Kinder. Aber die haben halt wenig zu melden so ganz ohne eigenen Etat und politischen Einfluss.

     

    Würden Kinder, politisch denken, würden sie sich bei Rot-Grün bedanken für den "Wegfall der zeitlichen Beschränkung der Überlassungsdauer" und des "Wiedereinstellungsverbotes". Gleich, nachdem sie Peter Unfried korrigiert haben, der erfolgstrunken behauptet, Fritz Kuhn würde ein "Zukunftslabor" betreiben in Stuttgart, obwohl Joschka Fischer dem Mann auf Bundesebene längst zuvorgekommen ist in Sachen Verbürgerlichung der Grünen.

  • K
    Kurt

    Was ist das denn für ein Käse? Weil sich angeblich niemand findet der den Job in Festanstellung machen möchte werden LeiharbeiterInnen eingestellt. Und die wären nicht bereit den Job in einem ordentlichen Arbeitsverhältniss zu machen, oder was? Der Arbeitsmartkt ist ein Markt, auch der für ErzieherInnen. Wer als ArbeitgeberIn Konkurenzfähig ist, der wird auch MitarbeiterInnen finden. Angebot und Nachfrage; dafür muss man nicht VWL studiert haben.

    Das die Kommunen lieber weniger als mehr bezahlen wollen versteht sich von selbst. Das die Taz das so unreflektiert nachplappert nicht.

  • M
    Maiqi

    Zitat:[...]Auch wegen des geringen Gehalts. In Berlin bekommen ausgebildete ErzieherInnen in Kitas der Kommune für eine 39-Stunden-Woche 2.130 Euro brutto im Monat. Nach 15 oder 16 Jahren sind es rund 2.700 Euro. Mehr wird es nicht. Bei vielen freien Trägern gibt es maximal 2.300 Euro. [...]

     

    Ich will ja nicht meckern, aber das ist eine Entlohnung, von der viele andere Arbeiter in ungleich härteren Jobs träumen, unterbezahlt sieht anders aus...

    Bei den freien Trägern ist das aber wohl oft noch einmal anders (vor allem kirchliche Einrichtungen)

     

     

    Ansonsten stimme ich dem vorigen Beitrag von Maika W. zu^^

  • MW
    Maika W.

    Die Erzieher und Erzieherinnen sollten erst einmal wieder verstärkt für die Kindergartengruppen für Kinder ab 3 Jahren eingesetzt werden. Sattdessen geht auch dort mitterweile alles den Bach runter und alles wird wg. Krippen-Ausbau zusammengestrichen. Und warum? Nur damit die Kleinsten schon mit einem Jahr nicht mehr ihren Eltern auf den Geist gehen und die "Karrieren" der Prenzlauer-Berg-Muttis nicht behindern. Was für ein kinderfeindliches Deutschland!

    Erziehung und frühkindliche Bildung für Kinder unter 3 Jahren ist doch völliger Quatsch. Was die Kinder da brauchen ist eine feste Bezugsperson und viel Zeit. Und zwar am besten von den Eltern, da eine Kleinkinder-Krippe das niemals liefern kann. So etwas wäre evtl. bei einem Personal-Schlüssel 1:1 möglich. Aber wann soll die Erzieherin auf Fortbildung, wann in den Urlaub oder was, wenn sie krank ist. In der Kleinkinderkita wird das mit der idealen Betreuung nie klappen, auch wenn es der mediale und öffentliche "Mainstream" momentan so vorgibt. Dass der Erzieherberuf unterbezahlt ist, ist nichts neues und eine Besserung wäre schon längst überfällig. Aber wer bezahlt denn wirklich mehr? Auch das reiche München (seit Jahrzehnten rot-grün regiert) kann oder will es sich nicht leisten. Die unbequeme Wahrheit ist: wer den Ausbau der Krippen für die 1-3 Jährigen fordert, verschlechtert die Bedingungen für die übrigen Kindergarten-Kinder.

  • A
    Arne

    Ja, warum nehmen viele den Weg über Lewiharbeit statt eine feste Anstellung zu nehmen?

    Evtl. darum, weil jetzt auch die TAZ die Märchen vom Fachkräftemangel verkauft, wenn sie über das Thema berichtet. Es gibt ausreichend arbeitslose ErzieherInnen, sogar mit Weiterbildungen zum Heilerziehungspfleger. Es gibt nämlich auch noch Menschen über 50, für die es im Gegensatz für Frauen in Aufsichtsräten keine Quote gibt.

  • NN
    Nobby Nörgler

    Kinder brauchen nicht "eigentlich" feste Bezugspersonen, wie unter dem Titelfoto geschrieben steht, sondern ganz sicher! Aber selbst dauerhaftere "feste" ErzieherInnen können in den ersten drei Jahren nicht die Mutter ersetzen, die rund um die Uhr für das Kind da ist. Hospitalisierung, die es früher fast nur bei Heimkindern oder nach Dauerkrankenhausaufenthalten der Kleinsten gab, wird weiter zunehmen. Bereits jetzt sieht man die negativen Folgen bei den mittlerweile zu jungen Erwachsenen heran wachsenden Abgabekindern der letzten Jahre - und es wird nicht besser werden!

     

    Arme Kinder, die ihr bereits mit einem Jahr an Fremde abgegeben werdet, arme Eltern, die ihr eurer Karriere oder des ungehemmten Konsums halber eure Kinder fremd Wärme und Liebe suchen lasst, armes Deutschland, das das auch noch forciert unterstützt...

  • WB
    Wolfgang Banse

    Anreize schaffen

    Der Beruf der Erzieherin,des Erziehers muss aktrativer werden,auch im Hinblick auf die Bezahlung.

    Die Ausbildung zur Erzieherin zum Erzieherin sollte wie schon vor wie einmal wie es Frankfurt am Main und München espraktiziert haben,finanziell gefördert werden mit einer befristeten Arbeitsgarantie.Es ist nicht mehr all zu lang hin,bis der Stichtag auf einen Rechtsanspruch Kitaplatz da ist,was den 1.Jamuar 2013 betrifft.

  • S
    Schwarzwolf

    Wenn ihr schon das Binnen-I verwenden müsst, dann tut es wenigstens im ganzen Artikel. Oder ihr lasst es ganz weg, was noch besser ist.